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So kam er auch nach Nürnberg. Und hier trieb er's ganz besonders bunt. Er klebte an die Kirchentüren und ans Rathausportal Plakate, auf denen er sich als Wunderdoktor ausgab. Es dauerte auch gar nicht lange, da kam der Verwalter vom Krankenhaus zum Heiligen Geist anspaziert und sagte: »Sehr geehrter Herr Doktor! In unserem Spital liegen so viele Kranke, dass ich mir nicht mehr zu helfen weiß. Alle Betten sind belegt, und das Geld reicht vorn und hinten nicht. Können Sie mir keinen Rat geben?«

Eulenspiegel kratzte sich hinterm Ohr und antwortete: »Doch, doch, lieber Mann. Aber guter Rat ist teuer.«

»Wie viel?«, fragte der Verwalter. Und Eulenspiegel sagte: »Zweihundert Gulden.« Zunächst blieb dem guten Mann die Luft weg. Und dann erkundigte er sich, was der Herr Doktor Eulenspiegel dafür leisten wolle. »Dafür mache ich in einem einzigen Tag alle Kranken gesund, die im Hospital liegen! Wenn mir's nicht gelingen sollte, will ich keinen Pfennig haben.«

»Ausgezeichnet!«, rief der Mann, nahm Eulenspiegel auf der Stelle mit ins Krankenhaus und sagte den Kranken, der neue Doktor wolle sie alle heilen. Sie müssten sich nur genau nach seinen Vorschriften richten.

Dann ging er ins Verwaltungsbüro und ließ Till mit den Kranken allein. Eulenspiegel ging langsam von Bett zu Bett und unterhielt sich mit den Leuten. Er sprach sehr leise und geheimnisvoll mit jedem von ihnen. Und einem jeden sagte er das Gleiche.

»Ich will euch allen helfen«, sagte er, »dir, mein Freund, und den anderen auch. Und ich weiß ein fabelhaftes Rezept dafür. Ich muss einen von euch zu Pulver verbrennen. Dieses Pulver müsst ihr dann einnehmen. Ich habe mir auch schon überlegt, wen von euch ich zu Pulver verbrennen werde: den Kränksten im Saal. Das wird das Beste sein, meinst du nicht auch? Na also.« Dann beugte er sich noch tiefer und fuhr noch leiser fort: »In einer halben Stunde hole ich den Verwalter herauf. Der wird die Gesunden unter euch fortschicken. Es wird also gut sein, wenn du dich ein bisschen beeilst, mein Lieber. Denn den Letzten verbrenne ich leider zu Pulver. Die Sache will's!« So ging er zu jedem und erzählte jedem das Gleiche. Dann holte er endlich den Verwalter nach oben.

Und der Verwalter rief mit lauter Stimme: »Wer sich gesund fühlt, ist entlassen!« In drei Minuten war der Saal leer! Alle rannten oder humpelten, so schnell sie nur irgend konnten, aus dem Krankenhaus hinaus. Solche Angst hatten sie! Es waren welche dabei, die seit zehn Jahren hier gelegen hatten. Der Hospitalverwalter war sprachlos. Er raste ins Büro und brachte Eulenspiegel zweihundertzwanzig (220) Gulden. Die streckte er ihm hin und sagte: »Zwanzig Gulden gebe ich Ihnen extra. Sie sind der beste Arzt der Welt.«

»Stimmt«, sagte Eulenspiegel. Damit meinte er den Geldbetrag. Er steckte ihn in die Tasche, empfahl sich und machte, dass er Nürnberg in den Rücken bekam.

Schon am nächsten Tag kehrten alle Kranken ins Hospital zum Heiligen Geist zurück und legten sich wieder in ihre Betten.

Der Verwalter war außer sich. »Um alles in der Welt«, rief er, »ich denke, er hat euch gesund gemacht?«

Da erzählten sie ihm, warum sie gestern davongelaufen waren und dass sich keiner habe zu Pulver verbrennen lassen wollen. »Ich bin ein Esel«, sagte der Verwalter. »Der Lump hat mich betrogen, und ich habe ihm sogar noch zwanzig Gulden mehr gegeben, als er verlangt hat!«

WIE EULENSPIEGEL EULEN UND MEERKATZEN BUK

Einmal kam Eulenspiegel auch nach Braunschweig und suchte die Herberge »Zur Heimat«, weil er dort übernachten wollte. Er fragte einen Bäcker, der vor seinem Laden stand, nach dem Weg. Der Bäcker beschrieb ihm genau, wie er gehen müsse, und fragte noch: »Was bist du denn eigentlich?«

»Ich?«, sagte Till. »Ich bin ein wandernder Bäckergeselle.« Da freute sich der Bäcker, denn er brauchte gerade einen Gesellen. Und Eulenspiegel blieb für Lohn, Beköstigung und freies Logis in der Bäckerei.

Weil nun der Meister selber mitunter in der Backstube arbeitete, fiel es ihm am ersten und zweiten Tag überhaupt nicht auf, dass Till vom Backen nicht mehr verstand als ein Ochse vom Klavierspielen.

Doch am dritten Tag wollte sich der Meister früh am Abend schlafen legen. Vielleicht wollte er auch in den Gasthof »Zum Schwarzen Eber« gehen und kegeln. Jedenfalls sagte er zu Tilclass="underline"

»Heute Nacht musst du allein backen. Ich komme erst morgen früh wieder herunter.« »Ist recht«, meinte Till. »Aber was soll ich denn backen?«

»Da hört sich ja Verschiedenes auf!«, rief der Meister. »Du bist ein Bäckergeselle und fragst mich, was du backen sollst! Meinetwegen Eulen und Meerkatzen!« Er hätte ebenso gut sagen können: »Veilchen und junge Hunde«; und er sagte »Eulen und Meerkatzen« natürlich nur, weil er sich über die dumme Frage seines Gesellen geärgert hatte. Aber als er fort war, rührte Eulenspiegel den Teig an und buk von zehn Uhr abends bis drei Uhr früh tatsächlich lauter Eulen und Meerkatzen.

Als der Meister am Morgen hereintrat, dachte er, er käme in den Zoo. Überall lagen und standen knusprig gebackene Tiere. Und er sah sich vergeblich nach Broten, Brötchen und Semmeln um. Da schlug er vor Wut mit der Faust auf den Tisch und rief: »Was hast du denn da gebacken?«

»Das sehen Sie doch«, sagte Till. »Eulen und Meerkatzen. Wie Sie's verlangt haben. Sind die Biester nicht ähnlich genug? Ich hab mir furchtbar viel Mühe gegeben.«

Eulenspiegels Frechheit brachte den braven Mann vollends auf den Baum. Er packte ihn am Kragen, schüttelte ihn hin und her und brüllte: »Aus dem Haus! Aber sofort, du Haderlump!«

»Erst müssen Sie mich loslassen«, sagte Till. »Sonst kann ich nicht weg.« Der Meister ließ ihn los, und Till wollte schleunigst auf und davon. Doch da hielt ihn der Bäcker noch einmal fest. »Erst zahlst du mir den Teig, den du verhunzt hast!«

»Nur, wenn ich die lieben Tierchen mitnehmen darf«, erwiderte Eulenspiegel. »Wenn ich den Teig, aus dem sie gebacken sind, bezahle, gehören sie mir.«

Der Bäcker war einverstanden und nahm das Geld. Till aber verfrachtete seine Eulen und Meerkatzen in einen Tragkorb und zog damit ab. Am Nachmittag war auf dem Platz vor der Kirche großes Gedränge. Till Eulenspiegel stand mitten unter den Leuten und verkaufte seine Eulen und Meerkatzen Stück für Stück und verdiente großartig daran.

Das sprach sich im Nu herum. Und als der Bäckermeister davon hörte, schloss er seinen Laden ab und rannte im Dauerlauf zur Sankt-Niklas-Kirche hin. »Der Kerl muss mir das Holz bezahlen, das er für das alberne Viehzeug verfeuert hat!«, rief er, während er durch die Gassen stürmte. »Und eine Benutzungsgebühr für den Backofen! Und einsperren lasse ich ihn außerdem!«

Doch als er auf dem Platz ankam, war Till Eulenspiegel schon über alle Berge. Er hatte seine Eulen und Meerkatzen restlos ausverkauft, und sogar den Korb, der dem Bäcker gehörte, hatte er für einen Taler verkauft.

Und die Braunschweiger lachten noch jahrelang über den armen Bäckermeister.

WIE EULENSPIEGEL TURMBLÄSER WAR

Einmal trat Till beim Grafen von Anhalt in Dienst. Der Graf hatte damals viele seiner Ritter und deren Knechte im Bernburger Schloss versammelt, um die Bauern, die vor den Stadtmauern ihre Felder und Wiesen hatten, gegen die Überfälle der Raubritter zu verteidigen. Das war nötig geworden. Denn die Raubritter brandschatzten die Dörfer und trieben den Bauern das Vieh fort.

Eulenspiegel wurde auf dem höchsten Turm des Schlosses einquartiert und musste von dort aus Tag für Tag über das Land schauen. Sobald die Feinde kämen, sollte er auf einer Trompete Alarm blasen.

In den Schlosshof konnte er übrigens auch hinunterblicken. Da sah er dann immer die Ritter und Knechte an langen Tischen sitzen und ununterbrochen essen und trinken. Und vor lauter Essen und Trinken vergaßen der Graf und die anderen, ihrem Turmbläser Essen hinaufzuschicken. Und obwohl er rief, so laut er konnte, hörten sie ihn nicht. Weil der Turm zu hoch war. Vom Turm herunterklettern durfte er auch nicht, da er ja dauernd ins Land schauen musste. Eines schönen Nachmittags sah er die Raubritter zu Pferde dahersprengen. Sie trieben die Viehherden vor der Stadt zusammen, steckten ein paar Scheunen in Brand und benahmen sich überhaupt sehr unfein. Eulenspiegel lag im Fenster und schaute ihnen gemütlich zu. Doch die Trompete ließ er ruhig an der Wand hängen. Endlich kam einer der Bauern ins Schloss gerannt und erzählte dem Grafen von dem Überfall. Die Ritter holten hastig ihre Pferde aus dem Stall und jagten wie der Wind aus dem Stadttor. Doch die Feinde waren samt dem gestohlenen Vieh schon über alle Berge. Als der Graf ins Schloss zurückkam, war er sehr wütend. Er kletterte in voller Rüstung auf den Turm hinauf und sagte: »Warum, zum Donnerwetter, hast du nicht geblasen, als du die Feinde kommen sahst?«