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Thrall sah nicht, was sie waren, sondern wer sie waren, und ihre Schönheit war fast überwältigend.

Die sanfte Ysera, ein leuchtender grüner Nebel, die Essenz der Schöpfung, des Wandels und des Wachsens. Du bist gebunden an den erwachenden Traum der Schöpfung. Die Natur ist dein Reich und alle Dinge erhaschen einen kurzen Blick auf den Smaragdgrünen Traum, wenn sie schlafen. Du siehst sie alle, Ysera. Und sie sehen dich, obwohl sie es vielleicht nicht wissen. Wie die Lebensbinderin berührst du alle lebenden Wesen und singst ihnen die Lieder der Schöpfung.

Die Aspekte seufzten leise und Thrall verstand, dass er irgendwie hörte, was einer der Titanen in dem Augenblick gesagt hatte, als Ysera ihre Kräfte erhalten hatte. Die Stimme in ihrem Kopf war tot, aber nicht der Sinn für Ehrfurcht.

Ehrwürdiger Kalec, ein Splitter glitzernden Eises, so schön wie ein Edelstein, schimmernder Kern der arkanen Magie, die Magie der Macht und der Zauber und der Runen, selbst des Sonnenbrunnens. Magie der Gedanken, des Verständnisses, der Verbindung. Ich glaube, du wirst herausfinden, dass mein Geschenk an dich nicht nur eine tiefgründige Pflicht ist – was sie natürlich auch ist –, sondern auch eine Freude! Magie muss reguliert werden, verwaltet und kontrolliert. Doch sie muss auch wertgeschätzt werden und nicht gehortet. Das ist der Widerspruch, mit dem du zurechtkommen musst. Möge es dir eine Pflicht sein... und gleichzeitig eine Freude.

Die Schlacht über ihnen tobte nach wie vor. Thralls Herz schmerzte, aber er schloss die Geräusche aus, schloss das Verlangen aus, seinen Kriegsschrei auszustoßen und sich in den Kampf zu stürzen. Es war Zeit dafür, wenn...

Zeit...

Der Sand der Zeit rieselte hoch und hinunter, in alle Richtungen – Vergangenheit und Zukunft und dieser wertvolle Moment.

Dir ist die große Aufgabe auferlegt, die Zeit rein zu halten. Wisse, dass es nur eine wahre Zeitlinie gibt, doch es gibt auch alle anderen, die sonst möglich wären. Du musst sie beschützen.

Ohne die Wahrheit der Zeit wird mehr verloren, als du dir vielleicht vorstellen kannst. Der Stoff der Realität wird sich auflösen. Es ist eine schwere Aufgabe – die Grundlage edler Aufgaben dieser Welt, weil nichts ohne die Zeit geschehen kann.

Und Alexstrasza...

Thrall liebte sie. Wie hätte er nicht? Wie konnte auch nur irgendjemand die feurige und gleichermaßen sanfte Essenz der reinen Herzensenergie nicht lieben? Sie war wie eine Kohlenpfanne in kalter Nacht; das Leben, das in einem Samen oder einem Ei steckt; war wie alle wachsenden Dinge hell und schön. Kein Wunder, dass die Schwärme aller Farben sie verehrten. Kein Wunder, dass sie der letzte Gedanke von Korialstrasz gewesen war, bevor er so viel zerstörte, aber dadurch auch so viel mehr bewahrte.

Das ist mein Geschenk – Mitgefühl für alle lebenden Dinge. Die Neigung, sie zu schützen und zu nähren. Und die Fähigkeit, zu heilen, was andere nicht heilen können, zu gebären, was andere nicht gebären können, und selbst die Unliebbaren zu lieben – die diese Zuneigung sicher mehr brauchen als andere Seelen.

Und er selbst...

Er fühlte sich tief verwurzelt, weise. Thrall wusste sehr gut, dass es nicht sein eigenes Wissen war, das er wahrnahm, sondern das Wissen der Erde. Hier hatten die Urtume ihre Wurzeln geschlagen, hier, wo sich Knochen im Laufe der Zeit in Stein verwandelten. Er fühlte sich größer, als er je gewesen war, weitreichender – die ganze Welt in seinem Geist.

Meine Gabe an dich wirkt klein, verglichen mit denen, die den anderen verliehen wurden: die Verwaltung der Zeit, die Liebe, das Träumen und die Magie. Ich biete dir die Erde. Den Boden, den Grund, die tiefen Orte. Denn die Erde ist die Basis aller Dinge. Dort sind wir verwurzelt. Wo du herkommen musst, wenn du gehen willst. Von hier kommt wahre Stärke. Aus tiefen Orten... in der Welt und in dir selbst.

Der Segen war eigentlich nicht für seine Ohren bestimmt gewesen. Aber in diesem Moment dann doch.

Die Energien der fünf Aspekte standen zusammen, wie sie es seit Jahrtausenden nicht mehr getan hatten.

Und dann geschah es.

Die Bilder, die die Aspekte und Thrall in diesem spirituellen Zustand zu sehen bekommen hatten, explodierten. Es geschah nicht mit Gewalt oder wütend, sondern als könne die Freude nicht länger einer Struktur oder einer Gestalt innewohnen. Wie ein Feuerwerk schnellte die Essenz dessen empor, wer oder was jeder Aspekt wirklich war. Sie trafen sich, die Farben von jedem, Bronze, Grün, Rot, Blau und Schwarz, und verwoben sich miteinander.

Wie Adern und Fäden zu einem Muster.

... wenn man einen Teil auftrennen will, reicht es aus, an einem losen Faden zu ziehen.

Nein, dachte Thrall plötzlich, als ihm die Worte wieder einfielen, die Medivh in den Zeitwegen gesprochen hatte. Nicht „weben“. Fäden konnten gezogen oder zerrissen werden. Doch sie mussten nicht verwebt werden, sondern durchmischt...

Thrall stellte sich seine Farbe vor, ein reines, friedvolles Schwarz, das sich mit den anderen tanzenden Farben der Aspekte mischte. Sie verstanden augenblicklich und jeder brachte seinen Teil ein. Die Farben begannen sich zu mischen, nahmen eine einzige Farbe an...

„Er kommt!“

Die Stimmen der Wachen zerstörten den Moment. Thrall mühte sich, an diesem heiligen Ort zu bleiben, sich ruhig zu lösen. Doch es gab zu viel Drängendes. Noch bevor er die Augen geöffnet hatte, waren die vier Aspekte nach oben geschossen, nahmen ihre wahre Gestalt an und stiegen in den Himmel. Als die Drachen hochsprangen, schlugen ihre Flügel einen Moment lang wild und Thrall dachte, er würde zurückgelassen. Doch da wurde er von einer riesigen Pfote hochgenommen. Er wandte den Hals und sah Tick, die den Orc schnell auf ihre Schulter setzte.

Gleichzeitig stürzte der verfaulende chromatische Drache in vollem Tempo auf seine Gegner zu.

„Habt ihr wirklich geglaubt, wir hätten euch vergessen?“, rief eine Stimme, die nicht Chromatus gehörte.

Thrall blickte auf und erkannte im Mondlicht, dass eine kleine Gestalt auf Chromatus’ riesigem Rücken kauerte. Das musste der Vater des Zwielichts sein.

Die Kultisten, die Torastraszas Angriffe überlebt hatten, saßen ebenfalls auf dem Rücken des Drachen. Sie schwangen ihre Waffen, die Thrall im schwachen Licht glitzern sehen konnte. Und sie kannten garantiert einige Zauber und waren dadurch auf die Entfernung noch größere Gegner. Er erkannte, dass sie die Entscheidung suchten und der Vater des Zwielichts würde verlieren, was nötig war, um letztlich zu siegen.

Thrall brauchte mehrere Minuten, um all das zu verarbeiten. Er wusste nicht, ob die Zeremonie, die er gerade geleitet hatte, tatsächlich funktioniert hatte. Er hätte sich mehr Zeit gewünscht – Zeit, damit sich die Aspekte voll integrieren konnten. Damit sie sich vollständig mischten und in eine neue Art des Seins übergingen, bevor sie ihre volle Aufmerksamkeit auf Chromatus und den Kult wendeten. Doch solche Gedanken waren im Moment nicht wichtig, wie er erfahren hatte. Er hatte in der zur Verfügung stehenden Zeit getan, was er konnte, und ein erwartungsvoller Friede legte sich bei diesem Gedanken auf seine Seele.

Offensichtlich hatten sich die Aspekte schneller erholt als er, obwohl sie das Ritual, durch das er sie geführt hatte, nicht gekannt hatten. Thrall wagte zu hoffen, dass es so war, weil sie das Richtige taten – etwas, was sie die ganze Zeit schon hätten tun sollen. Sie bewegten sich schnell und mit grimmiger Entschlossenheit auf Chromatus zu. Der hielt inne und schwebte in der Luft, schlug mit seinen merkwürdig verbundenen Flügeln, bevor er die Mäuler aller fünf Köpfe aufriss. Flammen, Eis, grüne Energie, Sand und eine schreckliche schwarze Wolke hüllten die Aspekte ein. Alle vier wurden zurückgeworfen, getroffen von einer Kraft von fünf parallel einschlagenden Zaubern.