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WIE EULENSPIEGEL DIE SCHNEIDER AUFKLÄRTE

Als er in Rostock war, schickte er in alle Städte und Dörfer Briefe, und in diesen Briefen forderte er alle Schneider Mecklenburgs auf, an einem bestimmten Tag nach Rostock zu kommen. Dort wolle er ihnen eine Kunst beibringen, die ihnen und ihren Kindern von großem Nutzen sein werde. Und richtig, am festgesetzten Tag fanden sich in Rostock Tausende von Schneidern ein. Eulenspiegel führte sie auf eine Wiese vor der Stadt. Sie setzten sich ins Gras, aßen und tranken erst einmal, weil sie einen weiten Weg hinter sich hatten, und dann baten sie Till, seine Rede zu halten und die Kunst zu verraten, die ihnen und ihren Kindern nach seiner Meinung so nützlich sei. »Meine Herren Schneidermeister«, sagte Eulenspiegel darauf, »ich möchte euch mit größtem Nachdruck auf Folgendes hinweisen: Wenn ihr eine Schere, eine Elle, einen Fingerhut, eine Nadel und Zwirn habt, braucht ihr nichts weiter. Und vergesst nie, in den Faden, nachdem ihr ihn eingefädelt habt, einen Knoten zu machen. Sonst gleitet der Zwirn aus der Nadel und ihr macht die Stiche umsonst! Hat jemand noch eine Frage?«

Die mecklenburgischen Schneider sahen einander baff an und machten lange Gesichter. Endlich rief einer von ihnen: »Da hört sich ja alles auf! Deswegen sind wir bis nach Rostock gekommen? Das wissen wir schon seit tausend Jahren!«

»Seit tausend Jahren?«, fragte Till. »Wie alt bist du?«

»Fünfundvierzig Jahre«, antwortete der Schneider.

»Da hast du's«, sagte Till. »Wie kannst du es dann seit tausend Jahren wissen!« Er schaute sich beleidigt um. »Ich habe es gut mit euch gemeint. Aber wenn es euch nicht passt, könnt ihr ja wieder gehen!«

Nun wurden die Schneider ganz wild, und sie wollten ihn verprügeln. Er aber lief in ein Haus, das zwei Eingänge hatte. Zu dem einen lief er hinein und zum anderen hinaus. Sie erwischten ihn nicht, sosehr sie suchten, und waren außer sich vor Wut.

Nur die Schneider, die in Rostock selber wohnten, lachten. »Wir haben gleich gewusst, dass er nichts als einen dummen Spaß vorhatte«, sagten sie. »Wie konntet ihr nur wegen dieses Kerls eine so weite Reise machen! Ihr seid wirklich dumm.«

So gab es zum Schluss noch Verdruss und Prügel zwischen den Schneidern aus Rostock und denen von außerhalb. Nur Eulenspiegel, der daran schuld war, blieb verschwunden.

WIE DER WIND DREI SCHNEIDERGESELLEN FORTWEHTE

In dem Städtchen Brandenburg blieb Till Eulenspiegel vierzehn Tage lang. Und zwar in der Herberge »Zur Heimat«, wo wandernde Handwerksburschen billiges Quartier bekamen. Die Herberge lag am Marktplatz, und im Haus nebenan wohnte ein Schneidermeister. Dieser Schneider hatte drei Gesellen. Die saßen bei schönem Wetter nicht etwa in der Werkstatt drin, sondern draußen vorm Haus auf einem großen Brett, das sie morgens auf vier Pfosten legten, die in der Erde staken. Sie hockten wie die Moslems auf ihrem Brett, mit untergeschlagenen Beinen, und nähten Hosen, Jacken und was es sonst noch zu nähen gab. Wenn Till an ihnen vorbeikam, wurden sie jedes Mal wütend. Denn sie konnten ihn nicht ausstehen. Wahrscheinlich, weil er immer spazieren ging, statt zu arbeiten, und zweitens, weil er stets in seinem Hanswurst-Gewand herumlief, statt bei ihrem Meister einen gut sitzenden Anzug zu bestellen.

Sie machten sich mächtig über ihn lustig, warfen Stoffreste hinter ihm her und streckten ihm sogar die Zunge heraus! Eines Nachts schlich nun Eulenspiegel vor das Haus des Schneiders und sägte heimlich die vier Holzpfosten an. Am nächsten Morgen, es war gerade Markttag und der Platz war voller Menschen, legten die drei ahnungslosen Schneidergesellen das Brett auf die Pfosten, setzten sich in Positur und arbeiteten, dass die Nähnadeln glühten.

Das ging eine Weile ganz gut. Bis der Schweinehirt kam und auf seinem Horn blies! Nun kamen die Schweine aus den Häusern gerannt, natürlich auch die Schweine des Schneidermeisters. Sie rieben sich faul an den Pfosten vorm Haus – und jetzt ging alles blitzschnelclass="underline" Die angesägten Pfosten brachen ab; das Brett stürzte zu Boden; und die drei Gesellen flogen hoch im Bogen auf die Straße, mitten unter die erstaunten Leute! »Hilfe!«, rief jemand aus der Menge. »Der Wind weht drei Schneider fort!«

Ihr wisst selbstverständlich, wer das rief, ja? Die blamierten Schneidergesellen kamen auch dahinter. Sie bekamen eine Mordswut auf Till. Aber solange er in Brandenburg blieb, saßen sie von jetzt ab in der Werkstatt drin statt vorm Haus, schwitzten und dankten schließlich dem Himmel, als Eulenspiegel sein Bündel schnürte und wieder weiterwanderte.

Als er fort war, setzten sie sich sofort wieder vors Haus und sagten großspurig zu den Leuten: »Sein Glück, dass er weg ist, sonst hätten wir ihn bis zur Unkenntlichkeit verprügelt!«

WIE EULENSPIEGEL DIE KÜRSCHNER BETROG

Als er einmal, kurz vor Fastnacht, in Leipzig eintraf, gelang es ihm nicht, auch nur für ein paar Tage bei einem der vielen Leipziger Kürschner Arbeit zu finden. Das lag wohl daran, dass ihnen zur letzten Leipziger Messe ein Kürschner aus Berlin die Ohren voll gejammert hatte. Er hatte erzählt, wie ihm Eulenspiegel seinerzeit ein Dutzend schöner Wolfsfelle, statt sie zu bearbeiten, völlig zerschnipselt und daraus kleine ausgestopfte Wölfe und Teddybären gemacht hatte. Und weil die Leipziger Kürschner keine Lust hatten, sich von Till ihre teuren Pelze verhunzen zu lassen, gaben sie ihm keine Arbeit. Und weil sie ihm keine Arbeit gaben, nahm er sich vor, sie bei nächster Gelegenheit einmal gründlich zu ärgern.

Und diese Gelegenheit bot sich. Eulenspiegel erfuhr zufällig, dass die Kürschner zum Fastnachtstag an ihrem Stammtisch ein Hasenessen planten.

So klaute er in seinem Gasthof die Katze. Das war ein voll gefressenes Prachtexemplar. Dann bat er den Koch um ein Hasenfell. Und oben im Zimmer nähte er die Katze, sosehr sie auch strampelte und kratzte, in das Hasenfell hinein. Dann klebte er sich einen Schnurrbart unter die Nase, zog andere Kleider an und stellte sich, als ob er ein Bauer sei, vors Rathaus.

Als einer der Kürschner, die er kannte, vorbeikam, fragte er den, ob er keinen Hasen kaufen wolle. Der Kürschner dachte an das Fastnachtsessen, bezahlte Till das Tier, nahm es bei den Ohren und brachte es an den Stammtisch, wo die anderen Kürschner saßen und Bier tranken. Er zeigte ihnen den Hasen. Und sie waren von ihrem zappelnden Fastnachtsbraten hell begeistert. Nun hatte aber einer der Kürschner einen Hund. Und sie trugen, nur so zum Spaß, ihren Hasen in den Garten hinaus und hetzten den Hund auf den Hasen.

Doch ehe sie sich's versahen, kletterte der Hase auf einen Baum und schrie kläglich: »Miau! Miau! Miau!«

Nun wurde es ihnen langsam klar, dass sie verkohlt worden waren. Und weil man eine Katze nicht gut als Hasenbraten verzehren kann, bekamen sie eine Mordswut und schworen, den Kerl, der ihnen die Katze angedreht hatte, totzuschlagen. Doch da sich Eulenspiegel, ganz gegen seine Gewohnheit, beim Verkauf der Katze verkleidet gehabt und danach wieder umgezogen hatte, kamen sie ihm nicht auf die Spur. Und Till blieb am Leben und ärgerte die Menschen weiter.

WIE EULENSPIEGEL MILCH AUFKAUFTE

In Bremen rollte er einmal ein riesengroßes Fass auf den Wochenmarkt, stellte es dort auf und kaufte alle Milch, welche die Bäuerinnen aus den Dörfern zur Stadt gebracht hatten. Eine nach der anderen schüttete ihre Milch in das Fass, und Till schrieb mit Kreide draußen an die Fasswand, wie viel Liter Milch ihm jede der Frauen verkauft hatte. Zum Schluss gab es auf dem Markt außer in Tills Fass keinen Tropfen Milch mehr. Die Wände des Fasses waren über und über mit Kreide beschrieben. Und das Fass war bis an den Rand hinauf voller Milch. Es hatten sich viele Leute versammelt, die sich wunderten, was Eulenspiegel wohl mit dieser Unmenge Milch anfangen wolle. Sie sollten sich aber über noch ganz andere Dinge wundern. Denn als das Fass voll war und die Marktfrauen ihr Geld verlangten, sagte Tilclass="underline" »Ich habe gerade kein Geld bei mir. Aber in vierzehn Tagen komme ich wieder nach Bremen. Dann bezahle ich euch alles auf Heller und Pfennig.«