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»Penny geht es gut«, erwidert Brian. Er hat ein gerahmtes Foto in der Hand. »Wirklich, ihr geht es gut. Es macht ihr nichts aus, noch länger in der Abstellkammer zu warten.«

»Mein Gott, Brian, was zum Teufel soll das dann?« Philip holt tief Luft und ballt die Hände zu Fäusten.

»Ich muss dir was zeigen. Wollen wir hier heute Nacht wirklich bleiben?« Brian dreht sich zur Schiebetür. »Sieh dir das an. Die Familie ist doch da drinnen gestorben, nicht wahr? Alle sechs.«

Philip wischt sich den Schweiß aus dem Gesicht. »Nun spuck es schon aus, Mann.«

»Pass auf. Irgendwie sind sie alle gleichzeitig infiziert worden, die ganze Familie. Oder – so scheint es doch, nicht wahr?« Brian hustet einen Moment lang und zeigt dann auf die sechs Bündel in der Nähe der Garage. »Da draußen auf dem Gras liegen sechs Leichen. Mutter, Vater und vier Kinder.«

»Was soll das?«

Brian hält das Foto hoch. Ein Familienfoto aus besseren Tagen. Alle lächeln etwas verlegen und tragen offenbar ihre schönsten Kleider. »Das habe ich auf dem Klavier gefunden«, erklärt Brian.

»Na und?«

Brian zeigt auf das jüngste Kind auf dem Foto. Ein etwa elf- oder zwölfjähriger Junge in einem marineblauen Anzug mit blonden Haaren und einem schüchternen Lächeln.

Brian blickt seinen Bruder an. »Da sind sieben Leute auf dem Foto.«

Zwei

Das elegante Haus aus der Kolonialzeit, das Philip für eine längere Pause auserkoren hat, liegt in einer gepflegten kleinen Straße mit üppigem Baumbestand. Es befindet sich in einer etwas unübersichtlichen Wohnanlage, die man Wiltshire Estates nennt.

Der fünfundzwanzig Quadratkilometer große Ort ist etwa dreißig Kilometer von Atlanta entfernt, in der Nähe des Highway 278. In einem Naturpark gelegen, inmitten eines dichten Waldes aus Sumpfkiefern und riesigen alten Eichen, gibt es hier auch im Süden der Siedlung einen von Fuzzy Zoeller entworfenen Golfplatz mit sechsunddreißig Löchern.

In dem Prospekt, den Brian Blake vom Boden eines verlassenen Wachhäuschens vor wenigen Stunden aufgelesen hat, wird die Gegend in der typischen Sprache eines Marketingmenschen angepriesen: In den Wiltshire Estates vermischen sich preisgekrönter Lifestyle mit Weltklassekomfort … Von GOLF Magazine Living als »Crème de la crème« ausgezeichnet … lockt Wiltshire Estates u. a. mit einer Triple-A Five Diamond Shady Oaks Plantatin Therme … Sicherheitspatrouillen rund um die Uhr … Häuser von 475.000 bis zu einer Million Dollar.

Eingepfercht in Philips Chevy Suburban kam die kleine Gruppe bei Sonnenuntergang vor den kunstvoll gearbeiteten äußeren Toren der Anlage an. Also wieder ein Stück näher an Atlanta. Im Licht der Scheinwerfer sahen sie die gusseisernen Tore mit den Kreuzblumen und das große bogenförmige Schild mit dem Namen Wiltshire Estates, das zwischen zwei Spitzen am Metall der Tore angebracht war. Neugierig stiegen sie aus, um sich etwas umzusehen.

Zuerst hoffte Philip, dass sie hier eine Weile bleiben konnten. Vielleicht würden sie sogar etwas zu essen finden, ehe sie ausgeruht die letzte Etappe ihrer Reise in Angriff nahmen. Vielleicht würden sie auch auf andere Menschen treffen, vielleicht sogar auf ein paar Leute, die ihnen helfen könnten. Aber nachdem die fünf müden, hungrigen, nervösen und etwas benommenen Reisenden die verwinkelten Straßen der Wilthire Estates in der Dunkelheit langsam durchfahren hatten, war ihnen klar, dass sie hier kein Leben mehr finden würden.

Sämtliche Häuser lagen im Dunklen, keine Autos zu sehen. Wasser aus einem Hydranten überflutete eine Kreuzung und den angrenzenden Rasen. An einer Straßenecke stand ein verlassener BMW, die Motorhaube hatte sich um einen Telefonmasten gewickelt. Die verbogene Beifahrertür war offen. Alles sah danach aus, als ob die Insassen des Wagens Hals über Kopf geflüchtet waren.

Der Anlass für ihre Flucht war leicht zu erkennen. Überall auf dem Golfplatz, den düsteren Seitenstraßen und sogar auf den hell beleuchteten Hauptstraßen waren dunkle Gestalten zu sehen. Zombies torkelten ziellos wie unheimliche Schatten ihres früheren Selbst durch die Gegend. Aus ihren offen stehenden Mündern drang ein krächzendes Stöhnen, das Philip sogar durch die geschlossenen Scheiben seines Chevy Suburban hören konnte, als er durch die breiten, neu geteerten Straßen fuhr.

Die Pandemie, oder was auch immer diese Katastrophe ausgelöst hatte, war also auch in Wiltshire Estates eingetroffen. Die meisten Untoten stolperten durch die Büsche und über die Wege des Golfplatzes. Vielleicht weil Golfer oft älteren Jahrgangs und somit langsam waren? Oder schmeckten sie den Zombies einfach besonders gut? Wer zum Teufel konnte das wissen. Aber selbst aus mehreren hundert Metern Entfernung durch Bäume hindurch und über Zäune hinweg war es offensichtlich, dass sich Hunderte von Untoten in dem riesigen Klubhaus, auf den Fairways, den Brücken und in den Bunkern versammelt hatten.

In der Dunkelheit der Nacht ähnelten sie Insekten, die scheinbar ziellos durch die Finsternis schwärmten.

Ihr Anblick war mehr als verstörend. Die Katastrophe hatte offenbar den ganzen Ort mit seinen nicht enden wollenden Einbahnstraßen und kurvigen Alleen so gut wie aussterben lassen. Je länger Philip und seine Leute durch die menschenleere Siedlung kurvten, desto mehr sehnten sie sich nach dem preisgekrönten Lifestyle, der hier nirgendwo mehr zu finden war. Es hätte ihnen schon wenig gereicht, um sich etwas zu erholen und die Batterien wieder aufzuladen.

Sie hatten gehofft, dass sie die Nacht hier verbringen konnten, um den nächsten Tag frisch und erholt in Angriff zu nehmen.

Also wählten sie das große, im Kolonialstil erbaute Haus am Ende der Green Briar Lane. Es schien weit genug vom Golfplatz entfernt zu sein, sodass die Zombies sie hoffentlich gar nicht erst bemerken würden. Außerdem hatte es einen großen Garten, und der hohe Zaun machte einen soliden Eindruck. Es stand leer. Als sie leise über den Rasen zum Nebeneingang schlichen – das Auto vor dem Haus war nicht abgeschlossen, und der Schlüssel steckte im Zündschloss –, um einer nach dem anderen durch ein Fenster ins Innere zu klettern, wurden sie sogleich willkommen geheißen. Beim ersten Knarzen aus dem oberen Stockwerk befahl Philip Nick, sämtliche Äxte und Pickel aus dem Kofferraum des Suburban zu holen.

»Ich sage es noch einmaclass="underline" Wir haben alle erwischt«, verkündet Philip nun und versucht, seinen Bruder zu beruhigen, der am Frühstückstisch in der Küche Platz genommen hat.

Brian antwortet nicht, sondern starrt auf seine Schüssel Cornflakes. Daneben steht eine Flasche Hustensaft, die Brian bereits zu einem Viertel geleert hat.

Neben ihm sitzt Penny vor einer Schale Cap’n Crunch. Ein kleiner Stoffpinguin, so groß wie eine Birne, wacht über ihr Essen, und ab und zu hält sie dem Tier einen Löffel hin und tut so, als ob sie mit ihm teilen würde.

»Wir haben das ganze Haus durchkämmt, jeden Zentimeter«, fährt Philip fort und reißt die Küchenschränke auf: bis obenhin voll mit allen erdenklichen Delikatessen. Mit ihren Kristallgläsern, Weinregalen, handgemachten Pastas, ausgefallenen Marmeladen und Gelees, Gewürzen, von denen Philip noch nie gehört hat, teuren Likören und unzähligen Kochutensilien gleicht die Küche einem Schlaraffenland. Der riesige Gasherd ist blitzsauber, und der riesige Kühlschrank mit dem großen Eisfach ist bis zum Rand mit exklusivem Fleisch, Früchten, Brotaufstrichen, Milchprodukten und kleinen weißen Pappschachteln mit den Überresten einer chinesischen Mahlzeit gefüllt. »Vielleicht war der Junge ja gerade bei Verwandten oder so«, meint Philip und bemerkt eine Flasche Bourbon auf einem der Regale. »Könnte bei den Großeltern gewesen sein, oder er hat bei Freunden übernachtet. Alles ist möglich.«

»Mann! Seht euch das an!«, ruft Bobby Marsh begeistert. Er steht vor der Vorratskammer und betrachtet zufrieden die Schätze, die sich darin stapeln. »Das ist ja wie bei Charlie und die Schokoladenfabrik! Kekse, Pralinen … Und das Brot ist sogar noch fast frisch.«