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Abgesehen von dem wiederkehrenden Gefühl, unter Beobachtung zu stehen, ist alles ziemlich perfekt.

Die Ahnung, beobachtet zu werden, bestätigt sich für Brian schon ziemlich rasch – genauer gesagt in der zweiten Nacht ihres Aufenthalts. Er ist an diesem Abend in sein Zimmer im ersten Stock gezogen – einem schlichten Nähzimmer mit einem Himmelbett und einem Kleiderschrank aus dem achtzehnten Jahrhundert –, als er plötzlich mitten in der Nacht aufschreckt.

Er träumte, als Schiffbrüchiger auf einem Floß mitten in einem Ozean von Blut zu schwimmen, als er plötzlich einen Lichtstrahl sieht. Im Traum glaubte er einen fernen Leuchtturm erspäht zu haben, der ihn zu sich lockt, um ihn vor dem unendlichen Meer aus Blut zu erretten. Doch als er aufwacht, merkt er, dass er ein echtes Licht in der richtigen Welt gesehen haben muss – wenn auch nur für eine Sekunde. Es war ein rechteckiges Licht, das über die Decke wanderte. Doch kaum blinzelte er, war es verschwunden.

Er ist unsicher, ob er nicht nur geträumt hat. Aber jede Faser in seinem Körper drängt ihn dazu, aufzustehen und zum Fenster zu gehen. Er folgt seinem Drang und starrt in die tiefe, schwarze Nacht hinaus. Im Nachhinein könnte er schwören, ein Auto gesehen zu haben, das keinen halben Kilometer entfernt ist und am Ende des Feldwegs vor dem Highway umdrehte. Dann ist es wie vom Erdboden verschwunden.

Danach ist es für Brian so gut wie unmöglich, in jener Nacht noch ein Auge zuzumachen.

Als er Philip und Nick am nächsten Morgen davon erzählt, tun sie es als nichts weiter als einen Traum ab. Wer zum Teufel sollte schon vom Highway abbiegen, um dann wieder umzudrehen und weiterzufahren?

Doch der Verdacht erhärtet sich für Brian während der nächsten eineinhalb Wochen. Nachts sieht er immer wieder Lichter auf dem Highway oder am anderen Ende der Obstplantage. Manchmal kann er in den frühen Morgenstunden sogar das Knirschen von Reifen auf Kies hören. Zumindest könnte er darauf schwören, es gehört zu haben. Doch die Tatsache, dass er allein diese Geräusche wahrnimmt und zudem zu den unmöglichsten Zeiten, ist schier unerträglich für ihn. Er kann sich des Gefühls nicht erwehren, dass die Villa langsam, aber sicher umzingelt wird. Da die anderen seine Mutmaßungen jedoch weiterhin als Verfolgungswahn abtun, hört er auf, ihnen davon zu erzählen. Vielleicht bildet er sich ja wirklich alles nur ein.

Jetzt erzählt er nichts mehr von seinen Wahrnehmungen. Er sagt diesbezüglich keinen Ton mehr – bis zu ihrem zweiwöchigen Jubiläum in der Villa, als er kurz vor Sonnenaufgang von einem Klirren von Dosen aus dem Tiefschlaf gerissen wird.

Achtzehn

Was zum Teufel …«, stammelt Brian in die Dunkelheit, die sein Zimmer einhüllt. Er tastet nach der Kerosinlampe auf seinem Nachttisch, stößt sie aber lediglich um, sodass das Glas zerbricht und die Flüssigkeit ausläuft. Er steht auf und geht zum Fenster. Der Boden ist so kalt, dass seine Füße fast daran kleben bleiben.

Das Mondlicht erhellt die kristallklare Herbstnacht und verleiht jeder Form einen silbrigen Schein. Brian kann noch immer die Dosen an den Stolperdrähten hören. Auch die anderen haben offenbar etwas mitbekommen, denn es dringen Geräusche aus den anliegenden Zimmern zu ihm. Jetzt sind alle wach, aufgeweckt von den klappernden Dosen.

Das Merkwürdigste ist – Brian ist sich allerdings nicht ganz sicher, ob er sich das nicht nur einbildet –, dass das Klappern aus allen Richtungen zu kommen scheint. Die Dosen lärmen sowohl hinter der Villa wie auch vor ihr. Brian reckt den Kopf, um besser sehen zu können, als die Tür zu seinem Zimmer aufgeht.

»Alles klar?« Philip steht mit nacktem Oberkörper im Türrahmen. Er trägt Jeans und Stiefel, die er aber noch nicht zugeschnürt hat. In einer Hand hält er die alte Flinte, und seine Augen sind vor Aufregung weit aufgerissen. »Du schnappst dir die Heugabel, sie steht hinten in der Diele. Schnell!«

»Beißer?«

»Jetzt mach schon!«

Brian nickt und eilt aus dem Zimmer. Vor Panik beginnt er zu keuchen. Er trägt nichts weiter als eine Jogginghose und ein ärmelloses T-Shirt. Als er durch die Villa rennt – die Treppe hinab, quer durch den Salon und in den Gang hinaus –, sieht er, wie sich draußen etwas bewegt. Es kommt näher. Näher.

Er schnappt sich die Heugabel, die an die Tür gelehnt ist, dreht sich um und eilt zum Salon.

Nick, Philip und Penny warten bereits am Treppenabsatz auf ihn. Zusammen eilen sie zum Erkerfenster, das einen guten Rundblick auf die umliegenden Gartenanlagen, die sanft abfallende Einfahrt zur Straße und die Obstplantage bietet. Die geduckten Schattenumrisse sind nicht zu übersehen. Sie nähern sich aus drei Richtungen dem Haus.

»Sind das Autos?«, fragt Nick kaum hörbar.

Als sich ihre Augen an die Finsternis gewöhnt haben, merken sie, dass es sich tatsächlich um Fahrzeuge handelt, die langsam über das Grundstück auf die Villa zufahren. Eines kommt die Auffahrt hoch, ein anderes nähert sich von Norden her durch die Obstplantage, und ein drittes ist im Süden erkennbar, wie es auf einem Kiesweg aus dem Wäldchen kommt.

Mit einer beinahe perfekten Synchronisation hält jedes Auto in gleicher Entfernung zur Villa an und wartet einen Augenblick lang. Sie sind jetzt keine fünfzehn Meter mehr entfernt. Die Windschutzscheiben sind zu dunkel, als dass man die Insassen erkennen könnte. »Das ist kein Begrüßungskomitee«, murmelt Philip trocken.

Plötzlich und beinahe wieder synchron gehen die Lichter an. Der Effekt ist recht dramatisch. Die Lichtstrahlen treffen auf die Fenster der Villa und erhellen das dunkle Innere. Philip ist bereits auf dem Sprung, nach draußen zu gehen, um den Eindringlingen mit seiner nicht funktionierenden Flinte ein Gefecht zu liefern, als aus dem hinteren Teil des Hauses ein lautes Krachen zu ihnen dringt.

»Schatz, du bleibst bei Brian«, bittet er Penny, ehe er Nick einen Blick zuwirft. »Nicky, ich will, dass du aus einem Seitenfenster kletterst. Nimm die Machete und versuch, sie von hinten zu überraschen. Verstanden?«

Nick weiß genau, was er machen soll, und verschwindet im Seitengang.

»Bleibt hinter mir, dicht hinter mir.« Philip hebt die Flinte, der Kolben ruht auf seiner Schulter. Vorsichtig und mit einer beinahe unheimlichen Ruhe schleicht er generalstabsmäßig zur Küche, aus der jetzt die Geräusche von Schritten auf zerbrochenem Glas zu ihnen dringen.

»Jetzt mal locker, Bürschchen!«, schlägt der Eindringling mit einem gut gelaunten Tennessee-Akzent vor und richtet den Lauf einer Neun-Millimeter-Glock auf Philip, als dieser die Küche mit erhobener Flinte betritt.

Ehe man ihn so unsanft unterbrach, sah sich der Einbrecher mit aller Seelenruhe in der Küche um, als ob er gerade erst aufgestanden und mal kurz zur Speisekammer getapst wäre, um sich einen Mitternachtssnack zu gönnen. Das Licht der Scheinwerfer dringt von draußen in die Küche. Die Fensterscheibe über dem Türknauf ist kaputt – so hat sich der Eindringling offensichtlich Zugang verschafft –, und das blasse Licht der Morgendämmerung steigt langsam über den Horizont.

Der Mann ist mindestens einen Meter neunzig groß, trägt eine abgenutzte Tarnhose, schmutzige Stiefel und eine blutbesudelte, kugelsichere Weste aus Kevlar. Auf seinem vernarbten Kopf wächst kein einziges Haar mehr, und seine Augen gleichen zwei Kratern, die von winzigen Meteoriteneinschlägen verursacht wurden. Bei genauerer Betrachtung macht er einen kranken Eindruck, so als ob er einer zu hohen Dosis Strahlung ausgesetzt worden wäre. Seine blassgelbe Haut ist von Wunden und Geschwüren übersät.