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»Und warum«, fragte Eulenspiegel, »habt Ihr mir nichts zu essen heraufgeschickt? Bevor man nicht gegessen hat, kann man nicht Trompete blasen.«

Ein andres Mal hatte der Graf einen Ausfall aus der Stadt gemacht und den Feinden ihr Vieh fortgetrieben. Das Vieh war ins Schloss gebracht und dutzendweise am Spieß gebraten worden.

Und nun saßen wieder alle im Schlosshof drunten und aßen wie die Scheunendrescher. Till roch den Braten oben im Turm. Aber man vergaß den Wächter wieder einmal. Da nahm er kurz entschlossen die Trompete von der Wand, steckte sie durchs Fenster und blies Alarm. Der Graf und die Ritter ließen das Essen stehen und liegen, zogen ihre Panzer an und galoppierten zur Stadt hinaus. Kaum waren sie fort, rannte Till vom Turm, belud sich mit Kalbs- und Schweinebraten und anderen Esswaren, kletterte wieder auf den Turm und aß, bis ihm die Hose nicht mehr passte.

Als der Graf zurückkehrte, war er wieder sehr wütend. Er stieg auf den Turm hinauf und sagte: »Bei dir ist wohl eine Schraube locker? Was fällt dir denn ein, Alarm zu blasen, wenn keine Feinde zu sehen sind? He?«

»Das macht der Hunger«, erwiderte Till. »Da phantasiert man wie im Fieber.« »Unsinn«, sagte der Graf. »Wer Alarm bläst, wenn keine Feinde zu sehen sind, und nicht bläst, wenn sie kommen, ist kein Trompeter für mich.« Er bestellte einen andern Mann zum Turmbläser, und Eulenspiegel wurde Fußknecht, also Infanterist.

Das war ihm gar nicht recht. Denn als die Feinde wieder vor der Stadt erschienen, musste er mit zum Tor hinaus und kämpfen. Er ließ sich sehr viel Zeit und lief als Letzter hinterdrein. Und als die Feinde in die Flucht geschlagen worden waren, rannte er als Erster ins Schloss zurück. Das machte er beim nächsten und übernächsten Überfall ganz genauso, bis es allen, auch dem Grafen, auffiel. Und der Graf fragte, was das heißen solle. »Die Sache ist die«, sagte Till. »Da ich als Turmbläser so wenig zu essen bekam, bin ich körperlich nicht auf der Höhe. Wenn ich wirklich die Energie aufbrächte, der Erste vorm Feind zu sein, müsste ich irrsinnig schnell zurückrennen, um als Erster wieder im Schloss zu sein und rasch zu essen. Diese Rennerei würde meine Gesundheit nicht aushalten.« »Scher dich zum Teufel!«, rief der Graf aufgebracht. »Oder soll ich dich hängen lassen?« »Nein«, sagte Till. »Auch das würde meine Gesundheit nicht aushalten!« Und er schnürte sein Bündel und verließ Schloss und Stadt Bernburg, so schnell er konnte.

WIE EULENSPIEGEL ERDE KAUFTE

Der Graf von Anhalt war nicht der einzige deutsche Fürst, der Eulenspiegel mit dem Galgen bedrohte.

Genau dasselbe tat, wenig später, der Herzog von Lüneburg. Till hatte nämlich auch im Herzogtum Lüneburg irgendwelche Dummheiten ausgefressen. Und der Herzog hatte ihm daraufhin gesagt: »Mach, dass du über die Grenze kommst! Wenn du dich wieder vor mir blicken lässt, wirst du gehängt!«

Eulenspiegel war damals wie der Blitz aus Lüneburg verschwunden. Später aber musste er auf seinen Fahrten doch wieder durch das Gebiet des Herzogs, falls er keinen zu großen Umweg machen wollte. Er kaufte sich deshalb ein Pferd und einen Karren; und in der Nähe von Gelle hielt er an einem Acker still, den ein Bauer pflügte, und kaufte dem Bauern für einen Schilling so viel Ackererde ab, dass der Karren bis oben hin voll davon wurde. Dann setzte sich Till in den Karren, so dass nur der Kopf und die Arme aus der Erde hervorschauten. Und so kutschierte Eulenspiegel durch das ihm verbotene Herzogtum. Er sah fast aus wie ein fahrender Blumentopf.

Als er an der Burg Gelle vorbeifuhr, begegnete er dem Herzog, der mit seinem Gefolge zur Jagd ritt. Der Herzog hielt an und sagte: »Ich habe dir mein Land verboten. Steig aus! Jetzt wirst du gehängt!«

»Ich bin ja gar nicht in Eurem Land«, erwiderte Eulenspiegel. »Ich sitze in meinem eigenen Land. Ich hab es rechtmäßig von einem Bauern gekauft. Erst gehörte es ihm. Nun gehört es mir. Euer Land ist es nicht.«

Der Herzog sagte: »Scher dich mit deinem Land aus meinem Land, du Galgenstrick! Und wenn du noch einmal hierher kommst, hänge ich dich samt Pferd und Wagen!«

WIE EULENSPIEGEL EINEM ESEL DAS LESEN BEIBRACHTE

Eine Zeit lang beschäftigte sich Eulenspiegel damit, dass er von Universität zu Universität zog, sich überall als Gelehrter ausgab und die Professoren und Studenten neckte. Er behauptete, alles zu wissen und zu können. Und er beantwortete tatsächlich sämtliche Fragen, die sie ihm vorlegten.

Bei dieser Gelegenheit kam er schließlich nach Erfurt. Die Erfurter Studenten und ihr Rektor hörten von seiner Ankunft und zerbrachen sich den Kopf, was für eine Aufgabe sie ihm stellen könnten.

»Denn so wie denen in Prag«, sagten sie, »soll es uns nicht ergehen. Er soll nicht uns, sondern wir wollen ihn hineinlegen.«

Endlich fiel ihnen etwas Passendes ein. Sie kauften einen Esel, bugsierten das störrische Tier in den Gasthof »Zum Turm«, wo Eulenspiegel wohnte, und fragten ihn, ob er sich zutraue, dem Esel das Lesen beizubringen. »Selbstverständlich«, antwortete Till. »Doch da so ein Esel ein dummes Tier ist, wird der Unterricht ziemlich lange dauern.« »Wie lange denn?«, fragte der Rektor der Universität.

»Schätzungsweise zwanzig Jahre«, meinte Till. Und hierbei dachte er sich: Zwanzig Jahre sind eine lange Zeit. Bis dahin stirbt vielleicht der Rektor. Dann geht die Sache gut aus. Oder ich sterbe selber. Oder der Esel stirbt, und das wäre das Beste.

Der Rektor war mit den zwanzig Jahren einverstanden. Eulenspiegel verlangte fünfhundert alte Groschen für seinen Unterricht. Man gab ihm einen Vorschuss und ließ ihn mit seinem vierbeinigen Schüler allein. Till brachte das Tier in den Stall. In die Futterkrippe legte er ein großes altes Buch, und zwischen die ersten Seiten des Buches legte er Hafer. Das merkte sich der Esel. Und um den Hafer zu fressen, blätterte er mit dem Maul die Blätter des Buches um. War kein Hafer mehr zu finden, rief der Esel laut: »I-a, i-a!« Das fand Eulenspiegel großartig, und er übte es mit dem Esel wieder und wieder. Nach einer Woche ging Till zu dem Rektor und sagte: »Wollen Sie bei Gelegenheit einmal mich und meinen Schüler besuchen?«

»Gern«, meinte der Rektor. »Hat er denn schon einiges gelernt?«

»Ein paar Buchstaben kann er bereits«, erklärte Eulenspiegel stolz. »Und das ist ja für einen Esel und für eine Woche Unterricht allerhand.« Schon am Nachmittag kam der Rektor mit den Professoren und Studenten in den Gasthof, und Till führte sie in den Stall. Dann legte er ein Buch in die Krippe. Der Esel, der seit einem Tag kein Futter gekriegt hatte, blätterte hungrig die Seiten des Buches um. Und da Eulenspiegel diesmal überhaupt keinen Hafer ins Buch gelegt hatte, schrie das Tier unaufhörlich und so laut es konnte: »I-a, i-a, i-a!«

»I und A kann er schon, wie Sie hören«, sagte Eulenspiegel. »Morgen beginne ich damit, ihm O und U beizubringen.« Da gingen die Herren wütend fort. Der Rektor ärgerte sich so sehr, dass ihn bald darauf der Schlag traf. Und Till jagte den Esel aus dem Stall. »Scher dich zu den anderen Erfurter Eseln!«, rief er ihm nach. Dann schnürte er sein Bündel und verließ die Stadt noch am selben Tag.