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Baker war beeindruckt von der Art, wie die Sanitäter den Kerl behandelten, mit sanften und doch festen Bewegungen schnallten sie ihn fest. Und ähnlich beeindruckt war er von der zierlichen dunkelhaarigen Frau in einem weißen Mantel, die nun zu ihnen stieß. »Ich bin Beverly Tsosie«, sagte sie und gab ihnen die Hand. »Ich bin die diensthabende Arztin.« Sie war sehr ruhig, obwohl der Mann auf der Bahre nicht aufhörte zu schreien, während er in die Unfallstation geschoben wurde. »Quondam-Raum macht mich schaun...«

Jeder im Wartezimmer sah ihn an. Baker bemerkte einen zehn-oder elfjährigen Jungen, der, den Arm in einer Schlinge, neben seiner Mutter auf einem Stuhl saß und den Alten neugierig anstarrte. Der Junge flüsterte seiner Mutter etwas zu. Der Alte sang: »Wohiiin ich gehöööör... «

Dr. Tsosie fragte: »Wie lange ist er schon so?« »Von Anfang an. Seit wir ihn gefunden haben.« »Außer wenn er schlief«, ergänzte Liz. »War er je bewußtlos?« »Nein.«

»Übelkeit, Erbrechen?« »Nein.«

»Und wo haben Sie ihn gefunden? Hinter dem Corazon Canyon?« »Zehn oder fünfzehn Kilometer dahinter.« »Da draußen ist nicht viel.« »Sie kennen die Gegend.«

»Ich bin dort aufgewachsen.« Sie lächelte dünn. »Chinle.« Sie schob den noch immer schreienden alten Mann durch eine Pendeltür. »Wenn Sie bitte hier warten«, sagte Doktor Tsosie. »Ich komme dann zu Ihnen, sobald ich mehr weiß. Wird wahrscheinlich eine Weile dauern. Vielleicht wollen Sie etwas zu Mittag essen.« Eigentlich war Beverly Tsosie Ärztin am University Hospital in Al-buquerque, aber in letzter Zeit kam sie zwei Tage pro Woche nach Gallup, um ihrer Großmutter zu helfen, und an diesen Tagen arbeitete sie jeweils eine Schicht in der Unfallstation des McKinley, um sich etwas dazuzuverdienen. Sie mochte das McKinley, die modernen Gebäude mit den kräftigen roten und cremefarbenen Streifen. Es war ein Krankenhaus, das sich wirklich um die Nöte der Bevölkerung kümmerte. Außerdem mochte sie Gallup, eine kleinere Stadt als Albuquerque und ein Ort, an dem sie sich mit ihrer indianischen Herkunft wohler fühlte.

An den meisten Tagen war es ziemlich ruhig in der Unfallstation, kein Wunder also, daß die Ankunft dieses schreienden und erregten alten Mannes für gehörige Unruhe sorgte. Dr. Tsosie schob die Vorhänge beiseite und betrat die Kabine, wo die Sanitäter dem Mann bereits die Kutte und die Turnschuhe ausgezogen hatten. Aber der Alte wehrte sich immer noch heftig, so daß sie ihn angeschnallt lassen mußten. Gerade schnitten sie ihm das karierte Hemd und die Jeans auf.

Nancy Hood, die Oberschwester der Station, sagte, das mache nichts, weil das Hemd sowieso schon kaputt sei; quer über die Brusttasche verlief eine gezackte Linie, an der die Karos nicht zueinander paßten. »Er hat es schon einmal zerrissen und wieder zusammengenäht. Und zwar ziemlich schlecht, wenn Sie mich fragen.« »Nein«, sagte einer der Sanitäter und hielt das Hemd in die Höhe. »Das wurde nicht zusammengenäht, das Tuch ist noch intakt. Komisch, die Muster passen nicht zusammen, weil die einen Karos größer sind als die anderen...«

»Wie auch immer, er wird's nicht vermissen«, sagte Nancy Hood und warf es auf den Boden. Dann wandte sie sich an Dr. Tsosie. »Wollen Sie ihn jetzt untersuchen?«

Der Mann war viel zu unruhig. »Noch nicht. Legen Sie ihm erst einmal eine Infusion in jeden Arm. Und durchsuchen Sie seine Taschen. Mal schauen, ob er irgendwelche Papiere bei sich hat. Wenn nicht, dann nehmen Sie ihm die Fingerabdrücke ab und faxen Sie sie nach Washington, vielleicht taucht er ja in irgendeiner Datenbank auf.« Zwanzig Minuten später untersuchte Beverly Tsosie einen Jungen, der sich beim Baseballspielen den Arm gebrochen hatte. Er trug eine Brille und sah ein wenig aus wie ein Streber und Stubenhocker, schien aber fast stolz auf seine Sportverletzung zu sein. Nancy Hood kam dazu. »Wir haben unseren Mr. X durchsucht.« »Und?«

»Nichts, was uns weiterhilft. Keine Brieftasche, keine Kreditkarten, keine Schlüssel.« Sie gab Beverly ein zusammengefaltetes Stück Papier. Es sah aus wie ein Computerausdruck und zeigte ein merkwürdiges Muster aus Punkten auf einem Gitternetz. Am unteren Rand stand klo.ste.mere. »Klostemere? Sagt Ihnen das irgendwas?«

Hood schüttelte den Kopf. »Wenn Sie mich fragen, der ist psychotisch.« Beverly Tsosie sagte: »Na ja, sedieren kann ich ihn erst, wenn wir wissen, was in seinem Kopf los ist. Lassen Sie ihm den Schädel röntgen, damit wir ein Trauma oder Hämatome ausschließen können.« »Die Radiologie wird umgebaut, haben Sie das vergessen, Bev? Warum machen Sie keine Kernspintomographie? Scannen Sie den ganzen Körper, dann haben Sie alles auf einmal.« »Bestellen Sie eine«, sagte Tsosie.

Nancy Hood wandte sich zum Gehen. »Ach, und noch 'ne Überraschung. Jimmy ist da, der von der Polizei.«

Dan Baker war nervös. Wie er vorausgesehen hatte, saßen sie jetzt schon Stunden im Wartezimmer des McKinley Hospital. Nachdem sie sich ihr Mittagessen besorgt hatten — Burros in roter Chili-Sauce —, hatten sie auf dem Krankenhausparkplatz einen jungen Polizisten gesehen, der ihr Auto musterte und mit der Hand an der Seite entlangfuhr. Allein schon bei diesem Anblick lief es Baker kalt über den Rücken. Er überlegte, ob er zu dem Polizisten gehen sollte, ließ es dann aber sein. Statt dessen kehrten sie ins Wartezimmer zurück. Er rief seine Tochter an und sagte, daß sie sich verspäten und vielleicht sogar erst am nächsten Morgen nach Phoenix zurückkommen würden. Dann warteten sie. Als Baker schließlich gegen vier Uhr zur Rezeption ging, um sich nach dem alten Mann zu erkundigen, sagte die Frau: »Sind Sie ein Verwandter?« »Nein, aber —«

»Dann warten Sie bitte da drüben. Die Ärztin wird gleich bei Ihnen sein.«

Seufzend ging er zum Fenster und sah zu seinem Auto hinaus. Der Polizist war verschwunden, aber jetzt klemmte ein flatternder Zettel unter dem Scheibenwischer. Baker trommelte mit den Fingern aufs Fensterbrett. Wenn man in diesen Kleinstädten in Schwierigkeiten gerät, kann alles passieren. Und je länger er wartete, desto drastischer wurden die Szenarien, die er sich ausmalte: Der Alte lag im Koma, und sie durften die Stadt nicht verlassen, bis er aufwachte. Der Alte starb, und sie wurden wegen Totschlags angeklagt. Oder sie wurden zwar nicht angeklagt, mußten aber bei der gerichtlichen Untersuchung erscheinen, die in vier Tagen stattfinden sollte.

Als schließlich jemand kam, um mit ihnen zu sprechen, war es nicht die zierliche Ärztin, sondern der Polizist. Er war ein junger Beamter Mitte Zwanzig, in einer ordentlich gebügelten Uniform. Er hatte lange Haare, und auf seinem Namensschild stand James Wauneka. Baker fragte sich, was für ein Name das wohl war. Vermutlich Hopi oder Navajo. »Mr. und Mrs. Baker?« Wauneka war sehr höflich und stellte sich vor. »Ich war eben bei der Ärztin. Sie hat ihre Untersuchungen abgeschlossen, und die Kernspinergebnisse liegen vor. Es gibt absolut keinen Hinweis darauf, daß er von einem Auto angefahren wurde. Und ich selbst habe mir Ihr Auto angesehen. Keine Spur eines Aufpralls. Ich schätze, Sie sind über ein Schlagloch gefahren und haben nur geglaubt, daß Sie ihn angefahren haben. Die Straße da draußen ist ziemlich schlecht.«

Baker warf seiner Frau einen bösen Blick zu, doch sie wich ihm aus. »Kommt er wieder in Ordnung?« fragte sie. »Sieht so aus, ja.«

»Dann können wir also fahren?« fragte Baker.

»Liebling«, sagte Liz. »Willst du ihm nicht das Ding geben, das du gefunden hast?«

»Ach, ja.« Baker zog das kleine Keramikquadrat aus der Tasche. »Das da habe ich gefunden, in der Nähe der Stelle, wo er gelegen hat.«

Der Polizist drehte das Ding in den Händen. »ITC«, sagte er, als er den Aufdruck sah. »Wo genau haben Sie das gefunden?«

»Ungefähr dreißig Meter von der Straße entfernt. Ich dachte mir, daß er vielleicht ein Auto hatte und damit von der Straße abgekommen war.

Aber da war nirgends ein Auto.«

»Sonst noch was?«