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»Was soll das heißen?«

»Schau sie dir doch an.«

»Was?« Philip wirft einen Blick über die Schulter auf die grausigen Überreste. Nick und Bobby sind gerade dabei, die Frau in die Plane einzupacken. »Was soll sein?«

»Das ist eine Familie.«

»Na und?«

Brian fängt wieder zu husten an und hält sich dann den Ärmel vor den Mund, um ihn daran abzuwischen. »Was ich damit sagen will … Wir haben eine Mutter, einen Vater und vier Kinder im Teenageralter … Fällt dir nichts auf?«

»Nein. Was soll mir auffallen?«

Brian blickt zu Philip hoch. »Wie kann so etwas passieren? Sind sie etwa alle auf einmal … Oder ist einer von ihnen gebissen worden und hat sich dann auf die anderen Familienmitglieder gestürzt?«

Philip überlegt einen Moment. Schließlich denkt auch er in stillen Momenten durchaus darüber nach, was vor sich geht und wie dieser Wahnsinn überhaupt angefangen hat. Doch dann langweilt ihn das Denken, und er meint: »Los, steh auf und fang endlich an, uns zu helfen.«

Es dauert eine Stunde, bis sie alles halbwegs aufgeräumt haben. Penny wartet die ganze Zeit über in der Abstellkammer. Philip bringt ihr zwei Kuscheltiere aus einem der Kinderzimmer und verspricht ihr, dass sie bestimmt bald herauskommen darf. Brian wischt das Blut auf und kämpft dabei immer wieder gegen seine Hustenanfälle an, während die anderen drei verpackte Leichen – zwei große und vier kleinere – aus der hinteren Schiebetür auf die Zedernholzveranda schleppen.

Es ist Ende September, und der klare Nachthimmel wirkt eisig wie ein schwarzer Ozean. Unzählige Sterne schimmern auf sie herab und scheinen sie mit ihrem teilnahmslosen und doch fröhlichen Funkeln zu verspotten. Der Atem der drei Männer steigt weiß in der Dunkelheit auf, als sie die Bündel über die mit gefrorenem Tau bedeckten Holzplanken zerren. An ihren Gürteln hängen Pickel, und Philip hat sich eine Pistole hinten in den Hosenbund gesteckt – eine alte Ruger mit einem Zweiundzwanziger-Kaliber, vor vielen Jahren auf einem Flohmarkt erstanden. Er hat nicht vor, die Waffe zu benutzen, denn er will die Untoten nicht durch Schüsse auf sie aufmerksam machen. Der Wind trägt das verräterische Schlurfen der furchtbaren Wesen an ihre Ohren – wirres Gemurmel und schlurfende Schritte. Sie dringen aus der Dunkelheit zu ihnen herüber – wahrscheinlich aus dem Hinterhof eines der Nachbarhäuser.

Dieser Frühherbst ist ungewöhnlich kühl für Georgia. Heute Nacht soll das Thermometer bis null Grad und tiefer fallen. Zumindest verkündete das der örtliche Rundfunksender, ehe er sich mit einem lauten Rauschen verabschiedete. Bis jetzt konnten sich Philip und seine Leute per TV, Radio und das Internet über Brians Blackberry auf dem Laufenden halten.

Inmitten des Chaos versicherten sämtliche Nachrichtensender ihrem Publikum, dass alles nach Plan laufe. Die Regierung habe alles unter Kontrolle, und diese oder jene kleine Hürde würde innerhalb weniger Stunden überwunden sein. Auf fest zugeordneten Frequenzen gab der Zivilschutz regelmäßige Warnungen aus: Man solle das Haus nicht verlassen und wenig besiedelte Gegenden meiden. Außerdem solle man die Hände waschen, nur Wasser aus Flaschen trinken und so weiter und so fort.

Natürlich hat niemand auch nur einen blassen Schimmer. Das Schlimmste ist, dass immer mehr Fernseh- und Rundfunksender ausfallen. Zum Glück gibt es an Tankstellen noch Benzin, Lebensmittelläden verkaufen noch etwas zu essen, und das Stromnetz und die Ampeln funktionieren auch noch genauso wie Polizei und sonstige Infrastruktur, an deren dünnen Fäden die Zivilisation hängt.

Philip macht sich jedoch Sorgen, dass ein Stromausfall verheerende Folgen haben könnte.

»Ich schlage vor, wir werfen sie in den Müllcontainer hinter der Garage«, flüstert er kaum hörbar und zerrt zwei Plastikbündel den Holzzaun entlang in Richtung der riesigen Garage. Er will alles so rasch und so leise wie möglich hinter sich bringen. Sie dürfen bloß keine Zombies auf sich aufmerksam machen. Kein Feuer, keine lauten Geräusche und vor allem keine Schüsse, wenn es nur irgendwie geht.

Hinter dem zwei Meter hohen Zaun aus Zedernholz befindet sich ein schmaler Kiesweg, der zu den großen Garagen hinter den Höfen führt. Nick schleppt eine Leiche bis zum hohen Hoftor, einer soliden Konstruktion aus Planken mit einem geschmiedeten Griff. Er lässt den Sack fallen und öffnet.

Hinter dem Zaun wartet eine weitere Leiche auf ihn – diesmal aufrecht stehend.

»VERDAMMT! ALLE MANN AUFPASSEN!«, ruft Bobby Marsh warnend.

»Halt deinen Mund!«, zischt Philip ihn an und reißt sich den Pickel vom Gürtel, während er auf das Gartentor zusprintet.

Nick zuckt zurück.

Der Zombie wirft sich mit aufgerissenem Kiefer auf ihn, bereit zuzubeißen. Nur um wenige Zentimeter verfehlt er Nicks Brust. Das Geräusch der in der Luft zusammenschnappenden gelben Zähne ähnelt dem Klacken von Kastagnetten. Im Mondlicht kann Nick deutlich erkennen, dass er es mit einem Mann zu tun hat, der einen zerrissenen Izod-Pullover, eine Golfhose und dazu passende teure Schuhe trägt. In seinen milchigen Augen spiegelt sich fahl das Sternenlicht wider: Das war mal ein Großvater.

Nick erhascht noch einen Blick auf das Monster, bevor er rückwärtstaumelnd mit dem Hintern auf dem üppig wachsenden Kentucky Bluegrass landet. Der tote Golfer wankt durch den Spalt im Tor auf den Rasen, als ein fliegendes, rostiges Stück Metall im Mondlicht aufblitzt.

Philips Pickel gräbt sich tief in den Kopf des Untoten und spaltet die Schädeldecke des Alten, ehe er die dichten, fasrigen Membranen der harten Hirnhaut durchdringt und sich in die gallertartige Masse seines Scheitellappens gräbt. Es hört sich so an, als ob man Stangensellerie zerbricht. Eine bräunliche Flüssigkeit spritzt hervor. Die insektenhafte Entschlossenheit im Gesicht des Alten ist plötzlich verschwunden und verwandelt sich in ein verblüfftes Staunen.

Der Zombie sackt in sich zusammen.

Philip reißt an dem Pickel, der tief im Schädel steckt. Er versucht es noch einmal, aber die Spitze hat sich verhakt. »Schließ das gottverdammte Tor! Sofort! Aber sei bloß leise«, faucht Philip panisch flüsternd, ehe er mit der Stahlkappe an seinem linken Arbeitsstiefel heftig auf den bereits zerstörten Schädel des Leichnams tritt.

Die beiden anderen Männer bewegen sich, als ob sie synchron miteinander tanzen würden: Bobby lässt rasch sein Leichenbündel fallen und eilt zum Gartentor, während Nick sich aufrappelt, um dann vor Entsetzen rückwärtszustolpern. Bobby schiebt den Riegel ins Schloss. Das metallene Geräusch hallt über die düster daliegenden Rasenflächen der angrenzenden Gärten.

In der Zwischenzeit schafft es Philip, den Pickel aus dem störrischen Schädel des Zombies zu ziehen. Es hört sich wie ein schmatzender Kuss an. Einen Moment lang steigt Panik in ihm auf. Dennoch wendet er sich wieder der toten Familie in den Planen und Säcken zu, um sie endlich zu entsorgen, als ihm ein merkwürdiges Geräusch an seine Ohren dringt. Es kommt vom Haus.

Ruckartig blickt er auf. Licht dringt aus den Fenstern des Hauses.

Brians Silhouette zeigt sich hinter der gläsernen Schiebetür. Er klopft an die Scheibe und winkt Philip und die beiden anderen hektisch zu sich. Die Angst steht ihm im Gesicht geschrieben. Das hat nichts mit dem toten Golfer zu tun – so viel ist Philip klar. Im Haus stimmt etwas nicht.

Gütiger Himmel, bitte lass Penny unversehrt sein!

Philip lässt den Pickel fallen und überquert mit großen Schritten den Rasen.

»Und was ist mit den Leichen?«, ruft Bobby Marsh.

»Lass sie liegen«, erwidert Philip, während er die Stufen zur Veranda hinaufrennt.

Brian schaut ihn mit weit aufgerissenen Augen an. »Ich muss dir was zeigen, Mann.«

»Was ist los? Wie geht es Penny? Ist sie okay?« Atemlos stürzt Philip ins Haus. Bobby und Nick eilen zur Veranda und drängen sich hinter ihm hinein.

»Penny geht es gut«, erwidert Brian. Er hat ein gerahmtes Foto in der Hand. »Wirklich, ihr geht es gut. Es macht ihr nichts aus, noch länger in der Abstellkammer zu warten.«

»Mein Gott, Brian, was zum Teufel soll das dann?« Philip holt tief Luft und ballt die Hände zu Fäusten.

»Ich muss dir was zeigen. Wollen wir hier heute Nacht wirklich bleiben?« Brian dreht sich zur Schiebetür. »Sieh dir das an. Die Familie ist doch da drinnen gestorben, nicht wahr? Alle sechs.«

Philip wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Nun spuck es schon aus, Mann.«

»Pass auf. Irgendwie sind sie alle gleichzeitig infiziert worden, die ganze Familie. Oder – so scheint es doch, nicht wahr?« Brian hustet einen Moment lang und zeigt dann auf die sechs Bündel in der Nähe der Garage. »Da draußen auf dem Gras liegen sechs Leichen. Mutter, Vater und vier Kinder.«

»Was soll das?«

Brian hält das Foto hoch. Ein Familienfoto aus besseren Tagen. Alle lächeln etwas verlegen und tragen offenbar ihre schönsten Kleider. »Das habe ich auf dem Klavier gefunden«, erklärt Brian.

»Na und?«

Brian zeigt auf das jüngste Kind auf dem Foto. Ein etwa elf- oder zwölfjähriger Junge in einem marineblauen Anzug mit blonden Haaren und einem schüchternen Lächeln.

Brian blickt seinen Bruder an. »Da sind sieben Leute auf dem Foto.«