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Wenn auch Carthoris nicht auf seine Umgebung achtete, so entging es anderen Augen keineswegs, daß er sich dem Hauptplatz näherte. Sie folgten seinen zögernden, müden Schritten, als er zu jenen Marmorruinen ging, in denen eine halb verschüttete, winzige Quelle ein wenig Wasser lieferte, wenn man in den roten Sand, der sie bedeckte, ein tiefes Loch grub.

Dann betrat der junge Prinz die Ruine. In diesem Augenblick verließ etwa ein halbes Dutzend mächtiger, grotesker Gestalten eine andere Ruine gegenüber und huschte lautlos über den Platz.

Eine halbe Stunde verbrachte Carthoris in dem Haus, grub nach Wasser und gewann schließlich die wenigen Tropfen, die er so dringend benötigte. Es war ein dürftiges Ergebnis harter Arbeit.

Dann erhob er sich und verließ das Gebäude. Er hatte noch kaum die Schwelle überschritten, als zwölf Krieger aus Torquas über ihn herfielen.

Ihm blieb keine Zeit mehr, sein Langschwert zu ziehen, doch schon blitzte der lange, schlanke Dolch in seiner Hand, und ehe er von der Übermacht überwältigt zu Boden sank, hatte mehr als nur ein Herz zu schlagen aufgehört, weil dessen scharfe Spitze kräftig zugebissen hatte.

Neun waren es noch, die ihn niederwarfen. Sie nahmen ihm die Waffen weg und schleppten ihn über den Platz.

Dort warfen sie ihn in das Verlies eines ehemaligen Palastes und ketteten ihn mit rostigen Ketten an das solide Mauerwerk. Im Kerker herrschte schwärzeste Finsternis.

»Morgen will Than Bar mit dir sprechen«, sagten sie. »Jetzt schläft er. Groß wird seine Freude sein, wenn er erfährt, wer sich unter uns befindet, und groß wird das Vergnügen von Hortan Gur sein, wenn Thar Ban ihm jenen verrückten Narren bringt, der es gewagt hat, den großen Jeddak mit seinem Schwert zu bedrohen.«

Dann gingen sie, und er war in der Finsternis allein.

Carthoris lehnte sich an die Wand, an welcher der Ring eingemauert war, an dem seine Kette hing. Stunden schienen zu vergehen.

Da vernahm Carthoris plötzlich das leise Tappen nackter Füße, die sich ihm auf dem Steinboden näherten. Es war so stockfinster, daß er nicht einmal einen Schimmer dessen sah, der da kam. Und er lag ohne Waffen da und konnte sich nicht einmal verteidigen, weil er angekettet war.

Minuten vergingen; ihm erschienen sie eher als Stunden. Das Schweigen, die unheimliche Stille, die nur von dem sich regelmäßig wiederholenden Geräusch tappender nackter Füße unterbrochen wurde, war fast mit Händen zu greifen. Und immer näher kamen sie.

Schließlich hörte er das klatschende Geräusch rennender, nackter Füße, dann ein wenig weiter weg ein Scharren, heftiges Atmen und schließlich die gemurmelten Flüche eines Mannes, der gegen sehr widrige Umstände oder eine Übermacht kämpft.

Dann klirrte eine Kette, und es hörte sich so an, als werde ein loses Kettenglied an die Mauer geworfen.

Dann herrschte wieder für ein paar Momente Schweigen. Nun fingen die nackten Füße wieder zu tappen an, und sie näherten sich ihm. Er glaubte auch Augen zu sehen, die ihn durch die Dunkelheit anfunkelten, und er wußte, daß er das leise Atmen mächtiger Lungen vernahm.

Und dann rannten viele Füße auf ihn zu, und die Dinger waren über ihm.

Hände, die menschliche Hände sein konnten, legten sich ihm um Hals, Arme und Beine. Haarige Körper drängten sich an seine eigene glatte Haut, als er sich im grimmigem Schweigen gegen diesen unbekannten, schrecklichen Feind wehrte, der ihn in dem stockdunklen Verlies eines ehemaligen Palastes des alten Aaanthor angefallen hatte.

Carthoris von Helium war ein großer, breitschultriger, kräftiger junger Mann, ein göttlicher Riese, doch in den Klauen dieser unsichtbaren Kreaturen war er hilflos wie ein zartes, schwaches Weib. Doch er kämpfte unerbittlich, holte zu mächtigen Faustschlägen gegen breite, haarige Brüste aus, die er nicht sehen konnte; er spürte dicke, sehnige, kurze Hälse unter seinen Fingern; er fühlte Speicheltropfen an seiner Wange und roch den fauligen Atem seiner Feinde. Und er spürte Fänge, mächtige Fänge. Er wußte, daß sie nahe waren, doch er konnte nicht einmal ahnen, weshalb sie sich nicht in sein Fleisch schlugen.

Dann kam ihm zu Bewußtsein, daß eine Anzahl seiner Gegner an seiner Kette zerrte, und nach einer Weile vernahm er dasselbe Geräusch wie vorher – seine Kette war abgerissen, und die restlichen Kettenglieder knallten klirrend an die Mauer.

Nun wurde er von links und rechts gepackt und recht schnell durch lange, dunkle Korridore gezerrt. Er konnte nicht einmal ahnen, welches Schicksal seiner wartete.

Erst hatte er geglaubt, seine Feinde seien vielleicht Angehörige der grünen Horden von Torquas, aber die hatten keine haarigen Körper. Allmählich wurde er sich jedoch darüber klar, was sie waren; er wunderte sich nur darüber, daß sie ihn nicht sofort getötet und aufgefressen hatten.

Nach etwa einer halben Stunde irren Rasens durch Untergrundgänge, die in allen Städten auf Barsoom, sowohl in den uralten wie auch in den modernen, üblich sind, stiegen seine Entführer aus dem Tunnel in einen mondhellen Hof, der ziemlich weit vom großen Platz entfernt war.

Und jetzt wußte Carthoris auch, daß er sich in der Gewalt eines Stammes der großen weißen Affen von Barsoom befand. Da sonst diese weißen Affen am ganzen Körper haarlos sind bis auf einen großen, starren Büschel auf ihren Köpfen, war er sich über die Identität seiner Feinde nicht klar geworden, weil sie haarige Brüste hatten. Jetzt sah er aber, was ihn getäuscht hatte: jeder von ihnen hatte quer über der Brust einen Fellstreifen, die meisten den eines Banth, und damit hatten sie den Harnisch eines grünen Kriegers imitiert, denn die kampierten am öftesten in ihrer Ruinenstadt.

Carthoris hatte von der Existenz solcher Affenstämme gehört und gelesen; einige von ihnen entwickelten sich langsam zu einer höheren Intelligenzstufe hinauf, und in die Hände einer solchen Affensippe schien er gefallen zu sein. Aber welche Absicht hatten sie mit ihm?

Er sah sich im Hof um und zählte volle fünfzig dieser riesigen häßlichen Tiere, die auf ihren Fersen hockten. In einiger Entfernung saß ein anderer, sehr scharf bewachter Mensch.

Da erhellte ein Lächeln das Gesicht des anderen Gefangenen, und er rief: »Kaor, Roter!« Es war nämlich Kar Komak, der Bogenschütze. »Kaor!« antwortete Carthoris erfreut. »Wie kamst du hierher, und was wurde aus der Prinzessin?«

»Rote Männer stiegen aus Schiffen, die durch die Luft segeln, und diese Schiffe sind wahrlich nicht kleiner als jene, auf denen ich zu meiner Zeit auf den fünf Ozeanen gesegelt bin«, erwiderte Kar Komak. »Sie kämpften mit den grünen Männern von Torquas und erschlugen Komal, den Gott von Lothar. Ich dachte, sie seien deine Freunde, weil sie ebenso rot waren wie du, und deshalb war ich froh, als sie, nachdem der Kampf zu Ende war, das Rote Mädchen auf eines der Schiffe trugen und es mitnahmen in die Sicherheit der hohen Luft.

Mich ergriffen die grünen Männer und ich wurde in diese große leere Stadt geschleppt, wo sie mich in einem finsteren Kerker an eine Mauer ketteten. Später kamen dann diese Kreaturen und zerrten mich hierher. Und wie ist es dir ergangen, Roter?«

Carthoris erzählte, wie es ihm ergangen war, und während die beiden Männer miteinander sprachen, hockten die Affen im Kreis um sie herum und musterten sie scharf.

»Und was sollen wir jetzt tun?« fragte der Bogenschütze.

»Für uns sieht es recht hoffnungslos aus«, meinte Carthoris ziemlich verlegen. »Diese Kreaturen sind nämlich geborene Menschenfresser. Ich kann mir nicht denken, weshalb sie mich noch nicht aufgefressen haben. Schau, dort!« flüsterte er.

»Siehst du? Jetzt kommt das Ende…«

Kar Komak sah in die von Carthoris angedeutete Richtung und erkannte einen Affen, der noch größer war als die anderen und einen langen, dicken Knüppel mit sich schleppte.

»So töten sie nämlich am liebsten ihre Beute«, erklärte Carthoris.