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Schwarzmoors Stirnrunzeln vertiefte sich, während er knurrte: „Ich bin König. Bedenke das.“

„Nur von einem gestohlenen Königreich. Und du wirst aus mir keine Leiche machen!“

Wütend griff Schwarzmoor erneut an. Doch Thrall parierte den Angriff trotz seiner Verletzungen von dem beinahe tödlichen Sturz und ging in die Offensive.

Schwarzmoor hatte damals im Augenblick seines Todes gesagt, dass Thrall nur das war, was er – Schwarzmoor – aus ihm gemacht hatte. Es war eine Bemerkung, die den Orc gekränkt hatte. Er hatte nicht glauben wollen, dass irgendetwas von diesem Mann ein Teil von ihm war. Drek’Thar hatte ihm geholfen, einiges davon ins rechte Licht zu rücken, doch nun, als die Waffen gegeneinanderschlugen und Funken sprühten, erkannte Thrall, dass er in seinen Gedanken Schwarzmoors bösen Einfluss nie ganz losgeworden war.

Der Mann vor ihm, der das Breitschwert mit starken Armen und tödlicher Entschlossenheit führte, war seine Schattenseite. Durch ihn hatte Thrall die völlige Machtlosigkeit kennengelernt und er hatte danach die meiste Zeit seines Lebens mit dem Vorsatz verbracht, niemals wieder so hilflos zu sein. Und mit der Klarheit und Einsicht der beiden Visionen hatte er eingesehen, dass Schwarzmoor all das darstellte, wogegen Thrall in sich selbst ankämpfte.

„Einst habe ich dich gefürchtet“, grunzte Thrall.

Er hielt den Schicksalshammer in seiner starken grünen Hand, hob die andere und spreizte die Finger. Dann öffnete er den Mund und ein Schrei gerechter Wut durchschnitt die kalte Luft. Ein Wirbelwind erschien und nahm wie ein Zyklon aus Eis den gefrorenen Schnee auf. Mit einer schnellen, präzisen Bewegung seiner Hand lenkte Thrall ihn gegen Schwarzmoor. Der Wirbel hob ihn hoch und höher. Mit einer weiteren Handbewegung holte Thrall seinen ehemaligen Peiniger wieder herunter. Er lag, wo er hingefallen war, einen Arm an die Brust gedrückt, und schnell überbrückte Thrall die Distanz zwischen ihnen.

Er starrte auf die schlaffe Gestalt, seine Augen verengten sich. Während er sprach, hob er den Schicksalshammer zum tödlichen Schlag über den Kopf.

„Du warst alles, was ich gehasst habe... Schwäche, die nur durch Glück in einer Machtposition war. Du hast dafür gesorgt, dass ich mich selbst hasste... auf eine Art...“

Schwarzmoor kam auf die Knie und stieß mit Fleischfetzer nach Thralls ungeschütztem Torso. Thrall warf sich zurück, aber die äußerste Spitze traf. Der Orc zischte, als zwei Zentimeter Stahl in seinen Bauch eindrangen und er in den Schnee stürzte.

„Sag ruhig alles, damit du dich besser fühlst, Orc“, spottete Schwarzmoor. „Du bist immer noch auf dem besten Weg, deinen Ahnen zu begegnen.“

Die Stimme klang brüchig und der Stoß war deutlich schwächer gewesen als die vorherigen. Thrall musste Schwarzmoor verwundet haben, und zwar stärker, als er ursprünglich gedacht hatte.

Thrall zischte, schwang den Schicksalshammer erneut und zielte auf die Beine seines Gegenübers. Schwarzmoor hatte wohl erwartet, dass der Orc sich erst erhob, bevor er zuschlug, und nicht aus der liegenden Position angreifen würde. Deshalb schrie er laut auf, als der Schicksalshammer so unerwartet in ihn krachte. Die Rüstung fing zwar einiges ab, doch der Schlag war kräftig genug, um Schwarzmoor von den Beinen zu reißen.

Dieser Mann war kein Riese unter den Menschen. So wie Taretha auf dem korrumpierten Zeitweg sie selbst geblieben war, so war es auch bei Schwarzmoor. Er mochte sich nicht dem Trinken ergeben haben, doch nach wie vor zog er seine Energie aus der Stärke anderer. Und er war immer noch Aedelas Schwarzmoor: ein kleingeistiger Mann, der sich auf Verrat und Manipulation verließ.

Und Thrall war immer noch der, der er war.

Als Jugendlichen hatte Schwarzmoor Thrall einschüchtern können. Und er hatte ihn auf dem falschen Fuß erwischt, als er erneut auftauchte und ein stärkeres Individuum zu sein schien. Doch obwohl Thrall nur seine Robe trug, umgab ihn dennoch eine neue Rüstung. Obwohl er den vertrauten Schicksalshammer führte, schwang er neue Waffen. Er spürte die Liebe zu Aggra in seiner Seele brennen. Es war keine Ablenkung, sondern eine stete, tröstliche Glut, beständig und wahr – wahrer als der Hass, der von diesem Mann ausging, der verzweifelt auf den Schnee schlug und versuchte, auf seine beiden verwundeten Beine zu kommen. Der ein Schwert mit einem geschwächten Arm führte, der schnell nutzlos wurde. Aggras Liebe war Rüstung und Waffe, die Thrall schützten, ihm ermöglichten, sein Allerbestes in diesen Kampf einzubringen, egal ob es um Geist oder Körper ging.

Thrall verstand wie nie zuvor, dass diese Momente, in denen Schwarzmoor gewonnen hatte, indem er ihn einschüchterte und seine Entschlossenheit untergrub, nun vorbei waren. Dadurch verlor er die Macht über ihn.

Thrall lebte in diesem Moment und in diesem Moment hatte er keine Angst.

In diesem Moment würde Schwarzmoor nicht gewinnen.

Es war an der Zeit, die Sache zu beenden. Schwarzmoor zu seiner Bestimmung zu verhelfen: dem Tod durch Thralls Hand. All die Zweifel und Unsicherheiten und Ängste dorthin zu schicken, wohin sie gehörten: wahrlich und für immer in die Vergangenheit.

Seine Wunde blutete, die Wärme seines eigenen schwarzroten Blutes durchnässte seine Robe. Der Schmerz half ihm, sich zu konzentrieren.

Thrall führte den Schicksalshammer wie ein Meister der Waffen, der er ja auch war. Der Hammer schlug Fleischfetzer beiseite, Schwarzmoors geschwächter Arm war nicht mehr in der Lage, ein zweihändiges Schwert effektiv zu führen.

Im selben Augenblick löste Thrall eine Hand vom Schaft und hob sie hoch in den Himmel. Ein Knacken erklang und ein großer Eisbrocken löste sich vom Felsüberhang über ihnen. Wie ein Dolch, von geübter Hand geführt, stieß er auf Schwarzmoor zu. Es war nur gefrorenes Wasser, es konnte eine Rüstung nicht durchdringen. Aber es konnte den Menschen wie eine Riesenfaust niederstrecken.

Ein Schmerzensschrei entrang sich Schwarzmoor, als er im Schnee auf die Knie fiel. Waffenlos, beinahe ohnmächtig hob Schwarzmoor die Hände Thrall flehentlich entgegen.

„Bitte...“ Die Stimme war rau und schwach, doch in der klaren Luft konnte Thrall ihn gut hören. „Bitte verschone mich...“

Thrall war nicht ohne Mitleid. Doch größer als das Mitleid in seinem Herzen war der Wunsch nach Gerechtigkeit. Sowohl in dem verdrehten Zeitweg, der diesen Aedelas Schwarzmoor hervorgebracht hatte, wie auch auf Thralls eigenem Zeitweg, wo der Mensch nicht hingehörte.

Thrall hob die Waffe hoch über den Kopf. Sein Blick ruhte weniger auf der flehentlichen Geste, sondern auf dem Leuchten der Plattenpanzerung, die Orgrim Schicksalshammer einst getragen hatte. Die er, Thrall, einst getragen und die er ehrfürchtig abgelegt hatte.

Die Schlange streifte ihre Haut ab. Sein Geist wurde immer klarer und stärker. Es schien, dass das Ablegen seines alten Ichs ein lebenslanger Prozess war. Nun war Thrall bereit, all die zurückgebliebenen Überreste der Macht abzustreifen, die dieser Mensch über ihn hatte.

Er schüttelte den Kopf. Sein Herz war ruhig. Weder Freude noch Rache erfüllten ihn, denn in dem, was er tun musste, lag keine Freude. Und doch war es eine Art Befreiung.

„Nein“, sagte Thrall. „Du solltest nicht hier sein, Schwarzmoor. Du solltest nirgendwo sein. Mit diesem Schlag stelle ich die Dinge richtig.“

Er schlug mit dem Schicksalshammer zu, zermalmte den Metallhelm mitsamt dem Kopf darin. Schwarzmoor war augenblicklich tot.

Thrall hatte seinen Schatten getötet.

17

Schwarzmoor starb stumm. Der Schnee unter seinem Leichnam wurde matschig und rot. Thrall atmete tief ein, dann wieder aus und taumelte zur Seite, bevor er sich schwerfällig niederließ. Die Anstrengung der Schlacht und der Sturz machten sich bemerkbar. Thrall spürte, wie sich ein Lächeln über sein Gesicht ausbreitete, und er merkte, dass es sehr wehtat. Er schloss die Augen, bat um Heilung und spürte die Wärme durch seinen Körper strömen. Er war erschöpft und hatte Schmerzen, doch er hatte sich dem Schlimmsten gestellt und überlebt.