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Stern sagte nichts. Die Simulation lief weiter. Die Schilde füllten sich mit Wasser, was mit einer steigenden horizontalen blauen Linie dargestellt wurde. Über jedem Schild waren zwei große Nummern zu sehen: das Gesamtgewicht des Wassers und der Druck auf das Glas am unteren Rand jedes Schilds, wo er am größten war.

Obwohl die Simulation sehr stilisiert war, bemerkte Stern, daß er den

Atem anhielt. Die Wasserlinie stieg immer höher.

Einer der Behälter begann zu lecken: ein blinkender roter Punkt.

»Einer leckt«, sagte Gordon.

Ein zweiter Tank begann zu lecken, und während das Wasser weiter stieg, zuckte ein Blitz quer über das Schild, und er verschwand vom Bildschirm. »Einer ist geborsten.«

Stern schüttelte den Kopf. »Wie grob ist diese Simulation Ihrer Meinung nach?« »Ziemlich schlampig.«

Auf dem Bildschirm barst ein weiterer Schild. Die restlichen zwei füllten sich ohne Zwischenfall bis zum Rand.

»Nun ja«, sagte Gordon. »Der Computer sagt uns, daß drei von fünf beschädigten Schilden nicht gefüllt werden können.« »Wenn man es glaubt. Tun Sie es?«

»Ich persönlich nicht«, sagte Gordon. »Die Eingabedaten reichen einfach nicht, und der Computer macht alle möglichen Belastungsannahmen, die ziemlich hypothetisch sind. Aber ich denke mir, wir sollten diese Tanks erst im letzten Augenblick füllen.« Stern sagte: »Nur schade, daß es keine Möglichkeit gibt, die Tanks zu verstärken.«

Gordon hob schnell den Kopf. »Was zum Beispiel?« fragte er. »Haben Sie eine Idee?«

»Ich weiß nicht. Vielleicht könnte man die Verätzungen mit Plastik füllen oder einer Art Kitt. Vielleicht könnten wir —« Gordon schüttelte den Kopf. »Was immer Sie tun, es muß homogen sein. Sie müßten das Glas mit etwas überziehen, so daß es eine völlig einheitliche und glatte Oberfläche gibt. Vollkommen einheitlich und glatt.«

»Ich kann mir nicht vorstellen, wie man das machen soll.«

»Nicht in drei Stunden«, sagte Gordon. »Soviel Zeit haben wir nämlich noch.«

Stern setzte sich stirnrunzelnd auf einen Stuhl. Aus irgendeinem Grund dachte er an Rennautos. Eine Folge von Bildern blitzte durch seinen Kopf. Ferraris. Steve McQueen. Formel Eins. Der Michelin-Mann mit seinem Gummiwulstkörper. Das gelbe Shell-Schild. Riesige Lastwagenreifen, die durch den Regen zischten. B. F. Goodrich. Dabei mag ich Autos nicht einmal, dachte er. In New Haven hatte er nur einen uralten VW Käfer. Ganz offensichtlich versuchte sein hektisch arbeitender Verstand, sich vor einer unangenehmen Realität zu drücken — vor etwas, dem er sich nicht stellen wollte. Dem Risiko.

»Dann füllen wir die Schilde also erst im letzten Augenblick und beten?« fragte Stern.

»Genau«, erwiderte Gordon. »Genau das werden wir tun. Es ist ein bißchen haarig. Aber ich glaube, es wird funktionieren.« »Und die Alternative?« fragte Stern.

Gordon schüttelte den Kopf. »Ihre Rückkehr blockieren. Ihre Freunde nicht zurückkommen lassen. Da unten brandneue Schilde aufstellen, Schilde, die keine Fehler haben, und noch mal von vorne anfangen.« »Und das würde wie lange dauern?« »Zwei Wochen.«

»Nein«, sagte Stern. »Das können wir nicht tun. Wir müssen es riskieren.«

»Genau«, sagte Gordon. »Und das werden wir auch.«

Marek und Johnston stiegen die Wendeltreppe hoch. Oben trafen sie de Kere, der auf blasierte Art zufrieden wirkte. Wieder standen sie auf der breiten Mauerkrone von La Roque. Oliver war ebenfalls dort, wütend und mit hochrotem Gesicht marschierte er auf und ab. »Riecht Ihr es?« rief er und deutete hinunter auf die Ebene, wo Arnaut noch immer seine Truppen zusammenzog.

Es war früher Abend, die Sonne war eben untergegangen, und Marek schätzte, daß es etwa sechs Uhr sein mußte. Doch im verlöschenden Licht konnten sie gerade noch erkennen, daß Arnauts Truppen jetzt ein volles Dutzend Trebuchets zusammengebaut und in gestaffelten Reihen aufgestellt hatten. Nach dem Erlebnis mit dem ersten selbstentzündlichen Pfeil hatten sie die Maschinen weiter auseinandergestellt, damit das Feuer nicht von einer auf die andere überspringen konnte.

Hinter den Trebuchets erstreckte sich ein Sammlungsbereich, wo Soldaten um rauchende Feuer kauerten. Und ganz hinten hoben sich Hunderte von Zelten vom dunklen Waldrand ab. Es sieht, dachte Marek, völlig normal aus. Der Beginn einer Belagerung. Er konnte sich nicht vorstellen, worüber Oliver sich so aufregte.

Von den rauchenden Feuern wehte ein charakteristischer brandiger Geruch herüber. Es erinnerte Marek an den Geruch, den Dachdecker verursachten. Und mit gutem Grund, denn es handelte sich um dieselbe Substanz. »Ja, ich rieche es, Mylord«, sagte Johnston. »Es ist Pech.« Johnstons ausdruckslose Miene verriet, daß auch er nicht wußte, worüber Oliver sich so erregte. Bei einer Belagerung war es üblich,

brennendes Pech über die Burgmauern zu schleudern.

»Ja,ja«, sagte Oliver, »natürlich ist es Pech. Aber das ist nicht alles.

Riecht Ihr es nicht? Sie mischen etwas in das Pech hinein.«

Marek schnupperte und dachte, daß Oliver mit ziemlicher Sicherheit recht hatte. Brennendes reines Pech hatte die Tendenz, schnell wieder auszugehen. Deshalb wurde Pech meist mit anderen Stoffen vermischt

— Öl, Werg oder Schwefel —, die seine Brennfähigkeit erhöhten.

»Ja, Mylord«, sagte Johnston, »ich rieche es.«

»Und was ist es?« fragte Oliver mit vorwurfsvollem Ton.

»Ceraunia, wie ich glaube.«

»Auch >Donnerstein< genannt?«

»Ja, Mylord.«

»Benutzen wir diesen Donnerstein auch?« »Nein, Mylord -«, begann Johnston. »Aha! Ich habe es mir fast gedacht.«

Oliver nickte de Kere zu, als wäre ihr Argwohn jetzt bestätigt. Ganz offensichtlich steckte de Kere hinter dieser Geschichte.

»Mylord«, sagte Johnston, »wir brauchen diesen Donnerstein nicht. Wir haben einen besseren Stein. Wir benutzen reinen Schwefel.«

»Aber Schwefel ist nicht dasselbe.« Noch ein Blick zu de Kere.

»Doch, Mylord, das ist es. Der Donnerstein ist pyrite kerdonienne.

Fein gemahlen entsteht daraus Schwefel.«

Oliver schnaubte. Und ging mit finsterem Gesicht auf und ab.

»Und wie kommt es«, sagte er schließlich, »daß Arnaut diesen

Donnerstein hat?«

»Das kann ich nicht sagen«, erwiderte Johnston, »aber der Donnerstein ist unter Soldaten allgemein bekannt. Er wird sogar bei Plinius erwähnt.«

»Ihr weicht mir aus, Magister. Ich rede nicht von Plinius. Ich rede von Arnaut. Der Mann ist ein ungebildetes Schwein. Er hat keine Ahnung von ceraunia oder dem Donnerstein.« »Mylord -«

»Außer er erhält Beistand», sagte Oliver düster. »Wo sind Eure Gehilfen jetzt?« »Meine Gehilfen?«

»Kommt, kommt, Magister, weicht mir nicht weiter aus.« »Einer ist hier«, sagte Johnston und deutete auf Marek. »Soweit ich weiß, ist der zweite tot, und vom dritten habe ich keine Nachricht.« »Und ich glaube«, sagte Oliver, »daß Ihr sehr wohl wißt, wo sie sind. Während wir hier sprechen, arbeiten sie in Arnauts Lager. Und so ist er in den Besitz dieses geheimen Steins gelangt.«

Marek hörte diesem Wortwechsel mit wachsendem Unbehagen zu. Oliver hatte auch in besseren Zeiten nie sonderlich ausgeglichen gewirkt. Und jetzt, so kurz vor dem drohenden Angriff, zeigte er, von de Kere aufgehetzt, alle Anzeichen eines Wahns. Oliver wirkte unberechenbar und gefährlich. »Mylord —«, begann Johnston.

»Und weiter glaube ich, daß Ihr seid, was ich von Anfang an befürchtet habe. Ihr seid eine Kreatur Arnauts, denn Ihr habt drei Tage in Sainte-Mere zugebracht, und auch der Abt ist eine Kreatur Arnauts.« »Mylord, wenn Ihr mich anhören wollt -«

»Das werde ich nicht. Ihr werdet mir zuhören. Ich glaube, daß Ihr gegen mich arbeitet, daß Ihr oder Eure Gehilfen, trotz all Eures Leugnens, den Geheimgang zu meiner Burg kennt, und daß Ihr vorhabt, zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu fliehen — vielleicht sogar heute nacht schon, im Schutz von Arnauts Angriff.«