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Es hatte sich richtig angefühlt, das zu tun – eine schwere Entscheidung, die beste Wahl. Er hatte Gewohntes und Geliebtes verlassen, um für das übergeordnete Wohl zu sorgen. Doch jetzt hatte er plötzlich Zweifel.

Nachdem Thrall nach Nagrand gereist war, hatte Garrosh Thralls guten Freund, den Taurenhäuptling Cairne Bluthuf, in einem rituellen Kampf getötet. Thrall hatte später erfahren, dass Garrosh von Magatha Grimmtotem ausgetrickst worden war, einer langjährigen Rivalin von Cairne, damit er gegen Cairne mit einer vergifteten Klinge antrat. Thrall wurde den Gedanken nicht los, dass Cairne niemals Garroshs Führerschaft angezweifelt hätte und er noch leben könnte, hätte er Azeroth nicht verlassen.

Was Aggra anging... Er hatte angenommen... Ach, er wusste es auch nicht. Auf alle Fälle eine andere Art Beziehung als die, die sie hatten. Ursprünglich war er von ihrer Schroffheit und ihren Ecken und Kanten abgestoßen gewesen, hatte sie dann aber allmählich schätzen und lieben gelernt. Doch statt einer festen Partnerin, die ihn unterstützte und ermutigte, hatte er nur eine weitere Person an seiner Seite, die ihn kritisierte.

Er schaffte es nicht einmal, dem Irdenen Ring zu helfen, die Elemente zu beruhigen. Wofür das heutige Debakel der Beweis war. Er hatte das Amt des Kriegshäuptlings abgelegt und die Ermordung eines geliebten Freundes ertragen müssen, um dem Ring helfen zu können. Und auch das gelang nicht.

Nichts funktionierte, nichts lief so, wie es sollte, und Thrall – einst Kriegshäuptling der Horde, Krieger, Schamane – fühlte sich, als ob nichts, was er tat, jemals klappen würde. Dieses Gefühl war er nicht gewohnt. Er hatte die Horde geführt, gut geführt, viele Jahre lang. Er kannte die Taktiken auf dem Schlachtfeld und war in Diplomatie geübt. Er wusste, wann es für einen Anführer an der Zeit war, zuzuhören, wann er reden musste und wann handeln. Dieses merkwürdige, im Magen krampfende Gefühl der Unsicherheit... das war neu und fremd und er hasste es.

Er hörte, wie das Bärenfell zurückgezogen wurde, drehte sich aber nicht um.

„Ich würde Rehgar für das, was er zu dir gesagt hat, gern die Ohren lang ziehen“, erklang Aggras rauchige und kräftige Stimme. „Ich hätte das schon früher sagen sollen.“

Thrall knurrte leise. „Du hast eine tolle Art, mich zu unterstützen“, sagte er. „Das hat mir unheimlich geholfen. Jetzt sollte ich einfach rausgehen und mich ohne Probleme in mein tiefstes Selbst versenken können. Vielleicht hättest du statt meiner die Horde all die Jahre leiten sollen. Zweifelsohne wären Allianz und Horde dann schon vereint und die Kinder würden laut jubelnd durch Orgrimmar und Sturmwind laufen.“

Sie kicherte und ihre Stimme war warm, genauso wie ihre Hand, als sie sie auf seine Schulter legte. Er widerstand dem Drang, sie wütend abzustreifen, doch er war nicht besänftigt. Stumm wartete er und rührte sich nicht. Sie drückte seine Schulter, dann ließ sie los, trat um ihn herum und blickte ihn an.

„Ich habe dich beobachtet, seit wir uns kennen, Go’el“, sagte sie und ihre Augen suchten die seinen. „Zuerst mit Abneigung, später mit Liebe und Sorge. Mit dieser Liebe und Sorge betrachte ich dich jetzt. Und mein Herz ist beunruhigt über das, was es sieht.“

Er antwortete nicht, doch er hörte zu. Ihre Hände streichelten sanft über sein starkes Gesicht, ihre Finger fuhren die Falten auf seiner grünen Stirn nach, während sie sprach.

„Trotz allem, was wir erlebt haben, waren diese Linien, die ich gerade berühre, noch nicht da, als wir uns kennenlernten. Diese Augen – blau wie der Himmel, blau wie das Meer – waren nicht traurig. Dieses Herz...“ Sie legte die Hand auf seine breite Brust. „... war nicht so schwer. Was auch immer in dir vorgeht, es schadet dir. Doch weil es keine Bedrohung von außen ist, weißt du nicht, wie du diesem Feind gegenübertreten sollst.“

Seine Augen verengten sich in leichter Verwirrung. „Sprich weiter“, sagte er.

„Du driftest weg... nicht dein Körper... du bist immer noch stark und kräftig... sondern dein Geist. Es ist, als ob ein Teil von dir mit jedem Windstoß weiter weggetragen wird oder weggewaschen vom peitschenden Regen. Du hast eine Verletzung, die dich vernichten wird, wenn du es zulässt. Und ich“, sagte sie, plötzlich wild, und ihre hellbraunen Augen loderten, „werde das nicht erlauben.“

Er knurrte und wandte sich ab, doch sie folgte ihm. „Das ist eine Krankheit der Seele, nicht des Körpers. Du hast dich zu tief im Alltagsgeschehen der Horde vergraben, sodass du, als du gegangen bist, dich selbst zurückgelassen hast.“

„Ich glaube, davon will ich nichts hören“, sagte Thrall in warnendem Ton.

Sie ignorierte ihn. „Natürlich willst du das nicht“, sagte sie. „Du magst keine Kritik. Wir alle müssen dir zuhören, und wenn wir anderer Meinung sind, müssen wir das respektvoll sein. Du musst immer das letzte Wort haben, Kriegshäuptling.“

Es lag keinerlei Sarkasmus in ihrer Stimme, doch die Worte trafen ihn. „Was meinst du damit, dass ich keine Kritik vertrage? Ich habe mich mit verschiedenen Beratern umgeben. Ich rege sie dazu an, meine Pläne infrage zu stellen. Ich bin sogar auf den Feind zugegangen, wenn es im Interesse meines Volkes war!“

„Ich habe auch nicht gesagt, dass das nicht stimmt“, fuhr Aggra fort. Nach wie vor klang sie nicht verärgert. „Aber das bedeutet noch nicht, dass du mit Kritik umgehen kannst. Wie hast du auf Cairne reagiert, als er im Schatten von Mannoroths Rüstung zu dir kam und sagte, dass du falschliegst?“

Thrall zuckte zusammen. Cairne... Seine Gedanken schweiften zurück zum letzten Mal, als er seinen teuren Freund lebend gesehen hatte. Cairne war zu ihm gekommen, nachdem Thrall dem alten Bullen erklärt hatte, dass Garrosh in seiner Abwesenheit die Horde führen würde. Cairne hatte unverblümt, ohne seine Worte zu mildern, erklärt, dass er glaube, Thrall begehe einen schrecklichen Fehler.

Ich... brauche dich dabei, Cairne. Ich brauche deine Unterstützung, nicht deine Ablehnung, hatte Thrall gesagt.

Du hast mich um Rat gefragt. Und ich habe darauf nur eine Antwort für dich. Gib Garrosh diese Macht nicht... Das ist mein Rat, hatte Cairne erwidert.

Dann haben wir uns nichts mehr zu sagen. Und Thrall war weggegangen.

Er hatte Cairne nicht mehr lebend wiedergesehen.

„Du warst nicht dabei“, sagte Thrall. Seine Stimme klang rau, voll vom Schmerz der Erinnerung. „Du verstehst nicht. Ich musste...“

„Pah!“, sagte Aggra und wischte seine Entschuldigung mit der Hand weg wie ein paar Fliegen, die um sie herumschwirrten. „Das Gespräch selbst ist doch völlig uninteressant. Vielleicht hattest du ja recht, aber im Moment ist mir das eigentlich auch egal. Du hast nicht zugehört. Du hast ihn ausgeschlossen, als hättest du eine Regenhaut gegen den Sturm übergezogen. Du hättest ihn vielleicht nie überzeugt, aber hast du ihm überhaupt zugehört?“

Thrall antwortete nicht.

Hätte sie ihn geschlagen, wäre Thrall nicht schockierter gewesen. Er trat buchstäblich einen Schritt zurück, taumelte angesichts ihrer Worte. Es war etwas, was er nie ausgesprochen hatte, etwas, was er sich auch insgeheim gefragt hatte, spät in der Nacht, wenn der Schlaf nicht kommen wollte. In seinem Herzen wusste er, dass er nach Nagrand hatte gehen müssen und dass er angesichts der Lage die richtige Entscheidung getroffen hatte. Aber... wenn er geblieben wäre und mehr mit Cairne geredet hätte... was wäre dann gewesen? Aggra hatte recht... doch das wollte er nicht wahrhaben.

„Ich konnte immer zuhören, wenn andere nicht mit mir übereinstimmten. Denk nur an die Treffen mit Jaina! Sie ist oft nicht einer Meinung mit mir und sie nimmt kein Blatt vor den Mund.“

Aggra schnaubte. „Eine Menschenfrau. Was weiß die davon, wie man einem Orc unangenehme Dinge beibringt? Jaina Prachtmeer ist keine Bedrohung oder Herausforderung für dich.“ Sie runzelte nachdenklich die Stirn. „Genauso wenig wie deine Taretha.“