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Am schlimmsten war es gegen Kriegsende. Viele Menschen starben noch am Ende, und ich wusste nicht, ob ich noch einen Tag überleben konnte. Ein Bauer, ein Russe, Gott schütze ihn, sah, wie es um mich bestellt war, ging in sein Haus und kam mit einem Stück Fleisch für mich zurück.«

»Er hat dir das Leben gerettet.«

»Ich habe es nicht gegessen.«

»Du hast es nicht gegessen?«

»Es war Schwein. Ich würde nie Schwein essen.«

»Warum nicht?«

»Was meinst du wohl, warum nicht?«

»Doch nicht, weil es nicht koscher war?«

»Natürlich.«

»Auch nicht, um dein Leben zu retten?«

»Wenn nichts mehr wichtig ist, gibt es nichts zu retten.«

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1.

George

DIE ERSTEN 26 JAHRE meines Lebens mochte ich keine Tiere. Ich fand sie lästig, schmutzig, vollkommen unzugänglich, furchtbar unberechenbar, schlicht und ergreifend überflüssig. Vor allem für Hunde konnte ich mich nicht erwärmen, was größtenteils auf eine Angst zurückzuführen war, die ich von meiner Mutter geerbt hatte und sie von meiner Großmutter. Als Kind ging ich nur zu Freunden, wenn sie ihre Hunde wegsperrten. Wenn mir im Park ein Hund näher kam, wurde ich so hysterisch, dass mich mein Vater auf die Schultern hob. Ich sah mir nicht gerne Fernsehfilme an, in denen Hunde vorkamen. Ich konnte Leute nicht verstehen –ich mochte sie nicht–, die sich für Hunde begeisterten. Vielleicht hatte ich sogar ein unterschwelliges Vorurteil gegen Blinde.

Und dann wurde ich eines Tages jemand, der Hunde liebte. Ich wurde ein Hunde-Typ.

George kam im Grunde aus dem Nichts. Meine Frau und ich hatten nicht darüber nachgedacht, einen Hund anzuschaffen, geschweige denn, uns nach einem umzusehen. (Warum sollten wir? Ich mochte keine Hunde.) Der erste Tag vom Anfang meines neuen Lebens war ein Samstag. Wir gingen in Brooklyn, wo wir wohnten, die Seventh Avenue entlang und stießen auf einen winzigen schwarzen Welpen. Wie ein Fragezeichen lag er schlafend am Bordstein, in seine Adoptier-mich-Weste eingerollt. Ich glaube nicht an Liebe auf den ersten Blick oder an Schicksal, aber ich liebte diesen verdammten Hund sofort, es sollte einfach so sein. Auch wenn ich ihn nicht anfassen mochte.

Der Vorschlag, den Welpen mitzunehmen, war vielleicht das Unvorhersehbarste, was jemals von mir kam. Aber diesem wunderschönen kleinen Tier konnte selbst ich als hartherziger Hundeskeptiker nicht widerstehen. Natürlich kann man auch etwas anderes als feuchte Schnauzen schön finden. Aber sich in Tiere zu verlieben ist etwas ganz Besonderes. Alle haben sie ihre ergebenen Fans: riesige Hunde und klitzekleine Hunde und langhaarige und seidig glänzende Hunde, schnarchende Bernhardiner, asthmatische Möpse, faltige Shar-Peis und melancholisch dreinblickende Bassets. Vogelfreunde suchen in aller Frühe in der Kälte Himmel und Unterholz nach den gefiederten Liebesobjekten ab. Katzenfreunde legen in ihren Liebesbekundungen eine Heftigkeit an den Tag, die in den meisten menschlichen Beziehungen – Gott sei Dank – fehlt. Kinderbücher sind voll von Kaninchen, Mäusen, Bären und Raupen, ganz zu schweigen von Spinnen, Grillen und Krokodilen. Plüschspielzeug in Steinform will niemand haben, und wenn ein begeisterter Briefmarkensammler von seiner Liebe zu Briefmarken spricht, ist das eine völlig andere Art von Zuneigung.

Wir nahmen den Welpen mit nach Hause. Ich umarmte ihn – sie – von der anderen Zimmerseite aus. Dann, weil er – sie – mir Grund zu der Annahme gab, dass ich keine Finger verlieren würde, durfte sie mir aus der Hand fressen. Dann durfte sie mir die Hand lecken. Und dann das Gesicht. Und dann leckte ich ihr das Gesicht. Heute liebe ich alle Hunde und werde bis an mein Lebensende glücklich und zufrieden sein.

63 Prozent aller amerikanischen Haushalte haben mindestens ein Haustier. Dieser hohe Prozentsatz beeindruckt vor allem, weil das Phänomen relativ neu ist. Das Halten von Haustieren ging mit dem Erstarken der Mittelschicht und der Urbanisierung einher, vielleicht weil infolgedessen der Kontakt zu anderen Tieren verloren ging oder schlicht weil Haustiere Geld kosten und deshalb ein Symbol für Wohlstand sind (Amerikaner geben jährlich 34 Milliarden Dollar für ihre Haustiere aus). Der in Oxford lehrende Historiker Sir Keith Thomas, dessen umfassendes Werk Man and the Natural World heute als Klassiker gilt, sagt dazu:

die Verbreitung der Haustierhaltung unter den städtischen Mittelschichten in der frühen Moderne … ist eine Entwicklung von sozialer, psychologischer und sogar kommerzieller Bedeutung … Sie hatte auch auf geistiger Ebene Folgen, denn sie animierte die Mittelschichten zu positiven Urteilen über tierische Intelligenz; sie führte zu zahllosen Anekdoten über tierische Klugheit; sie förderte die Vorstellung, dass Tiere Charakter und individuelle Persönlichkeit besitzen können; und sie schuf die psychologische Basis für die Auffassung, dass zumindest einige Tiere ein Recht darauf haben, in moralischer Hinsicht betrachtet zu werden.

Es wäre falsch zu sagen, dass meine Beziehung zu George mir die »Klugheit« von Tieren offenbart hätte. Abgesehen von ihren grundlegenden Bedürfnissen habe ich nicht die leiseste Ahnung, was in ihrem Kopf vorgeht. (Obwohl ich mittlerweile überzeugt bin, dass, abgesehen von grundlegenden Bedürfnissen, sehr viel darin vorgeht.) Ihre mangelnde Intelligenz überrascht mich genauso oft wie ihre Intelligenz. Die Unterschiede zwischen uns sind immer präsenter als die Ähnlichkeiten.

George ist kein Schoßhündchen, das nur gehätschelt werden und kuscheln möchte. Sie kann einem ziemlich oft höllisch auf die Nerven gehen. Sie befriedigt sich ständig vor Gästen, knabbert meine Schuhe und die Spielsachen meines Sohnes an, tötet mit Begeisterung Eichhörnchen, hat die einzigartige Fähigkeit, sich bei jedem Foto, das in ihrer Nähe gemacht wird, vor die Linse zu setzen, stürzt sich auf Skateboarder und chassidische Juden, demütigt menstruierende Frauen (und ist der schlimmste Albtraum menstruierender chassidischer Jüdinnen), presst ihren stinkenden Hintern an den am wenigsten interessierten Menschen im Raum, gräbt frisch Gepflanztes aus, zerkratzt neu Angeschafftes, schleckt an Essen, das aufgetragen werden soll, und rächt sich manchmal (nur wofür?), indem sie ins Haus kackt.

Unsere diversen Kämpfe – zu kommunizieren, die Wünsche des anderen wahrzunehmen und darauf einzugehen, miteinander zu leben – zwingen mich, mit etwas, oder besser, jemand völlig Fremdem umzugehen und zu interagieren. George ist in der Lage, auf eine gewisse Anzahl Wörter zu reagieren (und zieht es vor, eine etwas größere Anzahl zu überhören), aber unsere Beziehung findet fast gänzlich auf der außersprachlichen Ebene statt. Sie scheint Gedanken und Gefühle zu haben. Manchmal meine ich, sie zu verstehen, oft aber auch nicht. Wie ein Foto kann sie mir nicht sagen, was sie mir zeigt. Sie ist ein Gestalt gewordenes Rätsel. Und für sie bin ich vermutlich auch ein Foto.

Erst gestern Abend blickte ich von meinem Buch hoch und sah, dass George mich aus einer Zimmerecke anstarrte. »Wann bist du denn hier reingekommen?«, fragte ich. Sie senkte ihren Blick und trottete durch den Flur davon – nicht so sehr als Silhouette, sondern eher als negativer Raum, als aus unserem häuslichen Leben herausgeschnittene Form. Trotz unserer Verhaltensmuster, die eingespielter sind als alles, was ich mit einem anderen Menschenteile, empfinde ich sie immer noch als unberechenbar. Und trotz unserer Nähe ist ihre Andersartigkeit für mich manchmal überwältigend und macht mir sogar ein bisschen Angst. Durch unser Kind hat sich dieses Gefühl noch verstärkt, denn es gibt absolut keine Garantie – außer meiner absoluten Gewissheit, dass sie es nicht tun wird –, dass sie das Baby nicht zerfleischen würde.