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De Kere sah entsetzt an sich herab. Chris spuckte noch einmal. Und noch einmal.

Das Knistern wurde lauter. Die ersten Funken sprühten. Jeden Augenblick würde de Kere in Flammen ausbrechen. Hektisch versuchte er, die Paste mit den Fingern wegzuwischen, verteilte sie aber nur; jetzt knisterte und zischte es auch an seinen Fingerspitzen, wegen der Feuchtigkeit seiner Haut. »Jetzt paß du mal auf, Kumpel«, sagte Chris.

Er rannte auf die Tür zu. Hinter sich hörte er ein Krachen, als de Kere in Flammen ausbrach. Chris schaute sich um und sah, daß der ganze Oberkörper des Ritters lichterloh brannte. De Kere starrte ihn durch die Flammen hindurch an.

Und Chris rannte weiter. Er rannte, so schnell er konnte. Nur weg von der Munitionskammer.

Am mittleren Tor sahen die anderen ihn auf sie zurennen. Er winkte. Sie verstanden nicht, warum. Sie standen in der Mitte des Tors und warteten auf ihn.

Er schrie: »Weg, weg«, und bedeutete ihnen, um die Ecke zu verschwinden. In diesem Augenblick sah Marek, daß aus den Fenstern der Munitionskammer Flammen loderten.

»Los!« rief er und schob die anderen durch das Tor und in den nächsten Hof.

Chris kam durch das Tor gerannt, und Marek packte ihn am Arm und zog ihn genau in dem Augenblick in Deckung, als die Munitionskammer explodierte. Ein riesiger Feuerball wuchs über die Mauer, der ganze Hof war in feuriges Licht getaucht. Soldaten, Zelte und Pferde wurden von der Druckwelle zu Boden geschleudert. Überall war Rauch und Verwirrung.

»Vergeßt die Brustwehr«, sagte der Professor. »Los geht's!« Und sie rannten über den Hof. Direkt vor sich sahen sie das letzte Tor.

Geschrei und Jubel erfüllte den Kontrollraum. Kramer hüpfte auf und ab. Gordon klopfte Stern auf die Schulter. Der Monitor zeigte wieder Feldfluktuationen. Deutlich und kräftig. »Sie kommen heim!« schrie Kramer.

Stern schaute zu den Videobildschirmen, die die Tanks im

Transitbereich zeigten. Die Techniker hatten bereits die meisten mit

Wasser gefüllt, und die Schilde hielten. Bei den restlichen näherte sich der Wasserstand schon dem oberen Rand.

»Wieviel Zeit noch?« fragte er.

»Zwei Minuten zwanzig.«

»Wie lange, bis die Tanks voll sind?«

»Zwei Minuten zehn.«

Stern biß sich auf die Lippen. »Schaffen wir es?« »Und wie wir das schaffen«, sagte Gordon.

Stern wandte sich wieder den Feldfluktuationen zu. Sie wurden stärker und deutlicher, die Falschfarben schimmerten auf den Zacken. Der eben noch instabile Berggipfel wurde stabil, nahm Gestalt an. »Wie viele kommen zurück?« fragte er. Aber er kannte die Antwort bereits, weil der Berg sich in drei verschiedene Gipfel teilte.

»Drei«, sagte der Techniker. »Sieht aus, als würden drei zurückkommen.«

Das äußere Tor war geschlossen, das schwere Fallgitter herabgelassen und die Zugbrücke hochgezogen. Fünf Wachen lagen tot auf dem Boden, und Marek konnte das Gitter gerade so weit anheben, daß die anderen hindurchkrabbeln konnten. Aber die Zugbrücke blieb hochgezogen. »Wie kriegen wir die auf?« fragte Chris.

Marek sah sich die Ketten an, die im Wachhaus verschwanden. »Von da oben«, sagte Marek und deutete hinauf zum Obergeschoß, wo ein

Windenmechanismus zu erkennen war.

»Ihr bleibt hier«, sagte Marek. »Ich mache das.«

»Aber komm gleich zurück«, sagte Kate.

»Keine Angst. Das mach ich ganz bestimmt.«

Er humpelte eine Wendeltreppe hoch und kam in einen schmalen, kahlen Raum, der ganz von dem Windenmechanismus der Zugbrücke beherrscht wurde. Hier sah er einen alten, weißhaarigen Mann, der, zitternd vor Angst, eine Eisenstange festhielt, die zwischen den Gliedern der Kette steckte. Die Stange hielt die Brücke geschlossen. Marek stieß den alten Mann beiseite und zog die Stange aus der Kette. Die Kette rasselte und die Zugbrücke senkte sich. Marek sah zu, wie sie nach unten sackte. Dann schaute er auf seinen Timer und stellte erschrocken fest, daß er 00:01:19 meldete. »Andre.« Er hörte Chris in seinem Ohrstöpsel. »Komm endlich.« »Bin schon unterwegs.«

Marek wandte sich zum Gehen. Plötzlich hörte er schnelle Schritte. Es waren Soldaten, die über das Dach des Wachhauses liefen und jetzt herunterkamen, um nachzusehen, warum die Zug-brücke geöffnet wurde. Wenn er den Raum jetzt verließ, würden sie die Zugbrücke sofort wieder anhalten.

Marek wußte, was das bedeutete. Daß er noch bleiben mußte.

Unten sah Chris zu, wie die Zugbrücke sich mit rasselnden Ketten senkte. Durch die Öffnung konnte er dunklen Himmel und Sterne sehen.

»Andre, komm«, sagte er.

»Hier sind Soldaten.«

»Na und?«

»Ich muß die Kette bewachen.« »Was soll das heißen?« fragte Chris.

Marek antwortete nicht. Chris hörte ein Ächzen und einen Schmerzensschrei. Marek war dort oben und kämpfte. Chris sah zu, wie die Zugbrücke sich weiter senkte. Dann schaute er den Professor an. Aber dessen Gesicht war ausdruckslos.

Marek stellte sich neben die Treppe, die vom Dach herunterführte, und hob sein Schwert. Als der erste Soldat herunterkam, tötete er ihn. Er tötete auch den zweiten und stieß die Leichen im Fallen mit dem Fuß beiseite, damit der Boden frei blieb. Die anderen Soldaten blieben verwirrt auf der Treppe stehen, und er hörte bestürztes Murmeln. Die Ketten rasselten noch. Die Zugbrücke öffnete sich weiter. »Andre. Komm endlich.«

Marek sah auf den Timer. 00:01:04. Nur noch wenig mehr als eine Minute. Als er zum Fenster hinausschaute, sah er, daß die anderen nicht warteten, bis die Zugbrücke ganz unten war; sie liefen zur noch immer sinkenden äußeren Kante und sprangen von dort auf die Wiese vor dem Schloß. Jetzt konnte er sie in der Dunkelheit kaum mehr sehen. »Andre.« Es war wieder Chris. »Andre.«

Noch ein Soldat kam die Treppe herunter, und Marek schwang sein Schwert, das funkensprühend gegen die Winde klirrte. Mit einem Aufschrei wich der Mann zurück und stieß dabei gegen die anderen. »Andre, lauf«, sagte Chris. »Du hast noch Zeit.« Marek wußte, daß das stimmte. Er konnte es gerade noch schaf-fen. Wenn er jetzt losrannte, konnten die Männer die Zugbrücke nicht mehr hochziehen, bevor er darübergerannt und zu den anderen auf die Wiese gesprungen war. Er wußte, daß sie da draußen auf ihn warteten. Seine Freunde. Die nach Hause wollten.

Als er sich zur Treppe umdrehte, die nach unten führte, fiel sein Blick auf den alten Mann, der noch immer in der Ecke kauerte. Marek fragte sich, wie es wohl war, das gesamte Leben in dieser Welt zu verbringen.

Zu lieben und zu leben, in permanenter Anspannung, immer in Gefahr,

mit Krankheit und Hunger und Tod und Metzeleien. Lebendig zu sein in dieser Welt.

»Andre, kommst du?«

»Keine Zeit mehr«, sagte Marek.

»Andre.«

Er schaute hinaus auf die Ebene und sah schnell aufeinanderfolgende Lichtblitze. Sie riefen die Maschinen. Machten sich bereit für die Heimreise.

Die Maschinen waren da. Sie standen alle in ihren Käfigen. Kalter Rauch wehte aus den Sockeln, kräuselte sich über dem dunklen Gras. Kate sagte: »Andre, komm.«

Ein kurzes Schweigen. Und dann sagte Marek: »Ich komme nicht mit. Ich bleibe hier.«

»Andre. Du kannst nicht mehr klar denken.«

»Doch, das kann ich.«

»Meinst du das ernst?« fragte Kate.

Und dann sah sie den Professor an. Er nickte nur bedächtig.

»Sein ganzes Leben lang wollte er genau das.«

Chris steckte den Keramikmarker in den Schlitz zu seinen Füßen.

Marek schaute vom Fenster des Wachhauses aus zu. .»He, Andre.« Es war Chris. »Mach's gut, Chris.« »Paß auf dich auf.«

»Andre.« Kate. »Ich weiß nicht, was ich sagen soll.« »Leb wohl,

Kate.«

Dann hörte er den Professor sagen: »Leb wohl, Andre.« »Leb wohl«, sagte Marek.