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»Und wenn du, Sire, es befiehlst«, schloß er sein Märchen,

»dann werde ich mich sofort auf den Weg machen, sie entführen und hierher nach Dusar bringen.«

Nutus runzelte die Brauen und schüttelte den Kopf.

»Du hast schon genug angestellt! Erfährt man erst etwas über deine Beteiligung an der Entführung der Prinzessin von Ptarth, dann gehen alle drei gleichzeitig auf uns los – Ptarth, Kaol und Helium. Du hattest Glück, als du die Schuld an der Entführung dem Prinzen von Helium in die Schuhe schieben konntest, und strategisch hast du das meisterhaft gemacht. Sobald aber das Mädchen die Wahrheit erfährt und falls sie je wieder an den Hof ihres Vaters nach Ptarth zurückkehrt, muß Dusar eine unglaublich hohe Strafe bezahlen. Sie hier bei uns als Gefangene zu halten, wäre ein Schuldeingeständnis, und vor dessen Folgen könnte uns nichts mehr retten. Astok, so etwas würde mich den Thron kosten, und ich habe nicht die Absicht, ihn aufs Spiel zu setzen.

Wenn wir sie hier hätten…« Der ältere Mann überlegte laut und wiederholte mehrfach diesen Satz. »Wenn wir sie hier hätten…

Ah! Wenn wir sie hier hätten und niemand wüßte es«, rief er fast begeistert von seinem Gedanken, »und gar niemand wüßte es, daß sie hier ist…! Sohn, kannst du dir das nicht vorstellen? Mit ihren Knochen wäre dann die Schuld Dusars für ewige Zeiten begraben«, schloß er wie ein Verschwörer flüsternd.

Astok Prinz von Dusar überlief es eiskalt.

Er war schwach und durchtrieben; das war er ohne Zweifel, doch der nur dürftig verschleierte Vorschlag seines Vaters erfüllte ihn mit Grauen.

Grausam ihren Feinden gegenüber sind die Menschen auf dem Mars, aber das Wort >Feind< wird ausschließlich auf den Mann angewandt. Mord ist in den großen Städten auf Barsoom an der Tagesordnung, doch der Mord an einer Frau ist ein Verbrechen, dessen sich nicht einmal harte, ausgekochte Berufsmörder schuldig machen würden. Vor einem solchen Vorschlag zuckt selbst der verworfenste aller Meuchelmörder zurück.

Nutus schien das Entsetzen seines Sohnes nicht zu bemerken, und er hielt sich auch wegen seines Vorschlages noch einiges zugute.

»Du sagst, du wüßtest, wo das Mädchen versteckt gehalten wird«, fuhr er fort. »Sie wurde ja deinen Leuten in Aaanthor weggenommen. Sollte sie von einer der drei Mächte gefunden werden, so würde ihre durch nichts gestützte Geschichte ausreichen, alle drei gegen uns zu wenden.

Deshalb gibt es hier nur eine Möglichkeit, Astok. Du mußt sofort zu ihrem Versteck zurückkehren und sie in aller Heimlichkeit hierher bringen. Und paß auf! Wage es ja nicht, ohne sie nach Dusar zu kommen! Der Tod wäre dir sicher!«

Astok, Prinz von Dusar, kannte die Launen seines königlichen Vaters recht genau. Er wußte, daß im Herzen des Tyrannen nicht ein Funken Gefühl für irgendeine Kreatur Platz hatte.

Astoks Mutter war eine Sklavin gewesen. Nutus hatte sie niemals geliebt, aber er hatte auch keine andere Frau je geliebt.

In jungen Jahren hatte er wohl versucht, an den Höfen einiger seiner mächtigen Nachbarn eine Frau zu finden, doch keine einzige Frau wollte ihn haben.

Nachdem ein Dutzend Töchter von Edlen seines eigenen Landes lieber den Freitod gewählt hatten als ihn zu heiraten, hatte er die Suche aufgegeben. Da hatte er dann richtig legal eine seiner Sklavinnen geheiratet, so daß er wenigstens einen Sohn bekäme, der nach seinem hoffentlich recht späten Tod unter den Jeds stand, aus denen der neue Jeddak gewählt wurde.

Langsam entzog sich Astok der Nähe seines Vaters. Totenblaß und am ganzen Leib zitternd kehrte er in seinen eigenen Palast zurück. Als er den Hof überquerte, fiel sein Blick auf den hohen Ostturm, der dunkel vor dem blauen Himmel stand.

Am ganzen Körper brach ihm kalter Schweiß aus.

Issus! Diese schreckliche Tat konnte er keiner anderen Hand überlassen; die mußte er selbst ausführen. Mit den eigenen Fingern mußte er das Leben aus dieser wundervollen, glatten Kehle pressen oder die scharfe Klinge in das rote, edle Herz stoßen.

Ihr Herz! Und er hatte gehofft, dieses Herz möge vor Liebe zu ihm überfließen…

War es soweit gekommen? Er erinnerte sich der hochmütigen Verachtung, mit der seine Liebesschwüre beantwortet worden waren. Es überlief ihn eiskalt, und dann wurde ihm siedend heiß, wenn er daran dachte. Und dann nahm allmählich der Gedanke an Rache von ihm Besitz und löschte alle feineren Gefühle in ihm aus. Fast hätte er den guten Instinkten nachgegeben, die er von seiner Mutter, der Sklavin, geerbt hatte. Das böse, verdorbene Blut seines Vaters siegte jedoch über das gute seiner Mutter, und so geht es doch eigentlich immer und überall.

Ein kaltes Lächeln verdrängte die Angst, die ihm den kalten Schweiß auf die Stirn getrieben hatte. Er ging zum Turm.

Natürlich wollte er sie noch einmal sehen, ehe er sich auf jene Reise begab, die seinem Vater Sand in die Augen streuen sollte.

Die Tatsache, daß das Mädchen sich bereits in Dusar befand, durfte auf gar keinen Fall durchsickern.

Er schlüpfte durch einen Geheimeingang in den Turm und stieg die Spiralrampe hinauf zu jenem Raum, in dem die Prinzessin von Ptarth gefangen war.

Als er eintrat, lehnte das Mädchen am Fensterbrett der Ostseite des Turms und schaute über die Dächer von Dusar in die Richtung, in der Ptarth lag. Er haßte Ptarth. Der Gedanke daran erfüllt ihn mit Wut. Warum sollte er sie nicht jetzt gleich erledigen, damit er die Sache möglichst schnell hinter sich hatte?

Als sie seine Schritte vernahm, drehte sie sich rasch zu ihm um. Ah, wie schön sie doch war! Seine Entschlossenheit, sie zu töten, schmolz im glorreichen Licht ihrer erlesenen Schönheit zu einem Nichts zusammen. Er wollte warten, bis er von seiner kleinen Täuschungsreise zurückkehrte; vielleicht ergab sich bis dahin auch ein Ausweg. Vielleicht eine andere Hand, die den Stoß führte, andere Finger, die ihre Kehle zudrückten. Mit diesem Gesicht, diesen Augen… Nein, er konnte es nicht tun! Das wußte er nur allzu genau. Immer hatte er sich auf seine Grausamkeit einiges eingebildet, aber so grausam war er schließlich auch wieder nicht. Bei Issus, nein! Er mußte einen anderen Mann finden, der das für ihn erledigte, einen, dem er vertrauen konnte.

Er sah sie noch immer an, und sie stand aufrecht und furchtlos vor ihm. Die heiße Leidenschaft seiner Liebe zu ihr schlug hohe Wogen. Sollte er es nicht noch einmal versuchen? Ließ sie sich erweichen, dann wurde noch alles gut. Selbst wenn er seinen Vater nicht dazu überreden konnte, dann würde er eben nach Ptarth fliegen und die ganze Schuld an der Schurkerei der Entführung und an der Intrige, die vier Nationen in einen blutigen Krieg gestürzt hatte, seinem Vater Nutus auf die Schultern laden.

Und wer würde an der Wahrheit einer solchen Anschuldigung zweifeln?

»Thuvia«, sagte er, »ich komme zum letztenmal, um dir mein Herz zu Füßen zu legen. Ptarth und Kaol und Dusar liegen mit Helium im Krieg – nur deinetwegen. Heirate mich, Thuvia, und alles wird wieder so, wie es sein soll.«

Das Mädchen schüttelte den Kopf.

»Warte!« befahl er, ehe sie sprechen konnte. »Du sollst die volle Wahrheit erfahren, ehe du die Worte sprichst, die nicht nur dein Schicksal besiegeln werden, sondern auch das vieler tausend tapferer Krieger, die deinetwegen Krieg führen.

Wenn du dich weigerst, mich freiwillig zu heiraten und Dusar in Trümmer gelegt wird, weil Ptarth, Kaol und Helium die Wahrheit erfahren, dann ist auch über dein Schicksal das Los gefallen. Die anderen würden unsere Städte ausradieren und keinen Stein auf dem anderen lassen. Sie würden unser Volk in alle Winde zerstreuen, vom eisigen Norden bis in den eisigen Süden, man würde sie jagen und erschlagen, wo man sie fände, bis von dieser großen Nation nichts mehr übrig wäre als eine gehaßte Erinnerung.