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Dieser nervöse Tick fing vor drei Tagen an, als einer der ersten Untoten aus einer Tankstelle in der Nähe des Augusta-Flughafens stolperte. Der Mechaniker trug eine blutbesudelte Latzhose und schlurfte aus seinem Versteck. Er zog eine Rolle Toilettenpapier hinter sich her und hatte sich im Handumdrehen Bobbys dicken Stiernacken vorgenommen, ehe Philip sich eingemischt und das Wesen mit einer Brechstange mehr oder weniger zu Brei geschlagen hatte.

Die spätere Entdeckung jenes Tages – dass ein gezielter Schlag auf den Kopf vollauf reicht, die Ungeheuer außer Gefecht zu setzen – veranlasste Bobby zu einem heftigen Kicheranfall, was eine nervöse Abwehrreaktion vermuten ließ. Zwischen dem Gelächter stammelte er immer wieder: »Muss was im Wasser sein, Mann … Wie bei der Pest.« Aber Philip war schon damals nicht sonderlich an den Gründen für diese Katastrophe interessiert – inzwischen noch viel weniger.

»He!«, ruft Philip seinem Freund zu. »Findest du das etwa lustig?«

Bobby hört auf der Stelle mit dem Kichern auf.

Von der gegenüberliegenden Wand aus neben einem Fenster, das einen Blick auf den nachtdunklen großen Innenhof gewährt, beobachtet ein vierter Mann unruhig das Geschehen. Nick Parsons, ein weiterer Freund aus Philips missratener Kindheit, ist ein kompakter, schlanker Typ um die dreißig mit einem jungenhaften Auftreten und einer Frisur, mit der er in die Marine gepasst hätte. Er wirkt wie eine Sportskanone. Als der einzig Religiöse der Gruppe hat Nick länger als alle anderen gebraucht, sich an die Idee zu gewöhnen, Kreaturen abzuschlachten, die einmal Menschen gewesen waren. Jetzt sind seine Kakihose und Turnschuhe blutbesudelt, und seine Augen sind starr vor Schock, während er Philip nachsieht, wie dieser auf Bobby zugeht.

»Tut mir leid, Mann«, stammelt Bobby.

»Meine Tochter ist da drin und hat Todesangst«, knurrt Philip, hält wenige Zentimeter vor Bobby an und starrt ihm in die Augen. Diese explosive Mischung aus Zorn, Panik und Schmerz kann Philip Blake in Sekundenschnelle die Kontrolle verlieren lassen.

Bobby starrt auf den blutigen Fußboden. »Tut mir leid, tut mir wirklich leid.«

»Hol die Plane, Bobby.«

Keine zwei Meter entfernt kauert Brian Blake noch immer auf Händen und Knien und würgt die letzten Reste heraus, bis nichts mehr übrig ist.

Philip tritt zu seinem älteren Bruder und kniet sich neben ihn. »Raus damit.«

»Ich … Oh …«, krächzt Brian und zieht den Rotz hoch, während er krampfhaft versucht, einen klaren Gedanken zu fassen.

Philip legt seine große, schmutzig schwielige Hand auf die Schultern seines Bruders. »He, mach dir nichts daraus, Bruderherz … Nur immer raus damit.«

»Es tut mir … mir so l-leid.«

»Ist nicht wichtig.«

Brian fängt sich allmählich und wischt sich den Mund mit dem Handrücken ab. »Glaubst du, du hast sie alle erwischt?«

»Ja.«

»Sicher?«

»Klar.«

»Hast du das … das ganze Haus durchsucht? Auch den Keller und so?«

»Yes, Sir. Sämtliche Räume. Selbst auf dem Speicher haben wir nachgeschaut. Der letzte Zombie hat sich aus seinem Versteck gewagt, als er deinen verdammten Husten gehört hat. Der ist ja auch laut genug, um Tote zu wecken. Es war ein junges Mädchen, das anscheinend Appetit auf Bobbys Doppelkinn hatte.«

Brian schluckt. Sein entzündeter Hals kratzt und tut weh. »Diese Leute … Sie … Sie haben hier gelebt.«

Philip seufzt. »Jetzt nicht mehr.«

Brian schafft es, sich einmal kurz umzublicken, ehe er zu seinem Bruder aufsieht. Sein Gesicht ist tränenfeucht. »Aber das war … Es war eine Familie.«

Philip nickt schweigend. Am liebsten würde er seinen Bruder an den Schultern packen und schütteln: Na und? Aber stattdessen nickt er erneut. Er denkt weder an die untote Familie, die er gerade ins Jenseits befördert hat, noch an die emotionalen Folgen des furchtbaren Gemetzels, das er während der letzten drei Tage angerichtet hat – das Abschlachten von Menschen, die einmal Mütter, Briefträger, Tankstellenwarte gewesen waren. Gestern noch gab Brian irgendeinen Bockmist zu Moral und Ethik angesichts dieser Situation von sich. Er meinte, moralisch gesehen dürfe man nicht töten, und zwar niemals. Aus ethischer Sicht jedoch – und das sei ein großer Unterschied – könne man das Töten zur Selbsterhaltung durchaus rechtfertigen. Philip hält das Ganze allerdings gar nicht für Töten. Schließlich kann man etwas nicht umbringen, das bereits umgebracht wurde. Man macht vielmehr kurzen Prozess damit, wie man es mit einem Insekt tut. Auf jeden Fall darf man nicht so viel nachdenken!

Tatsächlich denkt Philip im Augenblick so gut wie gar nicht nach – nicht einmal darüber, was seine kleine bunt zusammengewürfelte Truppe als Nächstes machen soll, obwohl das höchstwahrscheinlich allein seine Entscheidung sein wird – schließlich ist er der inoffizielle Anführer dieses Haufens, und je früher er sich damit abfindet, desto besser. Für den Augenblick konzentriert sich Philip Blake jedoch nur auf eines: Seitdem dieser Albtraum vor weniger als zweiundsiebzig Stunden angefangen hat und Menschen ganz einfach zu Monstern werden – aus bisher unerfindlichen Gründen –, gibt es für Philip Blake kein anderes Ziel mehr, als seine Tochter Penny in Sicherheit zu bringen. Deswegen ist er auch so schnell es ging vor zwei Tagen aus seiner Heimatstadt Waynesboro geflüchtet.

Die Gegend, ein Farmerstädtchen am östlichen Rand von Georgia, war im Handumdrehen zur Hölle gefahren, als die Menschen dort zuerst starben, dann aber plötzlich wieder vor den Lebenden standen. Es war jedoch vor allem Pennys Wohlbefinden gewesen, was Philip dazu gebracht hatte, von dort zu verschwinden. Und wegen Penny hatte er sich auch an seine alten Schulkameraden gewandt. Wegen Penny waren sie nach Atlanta gefahren. Dort sollten nämlich den Nachrichten im Fernsehen zufolge Flüchtlingslager aufgebaut werden. Alles nur wegen Penny. Sie ist das Einzige, was Philip noch geblieben ist. Sie ist es, die ihn noch aufrecht erhält – der einzige Trost für seine geschundene Seele.

Lange, ehe diese unerklärliche Epidemie über das Land hereingebrochen ist, schreckte ihn eine Leere in seinem Herz jeden Morgen um drei Uhr aus dem Schlaf. Genau um drei Uhr morgens verlor er seine Frau. Kaum zu glauben, dass es schon vier Jahre her ist. Das Ganze geschah auf einem regennassen Highway südlich von Athens. Sarah hatte eine Freundin an der Universität von Georgia besucht und etwas Alkohol getrunken, ehe sie auf der kurvigen Straße in Wilkes County die Kontrolle über das Auto verlor.

Von jenem Moment an, als er die Leiche identifiziert hatte, wusste Philip, dass sich sein Leben grundlegend geändert hatte. Er hatte keine Probleme damit, das zu tun, was getan werden musste: Er nahm einen zweiten Job an, um Penny alles geben zu können wie zuvor. Dennoch würde es nie mehr so sein wie zuvor. Vielleicht ist das der Grund für all das, was jetzt passierte. Ein kleiner Scherz von Gott. Wenn Heuschreckenplagen über das Land kommen und Blut die Flüsse rot färbt, nimmt der Mann, der am meisten zu verlieren hat, das Ruder in die Hand.

»Ist doch egal, wer sie einmal waren«, sagt Philip schließlich. »Oder was sie einmal gewesen sind.«

»Hm … Vielleicht hast du recht.« Mittlerweile hat sich Brian wieder etwas besser im Griff. Er sitzt mit überkreuzten Beinen auf dem Boden und atmet tief ein und aus. Er wirft einen Blick auf Bobby und Nick, die jetzt eine große Plane ausrollen und Müllsäcke bereitlegen. Dann schleppen sie die triefenden Leichen auf die Plane.

»Das Einzige, was jetzt zählt, ist aufräumen«, gibt Philip zu bedenken. »Wir können heute Nacht hier bleiben. Und wenn wir morgen früh Benzin auftreiben, fahren wir bis nach Atlanta weiter.«

»Das macht keinen Sinn«, murmelt Brian und starrt auf die Leichen.