Выбрать главу

Er war immer noch nicht bereit, aufzugeben. Er gönnte sich einen Moment Ruhe, um sich zu erholen, dann stand er auf. Er musste Schutz finden. Er brauchte ein Feuer und Nahrung. Er würde hier nicht sterben, nicht solange er Aggra hatte, zu der er zurückkehren konnte – und ein anderes Wesen, das seine Hilfe benötigte.

Er war schon einige Zeit mit schleppenden Schritten gegangen, als plötzlich ein großer Schatten auf den Schnee fiel. Thrall blickte auf, seine Augenlider waren mit Eis verkrustet, und er erkannte eine große, reptilienähnliche Gestalt, die über ihm schwebte. Sie befand sich zwischen ihm und der Sonne und er konnte seine Farbe nicht erkennen. Sein Körper war total schlaff, er konnte sich kaum bewegen, trotzdem hob er den Schicksalshammer. Er wollte nicht zulassen, dass so etwas Simples wie ein Zwielichtdrache zwischen ihn und Aggra trat.

„Haltet ein, Freund Orc“, erklang eine leicht amüsierte Stimme. „Ich bin hier, um Euch zu Wärme und Nahrung zu bringen. Naja, eigentlich hatte ich gedacht, dass ich Euch zu Eurem eigenen Heldenbegräbnis zurückbringe. Doch stattdessen ist mir der Dank meines Aspekts sicher.“

Es war ein blauer Drache! Thrall war so erleichtert, dass seine Beine nachgaben. Bevor er ohnmächtig wurde, spürte er als Letztes, dass mächtige Klauen sich sanft um ihn schlossen.

Eine Stunde später war Thrall zurück in dem mittlerweile vertrauten magisch verzauberten Raum im Nexus. Er saß auf einem Stuhl, eingeschlagen in eine warme Decke, hielt eine dampfende Tasse eines Getränks in der Hand, das süß und würzig war und seine Stärke mit jedem Schluck zurückbrachte.

Die Kohlenpfanne loderte hell und Thrall streckte die Hände in ihre Richtung. Er war heute dem Tode mehrfach nahe gewesen – dem Tod von mehr als nur seinem Körper. Doch er hatte sich geweigert, zu sterben, und nun war er hier und froh darüber. Dankbar für die Wärme des Feuers und die Freundschaft der blauen Drachen, die noch nach ihm gesucht hatten, als alle Hoffnung schon vergebens schien.

„Thrall...“

Der Orc erhob sich, um seinen Freund Kalecgos zu begrüßen. Ein erleichtertes Lächeln zeigte sich auf dem Halbelfengesicht des Drachen und beide Hände packten Thralls Oberarme. „Ihr seht schlimm aus. Aber es ist ein wahrer Segen, dass wir Euch an diesem ansonsten düsteren Tag gefunden haben. Erzählt mir, was geschehen ist. Mein Herz war tief verwundet, als Ihr gestürzt seid... Ich konnte Euch nicht finden.“

Thrall lächelte, seine Augen waren feucht. „Der Schnee bremste meinen Sturz, er verbarg mich aber auch vor Euch allen. Offenbar sind die Ahnen noch nicht bereit, mich aufzunehmen.“

„Narygos, der Euch gefunden hat, sagte mir, dass nicht weit entfernt eine Leiche lag“, meinte Kalec.

„Schwarzmoor“, sagte Thrall. Er hatte Wut erwartet, wenn er den Namen laut aussprach. Doch überrascht musste er feststellen, dass er einfach keine Wut und keinen Hass in seinem Herzen trug. Schwarzmoor war wahrlich besiegt. Er war fort, und das nicht nur aus diesem Zeitweg, wo er niemals hätte sein dürfen. Sein Einfluss war ebenfalls fort. Jede Macht, die er über Thrall gehabt hatte, war mit ihm gestorben.

Kalec nickte. „Das hatte ich mir schon gedacht, als mir der Leichnam beschrieben wurde. Ich bin froh, dass Ihr gewonnen habt – aber überrascht, wenn ich das sagen darf. Solch einen Sturz zu überleben und die Kälte. Und dann musstet Ihr auch noch kämpfen. Nun, anscheinend seid Ihr Orcs härter, als ich angenommen hatte.“

„Ich war nicht allein in meinem Kampf, sagte Thrall leise. „Aber ich kenne jemanden, der es ist.“ Kalec sah ihn neugierig an und Thrall erklärte: „Ich habe jemanden zurückgelassen, weil Ysera mich darum gebeten hat. Ich werde sie wiedersehen, egal, was mit dieser Welt geschieht.“

Nun nickte der blaue Drache. „Ich verstehe“, sagte er. „Ich hoffe, das werdet Ihr, Thrall.“

„Dessen bin ich mir sicher.“ Er beobachtete Kalec. „Aber ich glaube... dass Ihr Euch nicht so sicher seid.“

Kalec runzelte die Stirn und wandte sich ab. „Ihr seid während des Kampfs hinuntergestürzt, Thrall“, sagte er leise. „Ihr habt nicht gesehen, was danach geschah.“

Er wurde still und Thrall wartete geduldig.

„Dieses Wesen, dieser Chromatus, wie der Vater des Zwielichts ihn genannt hat... wisst Ihr, was er ist?“, fragte Kalec.

„Ihr nanntet ihn einen chromatischen Drachen. Desharin berichtete mir von solchen Kreaturen. Er sagte, sie wären alle tot.“

Kalec nickte mit seinem leuchtenden blauen Kopf. „Das dachten wir auch. Sie sind nichts Natürliches, Thrall. Sie sind Kreationen. Künstlich erschaffene Wesen. Und dieser – von dem ich noch niemals zuvor gehört habe – war eindeutig Nefarians Schöpfung. Ich habe noch nie eine Bestie mit fünf Köpfen gesehen.“

„Fünf Köpfe“, überlegte Thrall, „jeder mit der Farbe von einem der Schwärme.“ Es war ein schreckliches Bild, eines, das er nicht verbannen konnte, sosehr er es auch versuchte.

„Fünf Köpfe“, wiederholte Kalecgos mit wachsendem Schrecken. „Das ist es, Thrall! Chromatische Drachen lebten nie sehr lange. Aber vielleicht steckt darin das Geheimnis, das Nefarian entdeckte: fünf Köpfe, fünf Gehirne. Vielleicht macht das Chromatus so mächtig, auch wenn... auch wenn er schwach wirkte.“

Jetzt konnte Thrall seine Verwunderung nicht verbergen. „Schwach?“

Kalec wandte sich ihm zu. „Schwach“, wiederholte er. „Er taumelte, er sank hinab. Manchmal konnten seine Flügel ihn kaum tragen. Und doch konnte mein Schwarm nicht gegen ihn und die Zwielichtdrachen bestehen. Er hat mich geschlagen, Thrall. Ich bin ein Aspekt und ich bin nicht arrogant, wenn ich davon ausgehe, dass kein Drache, mit Ausnahme anderer Aspekte, in der Lage sein sollte, mich zu schlagen. Aber ich musste den Rückzug anordnen oder er hätte mich und meinen ganzen Drachenschwarm getötet. Wir machten gegen ihn, was wir konnten. Und er war schwach.“

Thrall wusste, dass Kalec stets versuchte, positiv zu denken. Er gab sich nicht leichtfertig negativen Gefühlen wie Wut oder Verzweiflung hin. Und dennoch bemerkte Thrall Niedergeschlagenheit, Sorge und auch Hoffnungslosigkeit in seiner Mimik und Stimme. Thrall verstand, warum. „Er war aus irgendwelchen Gründen noch nicht vollständig erstarkt“, sagte er. „Aber wenn er das ist...“

Kalecs blaue Augen enthielten ein Universum des Schmerzes. „Es scheint, dass nichts ihn aufhalten kann“, sagte er leise.

„Ja“, stimmte Thrall gedankenvoll zu. „Nicht ein Ding.“

„Wir sind zu einer Zeit zersplittert, wo wir die Einheit am meisten brauchen“, sagte Kalec. „Dieser Chromatus an der Spitze der Zwielichtdrachen... er wird siegen, er wird sowohl mich als auch meinen Schwarm völlig ausradieren, wenn wir ihn auch nur eine Sekunde ohne Verstärkung angreifen.“

„Ysera und Nozdormu werden kommen“, sagte Thrall zuversichtlich. „Sie und ihre Schwärme werden sich mit Euch verbünden.“

„Das wird nicht reichen“, erwiderte Kalec matt. „Wir brauchen die roten Drachen. Nein... mehr als das, wir brauchen die Lebensbinderin selbst. Mein Schwarm ist bestürzt, Thrall, und ich gebe es zu: Ich bin es auch. Dieses Ding zu sehen, zu wissen, dass man nicht gewinnen kann...“ Er schüttelte den Kopf. „Wir brauchen die Hoffnung, die nur sie uns bringen kann. Doch sie hat selbst keine. Und ohne sie, glaube ich, werden wir fallen.“

„Ich werde noch einmal mit ihr reden“, sagte Thrall.

„Sie hat Euch schon beim letzten Mal nicht zugehört“, sagte Kalec, eine für ihn völlig uncharakteristische Bitterkeit vergiftete seine angenehme Stimme. „Sie wird Euch auch diesmal nicht zuhören. Wir sind verloren, Thrall, und... ich weiß nicht, was ich tun soll. Ich bin ein Aspekt. Mir wurden... neue Einblicke gewährt und ich spüre dennoch auf so viele Arten, dass ich mich nicht verändert habe. Ich spüre, dass ich einfach Kalecgos bin und nicht weiß, was ich tun soll.“

Thrall ging zu seinem Freund und legte die große grüne Hand auf Kalecs Schulter. „Es ist diese Bescheidenheit in Eurem Herzen, mit der Ihr Euren Schwarm für Euch gewinnen konntet. Ihr mögt all die Macht eines Aspekts besitzen, aber das hat nichts daran geändert, wer Ihr in Eurem Herzen seid. Ich weiß, dass Ihr tapfer seid, Kalec. Und ich weiß, dass es fast unmöglich ist. Aber... während ich im Schnee lag, halb zwischen Leben und Tod...“, er zögerte, „... hatte ich eine Vision. Eine, von der ich in meinem Herzen weiß, dass sie wahr ist und nicht der letzte, wirre Atemzug der Hoffnung eines sterbenden Orcs.“