Jenseits des Schalters kam er zu einer sich langsam bewegenden Reihe von Gegenständen, die ein Erdenmensch als etwa acht Fuß lange Geschosse mit kegelförmiger Nase bezeichnet hätte, die für eine riesige Kanone bestimmt sind.
Diese Dinger bewegten sich langsam über versenkte Geleise.
Eine Anzahl Helfer waren anwesend, die den Fahrgästen beim Einsteigen zur Seite standen und diese Dinger dann in die gewünschte Richtung dirigierten.
Vas Kor ging auf eines zu, das leer war. An der Nase befand sich ein Zifferblatt mit einem Zeiger. Er setzte den Zeiger für eine Station in Groß-Helium, hob einen gewölbten Deckel hoch, stieg hinein und legte sich auf den dick gepolsterten Boden. Ein Helfer schloß den Deckel, der beim Einschnappen leicht klickte, und das Ding schob sich langsam weiter.
Wenig später bog es automatisch auf eine andere Spur ein und verschwand gleich darauf in einer der vielen nebeneinanderlie-genden dunklen Röhren.
Sowie die gesamte Länge innerhalb der schwarzen Röhre war, schoß das Ding mit der Geschwindigkeit einer Gewehrkugel vorwärts. Dann pfiff es leise, kam sehr schnell, gleichzeitig aber auch weich zum Stehen und schob sich langsam wieder auf eine Plattform. Hier öffnete ein Helfer den Deckel, und Vas Kor stieg an der Station unter dem Zentrum von Groß-Helium aus. Diese Station war fünfundsiebzig Meilen von dem Punkt entfernt, an dem er dieses Ding bestiegen hatte.
Hier begab er sich nun wieder auf Straßenhöhe hinauf und betrat sofort einen Grundflieger. Mit dem Sklaven, der den Fahrersitz innehatte, sprach er kein Wort. Es war also anzunehmen, daß man ihn erwartet hatte und daß der Sklave seine Instruktionen kannte, ehe er hierher aufgebrochen war.
Vas Kor hatte noch kaum den Sitz eingenommen, als der Flieger sich schon in Bewegung setzte. Er bog von der breiten Avenue mit ihrem dichten Verkehr in eine weniger verstopfte Straße ein, wo man schneller vorwärtskommen konnte. Bald hatte er dieses Viertel hinter sich, und nun befand er sich in einer Straße mit kleinen Läden. Einen davon betrat er. Dieser hatte über der Tür das Händlerzeichen für ausländische Seiden.
Der Raum war niedrig. Am anderen Ende saß ein Mann an einem Tisch. Er winkte Vas Kor zu, er solle zu einem innenliegenden Raum weitergehen, ließ aber nicht im geringsten erkennen, ob er den Besucher kannte oder nicht. Dann folgte er ihm und schloß hinter sich die Tür.
Im Innenraum sah er seinen Gast an und salutierte ehrfürchtig.
»Edelster…« begann er, aber Vas Kor gebot ihm mit einer Geste Schweigen.
»Keine Formalitäten«, sagte er. »Wir müssen vergessen, daß ich mehr bin als einer deiner Sklaven. Wenn alles so ausgeführt ist, wie es geplant wurde, dann haben wir jetzt keine Zeit zu verlieren. Wir sollten eigentlich schon zum Sklavenmarkt unterwegs sein. Bist du fertig?«
Der Kaufmann nickte, wandte sich zu einer großen Truhe um und entnahm ihr den schmucklosen Harnisch eines Sklaven. Den legte Vas Kor sofort an. Dann verließen die beiden den Laden durch eine Hintertür, folgten einer kleinen, gewundenen Straße, die zu einer breiten Avenue führte, und dort bestiegen sie einen Flieger, der auf sie gewartet hatte.
Fünf Minuten später führte der Kaufmann seinen Sklaven zum öffentlichen Markt, wo eine große Menschenmenge sich vor dem Sklavenblock eingefunden hatte.
Es waren deshalb so zahlreiche Menschen erschienen, weil Carthoris, der Prinz von Helium, mehrere Sklaven erstehen wollte.
Ein Herr nach dem anderen bestieg die Bühne neben dem Sklavenblock, auf dem ihr Hab und Gut stand. Kurz und klar, manchmal natürlich auch ein wenig überschwänglich, beschrieben sie die Tugenden und Fähigkeiten der angebotenen Sklaven.
Als alle vorgeführt wären, kam der Majordomo des Prinzen von Helium und rief jene Sklaven zum Block zurück, die einen guten Eindruck auf ihn gemacht hatten. Für die gab er dann ein gutes Angebot ab.
Wegen des Preises wurde kaum gefeilscht, schon gar nicht, als Vas Kor auf dem Block stand. Sein Herr nahm das erste Angebot an, das für ihn abgegeben wurde, und so wurde ein Edler aus Dusar Sklave im Haushalt von Carthoris.
3
Heimtücke
Am Tag nach Vas Kors Aufnahme in das Haus des Prinzen von Helium, herrschte in den Zwillingsstädten große Aufregung, die größte natürlich in Carthoris’ Palast. Es war nämlich die Nachricht von der Entführung der Prinzessin Thuvia von Ptarth aus dem Palastgarten ihres Vaters eingetroffen, und es wurden sogar Andeutungen gemacht, der Prinz von Helium stehe im Verdacht, etwas mehr als andere Leute über die Entführung der Prinzessin und ihren jetzigen Aufenthaltsort zu wissen.
Im Ratssaal hatten sich John Carter, Kriegsherr vom Mars, Tardos Mors, Jeddak von Helium, Mors Kajak, dessen Sohn. Jed von Klein-Helium und Carthoris versammelt, zu denen noch die angesehensten Edlen des Reiches von Helium kamen.
»Zwischen Ptarth und Helium darf es keinen Krieg geben, mein Sohn«, sagte John Carter. »Daß du der gegen dich erhobenen Anklage nicht schuldig bist, wissen wir sehr gut, aber auch Thuvan Dihn muß es zu wissen bekommen.
Es gibt nur einen, der ihn davon überzeugen kann, und das bist du selbst. Du mußt daher sofort an den Hof von Ptarth eilen und ihm durch deine Anwesenheit und deine Worte versichern, daß du mit der Entführung nichts zu tun hast und sein Verdacht unbegründet ist. Nimm mit dir die Autorität des Kriegsherrn von Barsoom und des Jeddaks von Helium und biete ihm jede nur denkbare Hilfe bei der Suche nach seiner Tochter an und selbstverständlich auch bei der Bestrafung der Schuldigen, wer auch immer das sein mag.
Und jetzt geh! Ich weiß, daß ich dir nicht erst erklären muß, wie wichtig die größte Eile in diesem Fall ist.«
Carthoris verließ den Ratssaal und begab sich schnellstens zu seinem Palast.
Schon im nächsten Moment richteten seine Sklaven alles her, was für die Reise ihres Herrn nötig war. Einige arbeiteten an dem schnellen Schiff, das den Prinzen von Helium nach Ptarth bringen sollte.
Und dann war alles bereit. Zwei bewaffnete Sklaven blieben als Wachen beim Schiff. Die untergehende Sonne hing niedrig über dem Horizont. In ein paar Minuten würde es ganz dunkel sein.
Einer, der Wächter war ein riesiger Bursche, über dessen rechte Wange von der Schläfe zum Mundwinkel eine dünne Narbe lief. Dieser ging auf seinen Gefährten zu. Sein Blick schweifte über seinen Kameraden hinaus. Er stand ganz nahe vor ihm, als er sprach.
»Das ist aber ein seltsamer Flieger!« sagte er.
Der andere drehte sich schnell um, denn er wollte ihn sehen.
Aber kaum hatte er dem Riesen den Rücken zugekehrt, als des letzteren Kurzschwert auch schon unter dem linken Schulterblatt des anderen steckte, so daß sein Herz durchbohrt war.
Ohne einen Laut von sich zu geben, fiel der Soldat in sich zusammen. Er war tot. Schnell schleifte der Mörder die Leiche in den tiefsten Schatten im Hangar. Dann kehrte er zum Flieger zurück.
Aus seiner Gürteltasche nahm er einen seltsam und sehr kompliziert geformten Schlüssel, hob den Deckel der rechten Skala des Zielkompasses ab und studierte den darunterliegenden Mechanismus. Dann setzte er die Skala wieder auf, verschob den Zeiger und stellte die Veränderung fest, die sich aus der anderen Zeigereinstellung ergeben hatte.
Der Mann lächelte. Mit einer scharfen kleinen Schere schnitt er den dünnen Zapfen ab, der durch die Skala zum außenliegenden Zeiger führte. Jetzt konnte dieser zu jedem Punkt der Skala bewegt werden, ohne daß es auf den darunterliegenden Mechanismus einen Einfluß hatte. Mit anderen Worten: die östliche Hemisphärenskala war nutzlos.
Nun beschäftigte er sich mit der Skala für die westliche Hemisphäre. Die stellte er auf einen bestimmten Punkt ein. Nun nahm er auch hier den Deckel ab und schnitt den dünnen Zapfen unter dem Zeiger ab.
So schnell wie möglich legte er auch diesen Deckel wieder auf und begab sich an seinen Platz. Wenn man den Kompaß anschaute, bemerkte man nicht, daß er nichts mehr taugte. Er sah genauso aus wie vorher. Nur konnte man jetzt die Zeiger auf den Skalen bewegen soviel man wollte – es nützte nichts, denn sie waren nicht mehr mit dem Mechanismus darunter verbunden.