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die Füße auf dem Schreibtisch, und hörte Wauneka mit sehr skeptischem Blick zu.

»Also folgendes«, sagte Wauneka. »Dieser Kerl wird draußen beim Corazon Canyon gefunden, völlig durchgedreht und wirres Zeug plappernd, aber er hat keinen Sonnenbrand, keine Dehydration, absolut keine Expositionssymptome.«

»Dann wurde er ausgesetzt. Seine Familie hat ihn aus dem Auto geworfen.«

»Nein. Keine lebenden Verwandten.« »Okay, dann ist er selber da rausgefahren.« »Die Leute konnten kein Auto entdecken.« »Welche Leute?« »Das Paar, das ihn aufgelesen hat.«

Chavez seufzte. »Sind Sie selber zum Corazon Canyon rausgefahren und haben nach einem Auto gesucht?« Wauneka zögerte. »Nein.«

»Dann haben Sie sich also auf die Aussage dieser Leute verlassen.« »Ja. Schätze schon.«

»Sie schätzen. Das heißt, das Auto könnte noch da draußen sein.« »Vielleicht. Ja.«

»Okay. Was haben Sie als nächstes getan?« »Ich habe seine Firma angerufen, ITC.« »Und was haben die Ihnen gesagt?«

»Daß er Depressionen hatte, weil seine Frau gestorben war.« »Paßt.«

»Ich weiß nicht recht«, erwiderte Wauneka. »Ich habe nämlich in dem Wohnblock angerufen, wo Traub wohnte, und mit dem Verwalter gesprochen. Seine Frau starb vor einem Jahr.«

»Dann ist es also um ihren ersten Todestag herum passiert, richtig? Das ist genau die Zeit, wo so etwas passiert, Jimmy.« »Ich denke, ich sollte da rüberfahren und mit ein paar Leuten von ITC Research reden.«

»Warum? Die Firma ist über vierhundert Kilometer von der Stelle entfernt, wo der Kerl gefunden wurde.« »Ich weiß, aber —«

»Aber was? Wie oft haben wir es mit Touristen zu tun, die draußen in den Reservaten stranden? Drei-, viermal im Jahr? Und in der Hälfte der Fälle sind sie tot, nicht? Oder sterben danach, richtig?« »Ja...«

»Und es passiert immer aus zwei Gründen. Entweder sind es New-Age-Spinner aus Sedona, die hierherkommen, um mit dem Adlergott zu kommunizieren, und dann mit einem kaputten Auto liegenbleiben. Oder es sind Leute mit Depressionen. Das eine oder das andere. Und dieser Kerl hatte Depressionen.« »Angeblich ...«

»Weil seine Frau gestorben war. He, glauben Sie es einfach.«

Carlos seufzte. »Die einen sind deprimiert, die anderen zu euphorisch.« »Aber es gibt schon noch ein paar unbeantwortete Fragen«, sagte

Wauneka. »Wir haben da eine Art Diagramm und einen Keramikchip — «

»Jimmy. Es gibt immer unbeantwortete Fragen.« Chavez sah ihn prüfend an. »Was ist denn los mit Ihnen? Wollen Sie diese hübsche kleine Ärztin beeindrucken?«

»Welche kleine Ärztin?«

»Sie wissen genau, wen ich meine.«

»Verdammt, nein. Für sie ist an der ganzen Sache nichts dran.« »Sie hat recht. Vergessen Sie es.« »Aber —«

»Jimmy.« Carlos Chavez schüttelte den Kopf. »Hören Sie auf mich.

Vergessen Sie die Geschichte.«

»Okay.«

»Ich meine es ernst.«

»Okay«, erwiderte Wauneka. »Ich vergesse es.« Am nächsten Tag stoppte die Polizei in Shiprock eine Gruppe dreizehnjähriger Jungs, die in einem Auto mit Kennzeichen aus New Mexico eine Spritztour machten. Die Zulassung im Handschuhfach lautete auf den Namen Joseph Traub. Die Jungs gaben an, sie hätten das Auto hinter dem Corazon Canyon am Straßenrand gefunden, mit den Schlüsseln noch in der Zündung. Die Jungs hatten getrunken, und im Auto herrschte der reinste Saustall, alles klebte vor verschüttetem Bier. Wauneka machte sich nicht die Mühe, hinzufahren und es sich anzusehen.

Tags darauf rief Father Grogan ihn zurück. »Ich habe für Sie nachgeforscht«, sagte er, »und es gibt kein Kloster Sainte-Mere, auf der ganzen Welt nicht.«

»Okay«, sagte Wauneka. »Vielen Dank. Ich hatte schon so was erwartet. Noch eine Sackgasse.«

»Früher gab es einmal ein Kloster mit diesem Namen in Frankreich, aber das wurde im vierzehnten Jahrhundert niedergebrannt.

Es ist jetzt nur noch eine Ruine. Die allerdings im Augenblick von Archäologen aus Yale und von der Universität von Toulouse ausgegraben wird. Aber ich schätze, das bringt nicht viel.« »Aha ...« Doch dann erinnerte sich Jimmy an etwas, das der alte Mann vor seinem Tod gesagt hatte. Einen der Unsinnsreime. »Yale in Frankreich ist nicht glorreich.« So in der Richtung. »Wo ist das?« fragte er.

»Irgendwo im Südwesten Frankreichs, am Fluß Dordogne.« »Dordogne? Wie schreibt man das?« fragte Wauneka.

DORDOGNE

Der Ruhm der Vergangenheit ist eine Illusion. Ebenso der Ruhm der Gegenwart.

EDWARD JOHNSTON

Der Hubschrauber donnerte durch den dicken grauen Nebel. Diane Kramer, die hinten saß, rutschte unbehaglich auf ihrem Sitz hin und her. Immer wenn der Nebel sich etwas lichtete, sah sie die Baumwipfel des Waldes sehr dicht unter sich. »Müssen wir so tief fliegen?« fragte sie. Andre Marek, der vorne neben dem Piloten saß, lachte. »Machen Sie sich keine Sorgen, es ist völlig sicher.« Allerdings sah Marek nicht so aus, als würde er sich wegen irgendwas Sorgen machen. Er war neunundzwanzig Jahre alt, groß und sehr kräftig, unter seinem T-Shirt zeichneten sich die Muskelstränge ab. Man würde auf jeden Fall nie auf den Gedanken kommen, daß er Dozent für Geschichte in Yale war. Oder der stellvertretende Leiter des Dordogne-Projekts, zu dem sie nun flogen.

»Der Nebel wird sich gleich lichten«, sagte Marek mit einem Anflug seines niederländischen Akzents. Kramer wußte alles über ihn: Nach seinem Studium in Utrecht hatte er sich zu einem jener neuen »experimentellen« Historiker entwickelt, die es sich zum Ziel machten, Teile der Vergangenheit wiederzuerschaffen, sie direkt zu erleben, um sie besser zu verstehen. Marek war ein Fanatiker auf diesem Gebiet; er hatte sich alles über mittelalterliche Kleidung, Sprache und Gewohnheiten beigebracht; angeblich konnte er mit Schwert und Lanze kämpfen. Und wenn sie ihn so ansah, glaubte sie es sogar. Sie sagte: »Es überrascht mich, daß Professor Johnston nicht mit uns gekommen ist.« Kramer hatte eigentlich erwartet, daß Johnston sie persönlich empfangen würde. Sie war schließlich eine Topmanagerin der Firma, die diese Forschung finanzierte. Und das Protokoll verlangte es, daß Johnston selbst ihr das Projekt zeigte. Außerdem hatte sie vorgehabt, ihn bereits im Hubschrauber zu bearbeiten. »Leider hatte Professor Johnston bereits eine Verabredung.« »Ach so?«

»Mit Francois Beilin, dem Staatssekretär für historisches Kulturgut.« »Verstehe.« Kramer fühlte sich gleich besser. Natürlich mußte Johnston sich zuerst mit den Behörden beschäftigen. Das Dordogne-Projekt war völlig abhängig von guten Beziehungen zur französischen Regierung. »Gibt es ein Problem?« fragte sie.

»Ich glaube nicht. Die beiden sind alte Freunde. Ah, jetzt geht's los.«

Der Hubschrauber flog aus dem Nebel in morgendliches Sonnenlicht.

Die steinernen Bauernhäuser warfen lange Schatten.

Als sie eins der Anwesen überflogen, schlugen die Gänse auf dem Hof mit den Flügeln, und eine Frau in einer Schürze drohte ihnen mit der Faust.

»Sie ist nicht gerade erfreut über uns«, sagte Marek und deutete mit seinem dicken, muskulösen Arm nach unten.

Kramer, die hinter ihm saß, setzte ihre Sonnenbrille auf und erwiderte: »Na ja, es ist sechs Uhr morgens. Warum sind wir so früh gestartet?« »Wegen des Lichts«, sagte Mrek. »Frühe Schatten zeigen am besten Konturen, Geländeunebenheiten und so weiter.« Er deutete an seinen Füßen vorbei nach unten. Drei schwere gelbe Gehäuse waren an den Vorderstreben des Hubschraubers befestigt. »Im Augenblick haben wir Stereo-Geländekameras, Infrarot- und UV-Sensoren und Sidescan-Radar dabei.«

Kramer deutete zum Rückfenster hinaus, zu einer knapp zwei Meter langen silbernen Röhre, die unter dem Heck des Hubschraubers hing.