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Er seufzte und stieg auf die Bremse. »Okay, ich dreh ja schon um. Ich dreh um.«

Vorsichtig, um nicht in dem roten Sand am Straßenrand steckenzubleiben, wendete er das Auto und fuhr den Weg zurück, den sie gekommen waren. »O mein Gott.«

Baker hielt am Straßenrand an und sprang hinaus in die Staubwolke, die sein Auto aufgewirbelt hatte. Die sengende Hitze auf Gesicht und Körper nahm ihm fast den Atem. Mindestens fünfzig Grad, dachte er.

Als der Staub sich lichtete, sah er den Mann am Straßenrand liegen; er versuchte gerade, sich auf den Ellbogen aufzustützen. Er war tatterig, um die Siebzig, mit schütteren Haaren und einem Vollbart. Seme Haut war blaß, er sah nicht aus wie ein Navajo. Er trug eine lange braune Kutte. Vielleicht ein Priester, dachte Baker.

»Sind Sie in Ordnung?« fragte Baker und half dem Mann, sich am Straßenrand aufzusetzen.

Der alte Mann hustete. »Ja. Alles in Ordnung.«

»Wollen Sie aufstehen?« fragte Baker. Er war erleichtert, daß er nirgendwo Blut sah.

»Gleich.«

Baker sah sich um. »Wo ist Ihr Auto?« fragte er.

Der Mann hustete noch einmal. Mit hängendem Kopf starrte er in den Straßenstaub.

»Dan, ich glaube, er ist verletzt«, sagte seine Frau. »Ja«, sagte Baker. Der Alte machte zumindest einen sehr verwirrten Eindruck. Baker sah sich noch einmal um, aber da war nichts als flache Wüste, die sich im flirrenden Dunst in alle Richtungen erstreckte. Kein Auto. Nichts.

»Wie ist er hierhergekommen?« fragte Baker.

»Komm«,sagte Liz, »wir müssen ihn in ein Krankenhaus bringen.«

Baker schob die Hände unter die Achseln des alten Mannes und half ihm auf die Füße. Die Kleidung des Mannes war dick und bestand aus einem filzähnlichen Material, aber trotz der Hitze schien er nicht zu schwitzen. Sein Körper fühlte sich kühl, beinahe kalt an.

Der Alte stützte sich schwer auf Baker, als sie die Straße überquerten.

Liz öffnete die hintere Tür. Der alte Mann sagte: »Ich kann gehen. Ich kann sehen.«

»Okay. Gut.« Baker schob ihn auf den Rücksitz. Der Mann legte sich auf das Leder und rollte sich wie ein Baby im Mutterleib zusammen. Unter seiner Kutte trug er gewöhnliche Kleidung: Jeans, ein kariertes Hemd, Nikes. Baker schloß die Tür, und Liz setzte sich wieder auf den Beifahrersitz. Er zögerte noch und blieb draußen in der Hitze stehen. Wie war es möglich, daß dieser alte Kerl sich ganz alleine hier draußen herumtrieb? Und daß er in all diesen Kleidungsstücken nicht schwitzte?

Es war, als wäre er eben aus einem klimatisierten Auto ausgestiegen. Vielleicht ist der doch gefahren, dachte Baker. Vielleicht ist er eingeschlafen. Vielleicht ist sein Auto von der Straße abgekommen und er hatte einen Unfall. Vielleicht saß noch jemand in dem Auto und konnte nicht raus.

Er hörte den Alten murmeln: »Nicht zerrinnen, muß es gewinnen. Geh zurück und hol's mit Glück.«

Baker überquerte die Straße, um sich noch einmal umzusehen. Dabei stieg er über ein sehr großes Schlagloch und überlegte, ob er es seiner Frau zeigen sollte, entschied sich dann aber dagegen. Neben der Straße waren nirgendwo Reifenspuren zu entdecken, aber im Sand sah er deutlich die Fußabdrücke des alten Mannes. Sie führten von der Wüste zur Straße. In etwa dreißig Metern Entfernung sah Baker den Rand eines arroyo, einer Felsspalte in der Landschaft. Die Spuren schienen von dort zu kommen.

Er folgte den Spuren, stand dann am Rand der Senke und schaute hinunter. Kein Auto. Nichts außer einer Schlange, die zwischen den Felsen davonglitt. Er schüttelte sich.

Etwas Weißes stach ihm ins Auge, das ein Stück unterhalb der Felskante in der Sonne funkelte. Baker kletterte hinunter, um es sich genauer anzusehen. Es war ein weißes Keramikquadrat von gut zwei Zentimetern Kantenlänge. Es sah aus wie ein Isolator. Baker hob es auf und stellte überrascht fest, daß es sich kalt anfühlte. Vielleicht bestand es aus einem dieser neuen Materialien, die Hitze nicht absorbieren. Als er das Stück Keramik genauer untersuchte, entdeckte er in einer Ecke die eingeprägten Buchstaben ITC. Und am Rand befand sich eine Art Knopf. Baker fragte sich, was passieren würde, wenn er ihn drückte. Und dann, mitten in der glühendheißen Wüste, umgeben von riesigen Felsen, drückte er ihn. Nichts passierte.

Er drückte noch einmal. Wieder nichts.

Baker kletterte den Abhang wieder hinauf und ging zum Auto zurück. Der alte Mann schlief und schnarchte. Liz studierte die Karte. »Die nächste größere Stadt ist Gallup.« Baker ließ den Motor an. »Dann auf nach Gallup.«

Auf der Hauptstrecke, die in südlicher Richtung nach Gallup führte, kamen sie besser voran. Der alte Mann schlief immer noch. Liz drehte sich zu ihm um und sagte: »Dan...« »Was ist?«

»Siehst du seine Hände?« »Was ist damit?« »Die Fingerspitzen.«

Baker nahm den Blick von der Straße und schaute schnell in den Rückspiegel. Die Fingerspitzen des Alten war rot bis zum zweiten Knöchel. »Und? Hat er eben einen Sonnenbrand.« »Nur an den Fingerspitzen? Warum nicht an der ganzen Hand?« Baker zuckte die Achseln.

»Vorher waren seine Finger noch nicht so«, sagte sie. »Als wir ihn aufgelesen haben, waren sie noch nicht rot.«

»Liebling, du hast es wahrscheinlich einfach nicht bemerkt.«

»Ich hab es bemerkt, weil er nämlich manikürte Finger hat. Und ich mir dachte, interessant, daß so ein alter Kerl mitten in der Wüste manikürte Finger hat.«

»Aha.« Baker sah auf die Uhr. Er fragte sich, wie lange sie in dem Krankenhaus in Gallup würden bleiben müssen. Wahrscheinlich Stunden. Er seufzte.

Die Straße verlief stur geradeaus.

Auf halbem Weg nach Gallup wachte der Alte auf. Er hustete und sagte: »Sind wir hier? Wo sind wir?« »Wie geht's?«

»Wie's geht? Es steht. Gut, ganz gut.« »Wie heißen Sie?« fragte Liz.

Der Mann blinzelte sie verständnislos an. »Der Quondam-Raum macht mich schaun.«

»Aber wie heißen Sie?«

»Name ist Rauch, Schuld auch«, erwiderte der alte Mann.

»Er reimt alles«, bemerkte Baker.

»Das ist mir auch schon aufgefallen, Dan.«

»Ich habe da mal eine Sendung drüber gesehen«, sagte Baker. »Reimen bedeutet, daß er schizophren ist.«

»Reimen ist Timen«, sagte der alte Mann. Und dann fing er an laut zu singen, fast schreiend krächzte er zur Melodie des alten John-DenverSongs Take me Home, Country Road:

»Quondam-Raum macht mich schaun Wohin ich gehör, Black Rock, tief im Bergstock, Quondam-Raum macht dich schaun.« »O Mann«, sagte Baker.

»Sir?« fragte Liz noch. »Können Sie mir sagen, wie Sie heißen?« »Niobium wirkt nicht wie Opium. Haarige Singularitäten gestatten keine Paritäten.«

Baker seufzte. »Liebling, der Kerl hat 'ne Meise.« »Amsel, Drossel, Fink und Star. Auch die Meisen sind schon da.« Aber seine Frau ließ sich nicht abbringen. »Sir? Wissen Sie, wie Sie heißen?«

»Ruf Gordon«, erwiderte der alte Mann, jetzt wieder schreiend. »Ruf Gordon, ruf Stanley. Bleib in der Familie.«

»Liz«, sagte Baker. »Laß ihn in Frieden, okay? Er soll sich erst einmal beruhigen. Wir haben noch eine lange Fahrt vor uns.« Krächzend sang der alte Mann: »Wohin ich gehör, Hexerei ist Schweinerei, Land-Schaum macht mir Grau'n.« Und fing gleich wieder von vorne an.

»Wie weit noch?« fragte Liz. »Frag lieber nicht.«

Baker hatte vorher angerufen, und deshalb warteten bereits Sanitäter mit einer Rollbahre auf sie, als der Mercedes unter dem rot- und cremefarbenen Säulengang vor der Unfallstation des McKinley Hospital anhielt. Der alte Mann verhielt sich ruhig, als sie ihn auf die Bahre hoben, doch als sie ihn festschnallen wollten, wehrte er sich und rief: »Entfesselt mich, erlöset mich!«

»Es ist nur zu Ihrer eigenen Sicherheit, Sir«, sagte einer der Sanitäter. »Das sagt Ihr, geht weg von mir! Sicherheit ist die letzte Zuflucht des Halunken!«