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Das ist eine ausgezeichnete Regel, und so konnte man dem Gefolge eines zu Besuch weilenden befreundeten Herrschers praktisch uneingeschränktes Vertrauen schenken.

Am späten Morgen des folgenden Tages verließ ein sehr großer Diener im Harnisch eines angesehenen Edlen von Ptarth den Palast und begab sich zur Stadt. Raschen Schrittes ging er eine breite Straße entlang und bog in eine andere ein, und so ging er weiter, bis er die Wohnviertel der Edlen hinter sich hatte und das Ladenviertel erreichte. Hier suchte er ein überaus prächtiges Gebäude auf, das sich mit einem hohen schlanken Turm in den Himmel hob. Die äußeren Mauern waren mit kunstvollen Schnitzereien, Reliefs und sehr komplizierten Mosaikmustern verziert.

Es war der Palast des Friedens, in dem die Vertreter fremder Mächte residieren; besser ausgedrückt: hier hatten die Botschafter befreundeter Mächte ihre Geschäftsräume. In diesem riesigen, überaus prächtigen Palast wohnten sie jedoch nicht, denn jeder von ihnen hatte einen angemessenen Palast im Viertel der Edelleute.

Der Mann suchte den Gesandten von Dusar. Als er dessen Räume betrat, erhob sich ein Mann und kam ihn entgegen.

Als dieser erfuhr, daß der Besucher den Gesandten persönlich zu sprechen wünschte, verlangte er einen Ausweis oder eine Empfehlung. Der große Mann streifte einen einfachen, schmucklosen Armreif über seinen Ellbogen und deutete auf eine Inschrift, die innen angebracht war. Dann wisperte er dem Schreiber ein paar Worte zu.

Die Augen des Mannes wurden riesengroß vor Staunen, und er nahm die Haltung ehrerbietiger Unterwürfigkeit an. Unter zahlreichen Verbeugungen führte er den Fremden zu einem Sitz und eilte, den Armreif in der Hand, weiter zu einem der inneren Räume. Einen Moment später kam er wieder zurück und führte den Besucher in den Geschäftsraum des Gesandten.

Lange Zeit blieben die beiden Männer allein. Als der riesige Mann in der Kleidung eines Dieners das innere Büro schließlich wieder verließ, lächelte er befriedigt. Vom Palast des Friedens aus begab er sich sofort zum Haus des Gesandten von Dusar.

In der folgenden Nacht verließen zwei schnelle Flieger das Dach dieses Palastes. Der eine jagte Helium entgegen, der andere…

Thuvia von Ptarth schlenderte durch die Palastgärten ihres Vaters, denn das tat sie immer, ehe sie sich zur Ruhe begab. Sie hatte Seiden und Pelze um sich gezogen, denn die Marsnacht ist kühl, sobald die Sonne sich nach einer sehr kurzen Dämmerung hinter den westlichen Horizont zurückgezogen hat.

Die Gedanken des Mädchens beschäftigten sich mit ihren bevorstehenden Hochzeitsfeiern, die sie zur Herrscherin von Kaol machen sollten. Und dann dachte sie an den jungen Prinzen von Helium, der ihr am Tag vorher sein Herz zu Füßen gelegt hatte.

Ob es Mitleid oder Bedauern war, das ihre Miene überschattete, als sie nach Süden schaute, wo die Lichter seines Fliegers in der Nacht verschwunden waren, wäre schwer zu sagen gewesen.

Es wäre daher ebenso unmöglich, ihre Gefühle richtig zu schildern, als sie die Lichter eines Fliegers bemerkte, die genau aus jener Richtung kamen, als zögen die intensiven Gedanken der Prinzessin sie an.

Sie sah den Flieger über dem Palast kreisen und tiefer herunterziehen, bis kein Zweifel mehr daran möglich war, daß er zu einer Landung ansetzen wollte.

Dann leuchteten starke Suchscheinwerfer am Bug des Schiffes auf, streiften für einen Augenblick die Landeplattform auf dem Dach des Palastes und hoben die Gestalten der Garden von Ptarth aus dem Dunkel. Die herrlichen Edelsteine an ihren prächtigen Harnischen funkelten im Scheinwerferstrahl.

Dann schwenkte das grelle Auge über die glänzenden Kuppeln und schlanken Minaretts hinunter in den Hof und in den Park und die Gärten und blieb einen Moment länger an der Ersitbank hängen, neben der das Mädchen stand und zum Flieger hinaufschaute.

Ganz kurz leuchtete der Strahl das Gesicht Thuvias aus, dann erlosch er so plötzlich wie er aufgeflammt war. Der Flieger schwebte über sie weg und verschwand hinter einem Gehölz hoher Skeelbäume, das am Rand des Parks lag.

Das Mädchen stand noch eine ganze Weile da, hatte den Kopf gesenkt und schaute nachdenklich zu Boden.

Wer anders als Carthoris konnte das gewesen sein? Sie versuchte zornig zu sein, weil er so zurückgekommen war, um ihr nachzuspionieren, aber sie konnte es nicht. Zorn war nicht das Gefühl, das sie dem Prinzen von Helium entgegenbrachte.

Welche Wahnsinnslaune hatte ihn dazu getrieben, sich so über die Etikette der Nationen hinwegzusetzen? Große Mächte waren aus viel geringeren Gründen schon in den Krieg gezogen.

Die Prinzessin Thuvia von Ptarth war zornig und gekränkt – aber galt das für das Mädchen Thuvia?

Und was war mit den Garden? Offensichtlich waren auch sie sehr überrascht von der unvorhergesehenen Handlungsweise des Fremden, daß sie ihn nicht einmal angerufen, ihm keine Zeichen gegeben hatten. Aber das schien nur so, denn auf der Landeplattform hörte sie im nächsten Moment Motoren surren, und dann schoß ein Patrouillenboot in die Höhe.

Thuvia beobachtete es, wie es nach Osten raste. Also wachten auch andere Augen.

In den dichten Schatten des Skeelwäldchens hing ein Flieger etwa ein Dutzend Fuß hoch über dem Boden in einer kleinen Schneise, die von oben her vom dichten Laub der hohen Bäume verdeckt und daher nicht einzusehen war. Von dessen Deck aus beobachteten scharfe Augen das weitgestreute Suchlicht des Patrouillenbootes. Nicht der leiseste Lichtschein verriet das kleine Schiff, und kein Laut war zu vernehmen. Die Besatzung bestand aus einem halben Dutzend Roter Krieger, die gespannt beobachteten, wie das Patrouillenboot in der Ferne verschwand.

»Die Klugheit unserer Vorfahren ist heute nacht bei uns«, sagte einer mit ganz leiser Stimme.

»Kein Plan ist je besser gelungen«, erwiderte ein anderer.

»Sie verhielten sich ganz genau so, wie der Prinz es vorhergesagt hat.«

Der erste Sprecher wandte sich nun an den Mann, der vor dem Instrumentenbrett hockte.

»Jetzt!« flüsterte er. Sonst wurde kein Befehl gegeben. Jeder schien genau zu wissen, was er zu tun hatte, ohne daß noch ein Wort nötig gewesen wäre. Lautlos bewegte sich der dunkle Rumpf unter den hohen Bogen des dunklen, schweigend daliegenden Gehölzes.

Thuvia von Ptarth schaute nach Osten, sah den dunkleren Fleck vor der Schwärze der Bäume, als der Flieger über die hohe Parkmauer schwebte. Und dann beobachtete sie, wie der dunkle Fleck sich sanft dem scharlachfarbenen Rasen des Gartens entgegenneigte.

Sie wußte, daß Männer mit ehrenhaften Absichten nicht auf diese Art irgendwo ankamen. Doch sie schrie nicht laut Alarm, und sie floh auch nicht in die Sicherheit des Palastes.

Warum?

Ich sehe förmlich, wie sie ihre reizenden Schultern hebt und die uralte, weltenweite Antwort der Frauen gibt, die den Grund ihres Handelns nicht kennen oder verraten wollen:

Ach, deshalb!

Kaum hatte der Flieger den Boden berührt, als vier Männer vom Deck sprangen. Sie rannten auf das Mädchen zu.

Noch immer stand sie wie hypnotisiert da und schlug nicht Alarm. Oder hätte es vielleicht sein können, daß sie einen willkommenen Besucher erwartete?

Sie bewegte sich erst, als die vier Männer schon ganz in ihrer Nähe waren. Der nahe Mond goß sein helles Licht auf ihre Gesichter und tauchte alles in seinen strahlenden Schein.

Thuvia von Ptarth sah nur Fremde – Krieger im Harnisch von Dusar. Jetzt bekam sie Angst. Es war aber viel zu spät!

Ehe sie auch nur einen einzigen Schrei ausstoßen konnte, wurde sie von groben, kräftigen Händen gepackt. Um ihren Kopf wurde ein dichter Seidenschal gewunden. Starke Arme hoben sie auf und trugen sie zum Flieger. Kaum war sie an Deck, als Propeller surrten; dann spürte sie gegen ihren Körper einen kalten Luftzug, und unter ihr schrien die Garden und Palastwächter.

Ein anderer Flieger raste in südlicher Richtung Helium entgegen. In der Kabine beugte sich ein großer, Roter Mann über die weiche Sohle einer Sandale. Mit den feinsten Instrumenten maß er den schwachen Abdruck eines kleinen Gegenstandes, der sich dort abzeichnete. Auf einem Notizblock, den er neben sich liegen hatte, war der Umriß eines Schlüssel zu erkennen, und hier notierte er die Zahlen seiner Meßarbeit.