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»Es ist ein Teil der Mauer. Gebogen.« »Was sagst du da?«

»Ich glaube, ich stehe am Fuß von etwas, das früher mal ein runder Turm war, Chris.«

»Im Ernst?« fragte Chris. Woher hatte Kramer das wissen können? »Schau im Computer nach«, sagte der Professor. »Prüf nach, ob wir irgendwelche Hubschrauberbilder haben - Infrarot oder Radar -, die einen Turm zeigen. Vielleicht ist er schon irgendwo aufgezeichnet, und wir haben ihn nur übersehen.«

»Am ehesten auf Infrarotaufnahmen vom späten Nachmittag«, sagte Stern. Er saß auf einem Stuhl und drückte sich einen Eisbeutel aufs Knie.

»Warum vom späten Nachmittag?«

»Weil dieser Kalkstein Wärme speichert. Das ist der Grund, warum es den Höhlenmenschen hier so gefallen hat. Sogar im Winter war es in einer Kalksteinhöhle hier im Perigord um fünf Grad wärmer als draußen.«

»Und am Nachmittag...«

»Speichert die Mauer die Wärme, während der Wald sich abkühlt. Und zeichnet sich deshalb auf Infrarot ab.« »Auch wenn sie verschüttet ist?« Stern zuckte die Achseln.

Chris setzte sich an den Computer und tippte auf die Tastatur. Ein leises Piepsen kam aus dem Computer. Und plötzlich wechselte das Bild.

»Ups. Wir sind in E-Mail.«

Chris klickte die Mailbox an. Es gab nur eine Nachricht, aber das Herunterladen dauerte ziemlich lange. »Was ist das?«

»Ich schätze, die Mail von diesem Wauneka«, erwiderte Stern. »Ich habe ihm gesagt, er soll eine Graphik in ziemlich hoher Auflösung schicken. Er hat sie wahrscheinlich nicht komprimiert.«

Dann tauchte das Bild auf dem Monitor auf: eine Ansammlung von Punkten in einem geometrischen Muster. Sie erkannten es sofort. Es war eindeutig das Kloster von Sainte-Mere. Ihre Anlage.

Detailgenauer als ihre eigenen Karten.

Johnston betrachtete die Graphik. Er trommelte mit den Fingern auf die Tischplatte. »Es ist komisch«, sagte er schließlich, »daß Bellin und Kramer zufällig am selben Tag hier auftauchen.«

Die Doktoranden sahen einander an. »Was ist komisch daran?« fragte Chris.

»Bellin hat nicht mal gefragt, ob er sie kennenlernen kann. Und sonst will er Sponsoren doch immer kennenlernen.«

Chris zuckte die Achseln. »Er schien es sehr eilig zu haben.«

»Ja. Genau so hat es ausgesehen.« Er wandte sich an Stern. »Druck es auf jeden Fall aus«, sagte er. »Mal sehen, was unsere Architektin dazu zu sagen hat.«

Katherine Erickson — aschblond, blauäugig und sonnengebräunt — hing in fünfzehn Meter Höhe, das Gesicht nur Zentimeter von der beschädigten gotischen Decke der Kapelle von Castelgard entfernt. Sie hing rücklings in einem Haltegeschirr und machte sich seelenruhig Notizen über den Zustand der Konstruktion knapp über ihr. Erickson war der Neuling unter den Doktoranden, sie war erst wenige Monate zuvor zu dem Projekt gestoßen. Ursprünglich war sie nach Yale gegangen, um Architektur zu studieren, hatte aber bald gemerkt, daß ihr das Fach nicht zusagte, und war deshalb in die historische Fakultät gewechselt. Dort hatte Johnston sie entdeckt und sie zum Mitmachen überredet, so wie er alle anderen überredet hatte: »Warum legen Sie diese alten Bücher nicht beiseite und betreiben ein bißchen echte Geschichte. Geschichte zum Anfassen?«

Zum Anfassen war es ja — allerdings hier in luftiger Höhe. Wobei Kate das nichts ausmachte. Sie war in Colorado aufgewachsen und eine begeisterte Kletterin. Jeden Sonntag verbrachte sie in den Felshängen der Dordogne. Hier kletterte kaum jemand, was großartig war: Zu Hause in den USA mußte man an einer guten Wand Schlange stehen.

Mit ihrem Pickel schlug sie Mörtelproben von verschiedenen Stellen ab, die später einer spektroskopischen Analyse unterzogen wurden. Jedes Fragment steckte sie in einen der kleinen Plastikbehälter, die aussahen wie Filmdöschen und in einem Gurt steckten, den sie wie einen Patronengurt um Schulter und Brust trug.

Sie beschriftete eben die Döschen, als sie eine Stimme hörte: »Wie kommst du von da oben runter? Ich will dir was zeigen.« Sie schaute über die Schulter, sah unten am Boden Johnston. »Ganz einfach«, sagte sie. Kate löste die Leinen, glitt behende zu Boden und landete leichtfüßig. Sie schob sich eine blonde Haarsträhne aus dem Gesicht. Kate Erickson war kein hübsches Mädchen - wie ihre Mutter, am College eine Schönheitskönigin, ihr oft genug gesagt hatte -, aber sie hatte ein frisches, typisch amerikanisches Aussehen, das viele Männer attraktiv fanden.

»Ich glaube, du kletterst auf alles rauf«, sagte Johnston.

Sie löste sich aus ihrem Haltegeschirr. »Anders kommt man an diese Daten nicht ran.«

»Wenn du meinst.«

»Ernsthaft«, sagte sie. »Wenn du eine Architekturgeschichte dieser Kapelle willst, dann muß ich da hoch und Mörtelproben nehmen. Weil diese Decke nämlich viele Male neu aufgebaut wurde -entweder weil sie schlecht konstruiert war und immer wieder einstürzte, oder weil sie in Kriegen zerstört wurde, durch Belagerungsmaschinen.« »Bestimmt bei Belagerungen«, erwiderte Johnston. »Ich bin mir da nicht so sicher«, sagte Kate. »Die Hauptgebäude der Burg - die große Halle, die inneren Gemächer — sind solide, aber einige der äußeren Mauern sind nicht gut konstruiert. Teilweise sieht es so aus, als wären Mauern nachträglich hinzugefügt worden, um Geheimgänge zu schaffen. Diese Burg hat einige. Es gibt sogar einen, der in die Küche führt. Wer diese Veränderungen gemacht hat, muß ziemlich paranoid gewesen sein. Und vielleicht wurden sie zu schnell ausgeführt.» Sie wischte sich die Hände an ihren Shorts ab. »Und, was willst du mir zeigen?«

Johnston gab ihr ein Blatt Papier. Es war ein Computerausdruck, eine Ansammlung von Punkten in einem geometrischen Muster. »Was ist das?« fragte sie.

»Sag's du mir.«

»Sieht aus wie Sainte-Mere.«

»Wirklich?«

»Ich würde sagen, ja. Aber das Komische ist...«

Sie verließ die Kapelle und sah hinunter zu der Klosterausgrabung, die etwa anderthalb Kilometer entfernt im Flachland lag.

»Hm ...«

»Was ist?«

»Auf dieser Skizze sind Sachen eingezeichnet, die wir überhaupt noch nicht entdeckt haben«, sagte sie. »Eine Apsiden-Kapelle neben der Kirche, ein zweiter Kreuzgang im nordöstlichen Quadranten und... das sieht aus wie ein Garten innerhalb der Klostermauer... woher stammt denn das überhaupt?«

Das Restaurant in Marqueyssac stand am Rand des Plateaus und bot einen Ausblick über das gesamte Tal der Dordogne. Als Kramer den Kopf hob, sah sie überrascht, daß der Professor mit Marek und Chris an ihren Tisch kam. Sie runzelte die Stirn. Eigentlich hatte sie erwartet, nur mit Johnston zu essen. Sie saß an einem Tisch für zwei. Alle setzten sich, nachdem Marek zwei Stühle von einem Nebentisch geholt hatte. Der Professor beugte sich vor und sah sie eindringlich an. »Ms. Kramer«, sagte er. »Woher wußten Sie, wo das Refektorium liegt?«

»Das Refektorium?« Sie zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Stand das nicht in Ihrem Wochenbericht? Nein? Dann hat es Dr. Marek vielleicht erwähnt.« Sie musterte die ernsten Gesichter, die sie anstarrten. »Meine Herren, Klöster sind nicht gerade mein Spezialgebiet. Ich muß es irgendwo aufgeschnappt haben.« »Und der Turm im Wald?«

»Wahrscheinlich aus einem der Lagepläne. Oder den alten Fotos.« »Wir haben es nachgeprüft. Da ist er nirgendwo drauf.«

Der Professor schob ihr eine Skizze über den Tisch zu. »Und warum hat ein ITC-Angestellter namens Joseph Traub eine Zeichnung des

Klosters, die vollständiger ist als unsere?«

»Ich weiß es nicht... Woher haben Sie das?«

»Von einem Polizisten in Gallup, New Mexico, der dieselben Fragen stellt, die ich jetzt stelle.«

Sie sagte nichts. Starrte ihn nur an.

»Ms. Kramer«, sagte er schließlich. »Ich denke, Sie verschweigen uns etwas. Ich glaube, Sie haben hinter unserem Rücken eigene Analysen angestellt und sagen uns nicht, was Sie gefunden haben. Und ich glaube, der Grund dafür ist, daß Sie und Bellin in Verhandlungen über die Nutzung dieses ganzen Komplexes stehen für den Fall, daß ich mich als nicht kooperativ erweise. Und die französische Regierung wäre überglücklich, wenn sie endlich die Amerikaner von einer ihrer historischen Stätten verjagen könnte.«