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Marek bemühte sich, ein ausdrucksloses Gesicht zu zeigen. Natürlich hatten sie genau das vor, falls Kate je den Geheimgang fand.

»Aha!« rief Oliver und deutete auf Marek. »Seht Ihr? Er kneift den

Mund zusammen? Er weiß, daß ich die Wahrheit spreche.«

Marek wollte etwas sagen, aber Johnston legte ihm die Hand auf den

Arm. Auch er sagte nichts, sondern schüttelte nur den Kopf.

»Was? Wollt Ihr ihn von seinem Geständnis abhalten?«

»Nein, Mylord, denn Eure Vermutungen entsprechen nicht der

Wahrheit.«

Oliver marschierte mit wütendem Gesicht auf und ab. »Dann bringt mir die Waffen, die ich zuvor von Euch verlangt habe.« »Mylord, sie sind noch nicht fertig.« »Ha!« Und wieder nickte er de Kere zu.

»Mylord, das Mahlen des Pulvers dauert viele Stunden.«

»In vielen Stunden ist es zu spät.«

»Mylord, es wird rechtzeitig fertig.«

»Ihr lügt, Ihr lügt, Ihr lügt!« Oliver wirbelte herum, stampfte auf und starrte zu den Belagerungsmaschinen hinunter. »Schaut auf die Ebene hinaus. Seht, wie sie sich vorbereiten. Jetzt antwortet mir, Magister. Wo ist er?«

Eine kurze Pause entstand. »Wo ist wer, Mylord?« »Arnaut! Wo ist Arnaut? Seine Truppen sammeln sich zum Angriff. Er führt sie immer an. Aber jetzt ist er nicht dort. Wo ist er?« »Mylord, ich kann Euch nicht sagen...«

»Die Hexe von Eltham ist dort - seht Ihr sie, dort bei den Maschinen? Seht Ihr? Sie beobachtet uns. Dieses verabscheuungswürdige Weib.« Marek drehte sich schnell zur Brüstung, um hinunterzusehen. Claire war wirklich bei den Soldaten, mit Sir Daniel an ihrer Seite ging sie die Reihen der Belagerungsmaschinen ab. Marek spürte sein Herz schneller schlagen, nur weil er sie sah, aber er verstand nicht so recht, was sie dort an vorderster Front zu suchen hatte. Sie schaute die Burgmauer hoch. Und plötzlich blieb sie stehen. Marek war sich beinahe sicher, daß sie ihn gesehen hatte. Am liebsten hätte er gewinkt, was er natürlich nicht tat. Nicht, wenn Oliver wutschnaubend neben ihm stand. Aber er dachte: Ich werde sie vermissen, wenn ich zurückkehre. »Die Lady Claire«, knurrte Oliver, »ist eine Spionin Arnauts und war es von Anfang an. Sie hat Arnauts Männer in die Burg geführt. Und zweifellos alles mit diesem hinterhältigen Abt geplant. Aber wo ist der Schurke selbst? Wo ist das Schwein Arnaut? Er ist nirgends zu sehen.« Ein verlegenes Schweigen entstand. Oliver lächelte grimmig. »Mylord«, sagte Johnston, »ich verstehe Eure Sorg -« »Das tut Ihr nicht!« Er stampfte wieder auf und starrte Marek und Johnston wütend an. Dann sagte er: »Ihr beide. Kommt mit mir.«

Die Oberfläche des Wassers war schwarz und ölig, und es stank bis zu ihnen hinauf, obwohl sie aus zehn Metern Höhe darauf hinunterschauten. Sie standen am Rand einer runden Grube tief im Inneren der Burg. Die Wände um sie herum waren dunkel und feucht und von flackernden Fackeln nur schwach erhellt.

Auf Olivers Signal hin drehte ein Soldat neben der Grube eine eiserne Winde. Rasselnd stieg eine dicke Kette aus den Tiefen des Wassers. »Man nennt dies Miladys Bad«, sagte Oliver. »Es wurde eingerichtet von Francois le Gros, der Geschmack an solchen Dingen hatte. Es heißt, daß Henri de Renaud zehn Jahre hier schmachtete, bevor er starb. Man warf ihm lebende Ratten zu, die er tötete und roh aß. Zehn Jahre lang.«

Das Wasser kräuselte sich, ein schwerer Metallkäfig durchbrach die

Oberfläche und stieg triefend in die Höhe. Die Stangen waren schwarz und schmutzig. Der Gestank war überwältigend.

Mit Blick auf den Käfig sagte Oliver: »In Castelgard habe ich Euch versprochen, Magister, daß ich Euch töten werde, wenn Ihr mich betrügt. Ihr werdet in Miladys Bad baden.«

Er stierte sie mit wildem Blick an.

»Gesteht jetzt.«

»Mylord, es gibt nichts zu gestehen.«

»Dann habt Ihr auch nichts zu befürchten. Aber bedenkt, Magister, wenn ich entdecke, daß Ihr oder Eure Gehilfen den geheimen Eingang zur Burg kennen, werde ich Euch hier einsperren, in diesem Käfig, aus dem Ihr nicht entkommen könnt, nie mehr in Eurem Leben, und ich werde Euch hier in der Dunkelheit verhungern und verfaulen lassen.« De Kere, der mit einer Fackel in der Hand ein wenig abseits stand, gestattete sich ein dünnes Lächeln.

Die Treppe führte steil nach unten in die Dunkelheit. Kate ging mit einer Fackel voran, Chris folgte ihr. Sie gingen durch einen schmalen Gang, der fast ein Tunnel und offensichtlich von Menschenhand geschaffen war, und erreichten dann eine größere Kammer. Es war eine natürliche Höhle. Hoch oben und etwas links von ihnen sahen sie den blassen Schimmer natürlichen Lichts; dort oben mußte ein Höhleneingang sein.

Der Boden fiel immer noch ab. Ein Stückchen weiter vorne erkannten sie einen großen Tümpel schwarzen Wassers und hörten das Rauschen eines Flusses. Es stank in der Höhle, ein süßsaurer Geruch, wie Urin. Sie kletterten über Felsbrocken, bis sie den schwarzen Tümpel erreichten. Am Wasserrand befand sich ein schmaler Sandstreifen. Und in dem Sand sahen sie einen Fußabdruck. Mehrere Fußabdrücke. »Nicht frisch«, sagte Chris.

»Wo ist der Pfad?« fragte Kate. Ihre Stimme hallte. Dann sah sie ihn, ein Stückchen weiter links, einen Felsvorsprung, der so bebauen worden war, daß man auf ihm um den Tümpel herumgehen konnte. Sie ging darauf zu.

Höhlen machten ihr nichts aus. Mit ihren Kletterkameraden hatte sie in Colorado und New Mexico einige erforscht. Kate folgte dem Pfad und sah hier und dort Fußabdrücke und helle Spuren im Fels, die Kratzer von Waffen sein konnten.

»Weißt du«, sagte sie, »diese Höhle kann nicht allzu lang sein, wenn man sie dazu benutzt hat, während einer Belagerung Wasser in die Festung zu transportieren.« »Das haben sie nicht getan«, sagte Chris. »Die Burg hat eine andere Wasserversorgung. Hier wurden eher Nahrungsmittel und andere Güter transportiert.«

»Trotzdem. Wie weit konnten sie gehen?«

»Im vierzehnten Jahrhundert«, sagte Chris, »machte es den Bauern nichts aus, dreißig Kilometer oder manchmal sogar noch mehr zu gehen. Sogar Pilger gingen bis zu zwanzig Kilometer am Tag, und zu diesen Gruppen gehörten Frauen und alte Leute.« »Oh«, sagte sie.

»Dieser Gang könnte zwanzig Kilometer lang sein«, sagte er. Und fügte dann hinzu: »Aber ich hoffe, er ist es nicht.«

Nachdem sie den Felsvorsprung hinter sich gelassen hatten, sahen sie einen in den Fels gehauenen Gang, der von dem dunklen See wegführte.

Der Gang war etwa einen Meter fünfzig hoch und einen Meter breit.

Aber am Rand des Tümpels lag ein hölzerner Kahn vertäut. Ein kleiner

Kahn, wie ein Ruderkahn. Er stieß leise gegen die Felsen.

Kate drehte sich zu Chris um. »Was meinst du? Gehen oder den Kahn nehmen?«

»Den Kahn nehmen«, antwortete Chris.

Sie stiegen ein. Im Kahn lagen Ruder. Kate hielt die Fackel, und er ruderte. Da es eine Strömung gab, kamen sie erstaunlich schnell vorwärts. Sie befanden sich jetzt auf dem unterirdischen Fluß. Kate machte sich Sorgen wegen der Zeit. Sie nahm an, daß ihnen etwa noch zwei Stunden blieben. Das bedeutete, daß sie in die Burg gelangen, sich mit Marek und dem Professor wiedervereinigen und sich dann einen freien Platz suchen mußten, wo sie die Maschine rufen konnten - und das alles in zwei Stunden.

Sie war froh um die Strömung, um die Geschwindigkeit, mit der sie tiefer in die Höhle glitten. Die Fackel in ihrer Hand zischte und knisterte. Dann hörte sie ein Rascheln, als würde Wind in Papier fahren. Das Geräusch wurde lauter. Sie hörten ein Quieken, wie von Mäusen.

Es kam von irgendwo tief in der Höhle. Sie schaute Chris fragend an.

»Es ist Abend«, sagte er, und dann sah Kate sie - zuerst nur ein paar, dann eine nebelhafte Wolke und schließlich ein Sturzbach aus Fledermäusen, die aus der Höhle flatterten, ein brauner Fluß in der Luft über ihrem Boot. Sie spürte den Luftzug von Hunderten von flatternden Flügeln.