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Philip hat bereits einen Plan. »Ihr folgt mir und macht genau das, was ich euch sage.« Er entsichert seine Waffe. Jetzt sind acht Zweiundzwanziger-Kaliber-Kugeln bereit, durch die Luft zu tanzen. Dann tritt er hinaus.

Sie folgen ihm.

So leise und schnell wie möglich eilen sie durch den Gestank und die Überreste eines weiteren Gemetzels die Gasse entlang zu einer Seitenstraße. Mit der Tasche auf einer Schulter und dem Mädchen auf dem Rücken, hastet Brian zwischen Nick und Philip in Richtung Licht. Pennys dreißig Kilo haben sich noch nie so schwer angefühlt wie jetzt. Nick, der hinter ihm die Nachhut bildet, hält sein Marlin-Gewehr in den Armen. Brian hat sich seine Flinte zwischen Tasche und Rücken geklemmt; nicht, dass er überhaupt wüsste, wie er sie gebrauchen sollte.

Jetzt sind es nur noch wenige Meter bis zur Seitenstraße. Sie sind kurz davor, aus dieser schrecklichen Gasse zu entfliehen, als Philip aus Versehen auf eine menschliche Hand tritt, die unter einem der Müllcontainer liegt.

Die Hand, die an einem Zombie hängt, der noch nicht ganz am Ende ist, verschwindet augenblicklich unter dem Container. Philip zuckt vor Schreck zusammen.

»MANN!«, entfährt es Nick, als die Hand erneut erscheint und Philip am Fußgelenk packt und daran reißt.

Philip fällt der Länge nach zu Boden. Die Pistole entgleitet ihm und schlittert außer Reichweite.

Der tote Mann – ein aschfahler, bärtiger Obdachloser in blutbesudelten Lumpen – kriecht auf Philip mit der Geschwindigkeit einer riesigen Spinne zu.

Philip streckt sich nach der Pistole, während die anderen krampfhaft mit ihren Waffen herumfuchteln. Brian fasst nach seiner Flinte und versucht dabei, Penny nicht zu verlieren, während Nick sein Marlin-Gewehr entsichert.

Das tote Ding hält sich an Philips Fußgelenk fest und öffnet knarzend seinen Kiefer. Philip tastet panisch nach den Äxten an seinem Gürtel.

Der Zombie will gerade in Philips Wade beißen, als er am Hinterkopf von Nicks Gewehr zu Boden gedrückt wird.

Kurz darauf lässt eine Kugel das Gehirn des Zombies explodieren, sodass die Hälfte seines Gesichts in die Luft fliegt. Das dröhnende Echo des Schusses hallt in den Schluchten aus Glas und Stahl wider.

»Das ist schlecht«, meint Philip, rafft sich auf und zieht die Ruger heraus.

»Wieso?«, fragt Brian und rückt Penny zurecht.

»Du brauchst nur die Ohren aufzusperren«, entgegnet Philip trocken.

Sie lauschen. Tatsächlich ändert sich auf einmal das tosende Stöhnen und Ächzen. Die Laute scheinen die Windrichtung gewechselt zu haben: Jetzt wandern die Untoten unaufhaltsam auf den Knall des Gewehrschusses zu.

»Nichts wie zurück!«, schlägt Nick mit schriller Stimme vor. »Zurück zum Juwelier. Da gibt es doch garantiert ein Obergeschoss.«

»Zu spät«, erwidert Philip und kontrolliert seine Pistole. Er hat noch vier Runden Hohlspitzgeschosse im Magazin. Dazu kommen die drei Magazine mit je acht Kugeln in einer seiner Gesäßtaschen. »Ich wette, dass sie den Laden bereits von vorne gestürmt haben.«

»Was können wir tun?«

Philip starrt Nick an und wendet sich an seinen Bruder: »Wie schnell, glaubst du, kannst du mit Penny rennen?«

Sie laufen los – Philip voran, Brian hinter ihm her, Nick wieder als Nachhut. Sie laufen an eingestürzten Ladenfronten und verkohlten, steifen Leichen auf Scheiterhaufen vorbei, die wahrscheinlich von unternehmungslustigen Überlebenden angesteckt worden waren.

Brian ist sich nicht sicher, aber er glaubt, dass Philip verzweifelt nach einem Ausweg sucht – nach einer einigermaßen sauberen Tür, einer Feuerleiter, nach irgendetwas. Doch die immer häufiger auftauchenden Toten, die hinter jeder Straßenecke auf sie lauern, lenken ihn ab.

Philip erschießt den ersten aus einer Entfernung von fünfzig Metern. Die Kugel durchdringt den Kopf, sodass der Mann wie ein Kartoffelsack zu Boden fällt. Der zweite Zombie taucht überraschend und in viel größerer Nähe auf. Er stolpert aus einem dunklen Eingang. Philips erster Schuss verfehlt ihn, sodass er noch einmal abdrücken muss. Mehr und mehr Horrorgestalten tauchen wie aus dem Nichts hinter Veranden oder aus zerstörten Geschäften auf. Auch Nick nutzt sein Gewehr. Zwei Jahrzehnte Wildschweinjagd zeigen ihre Wirkung, und er befördert mindestens ein Dutzend Zombies innerhalb von zwei Häuserblocks ins Jenseits.

Die Schüsse hallen durch die Stadt wie Überschallflugzeuge in der Stratosphäre.

Sie laufen um eine Ecke und eilen eine schmale Seitenstraße hinunter, die mit Backsteinbauten im Fischgrätenmuster gesäumt ist – vielleicht eine Vorzeigestraße, die noch aus den Zeiten vor dem amerikanischen Bürgerkrieg stammt, in der es hier einmal vor Kutschen und Pferden gewimmelt haben dürfte. Doch jetzt sind die Wohn- und Bürogebäude mit Holzplanken vernagelt. Immerhin scheinen sie sich von den Zombiemassen zu entfernen. Mit jedem Häuserblock, den sie zurücklegen, treffen sie auf weniger Monster.

Dennoch haben sie das Gefühl, in einer Falle zu stecken. Sie spüren, wie sie die Stadt umzingelt, sie auffrisst und durch ihren gläsernen, stählernen Schlund herunterschluckt. Die Sonne hat mittlerweile ihren Zenit überschritten, und die Schatten der Skyline werden immer länger.

In der Ferne, vielleicht einen oder zwei Häuserblocks weg, entdeckt Philip etwas, das ihn instinktiv Schutz hinter einem heruntergerissenen Vordach suchen lässt.

Die anderen kauern sich hinter ihn und drücken sich gegen das vernagelte Fenster einer ehemaligen Reinigung. Sie machen sich so klein wie möglich und nutzen die Gelegenheiten, kurz etwas Luft zu holen.

Brian keucht vor Anstrengung. Die kleine Penny klammert sich wie ein halb dösendes, traumatisiertes Äffchen an seinem Nacken fest. »Was ist los?«, will Brian wissen, als er bemerkt, wie Philip hinter dem Vordach hervorlugt, um genauer zu sehen, was in der Ferne vor sich geht.

»Ich spinne wohl«, erwidert Philip nach einer Weile.

»Wieso?«

»Das graue Gebäude da vorne rechts«, meint er und weist mit dem Kopf nach Norden. »Seht ihr das? Ungefähr zwei Häuserblocks entfernt. Könnt ihr den Eingang ausmachen?«

In der Ferne erhebt sich ein dreistöckiges Wohngebäude über einer Reihe verfallener zweistöckiger Häuser – ein Block aus kreideweißem Stein und mit ausladenden Balkonen aus den Nachkriegsjahren. Es ist das größte Gebäude weit und breit. Sein Dach ragt aus den Schatten der Stadt, wobei die fahle Sonne auf die Antennen und Schornsteine fällt und diese in ein seltsames Licht taucht.

»Ich sehe es«, stammelt Brian fassungslos. Er balanciert noch immer Penny auf seinem Rücken, die sich an seinen Schultern festhält.

»Das ist keine Fata Morgana, Philly«, sagt Nick mit einer Spur von Ehrfurcht in der Stimme.

Sie starren auf die menschliche Gestalt in der Ferne. Sie ist zu weit weg, um zu sagen, ob es sich um einen Mann oder eine Frau handelt, ob es ein Erwachsener oder ein Kind ist. Aber da ist jemand – jemand, der ihnen zuwinkt.

Zehn

Vorsichtig nähert sich Philip auf der gegenüberliegenden Straßenseite, die Ruger entsichert, aber nicht auf die winkende Gestalt gerichtet. Die anderen folgen ihm im Gänsemarsch, angespannt und mit weit aufgerissenen Augen. Sie sind auf alles vorbereitet.

Die Frau auf der anderen Straßenseite ruft ihnen mit gedämpfter Stimme zu: »Beeilt euch! Schnell!«

Sie scheint um die dreißig Jahre alt zu sein und hat lange blonde Haare, die sie in einem Pferdeschwanz straff nach hinten gekämmt hat. Sie trägt Jeans und einen übergroßen Strickpullover mit Zopfmuster, dessen ursprüngliche Farbe vor Schmutz kaum noch auszumachen ist. Selbst aus dieser Distanz kann Philip die roten Blutflecken und Spritzer darauf erkennen, während die Frau sie zu sich winkt. In einer Hand hält sie eine kleinkalibrige Pistole, vielleicht eine Polizeiwaffe Kaliber achtunddreißig. Sie schwingt sie durch die Luft, als ob sie ein Flugzeug an seinen Platz weisen würde.