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Frau Bebber! Bei Presidents vom Wasserwerk!“

Der Junge spielte den Räuber so überzeugend, daß Frau Bebber lachte, weich wurde, und kurz und gut: Er bekam seine sechs Bienenstiche und einen siebten dazu, der nicht berechnet wurde.

Die Stiefmutter stand in der Tür, als Timm mit dem Kuchen kam. Sie wirkte noch immer (oder schon wieder?) aufgeregt und plapperte ohne Punkt und Komma: „Ich hättelieber selbergehensollen, hatsiewas gesagtwegen Anschreibenoderso? Sind die Bienenstiche inordnung, warum sagstedenn nichts?“

Timm hätte sich lieber die Zunge abgebissen als seine Unterhaltung mit Frau Bebber wiedergegeben. Außerdem mußte er zur Rennbahn, und Aufregungen und Auseinandersetzungen mit der Stiefmutter brauchten ihre Zeit. So sagte er nur: „Sie hat mir einen Bienenstich umsonst gegeben. Darf ich spielen geh’n, Mutt?“ (Das Wort „Mutter“ brachte er der Stiefmutter gegenüber nie über die Lippen.)

Ungewöhnlich schnell gab sie ihm die Erlaubnis fortzugehen. Sie gab ihm sogar einen Bienenstich mit auf den Weg. („Wenn Frauen zusammen reden, langweilste dich ja doch nur. Geh ruhig spielen, aber komm zeitig nach Haus. Sechse genügt.“)

Timm rannte, so schnell er konnte, zur Pferderennbahn und futterte unterwegs sogar den Bienenstich, wobei höchstens drei Kleckse Füllung herunterplumpsten; einer allerdings auf die dunkelblaue Sonntagshose.

Der karierte Herr stand am Eingang der Rennbahn. Doch obwohl das erste Rennen schon lief, war er nicht im geringsten ungeduldig oder aufgeregt. Er war heute die Freundlichkeit in Person. Timm mußte sich mit ihm in den Gasthausgarten setzen, Limonade trinken und wieder Bienenstich essen. Der ganze Sonntag drehte sich um Bienenstich.

Übrigens machte der Fremde mit dem ernstesten Gesicht von der Welt solche Spaße, daß Timm sich vor Lachen kugelte.

Er ist doch ein netter Kerl, dachte der Junge. Ich kann jetzt verstehen, daß mein Vater ihn mochte.

Überdies schaute der Fremde ihn mit warmen braunen Augen an, die freundlich blickten. Wenn Timm ein schärferer Beobachter gewesen wäre, hätte er wissen müssen, daß der Herr an den Sonntagen zuvor kalte wasserblaue Augen wie ein Fisch gehabt hatte. Aber Timm war kein scharfer Beobachter. Das Leben sollte ihn erst lehren, einer zu werden.

Endlich begann der karierte Herr vom Geschäft zu reden. „Mein lieber Timm“, fing er an, „ich biete dir Geld, soviel du willst! Ich kann es dir nicht in klingender Münze auf den Tisch zählen. Aber ich kann dir die Fähigkeit verleihen, jede Wette zu gewinnen! Jede, verstehst du?“

Timm nickte beklommen, hörte aber genau zu.

„Natürlich verleihe ich dir diese Fähigkeit nicht umsonst, das wirst du verstehen! Solch eine Fähigkeit hat ihren Wert!“

Wieder ein Kopfnicken. Und dann Timms erregte Frage: „Was verlangen Sie?“

Einen Augenblick zögerte der Fremde und sah Timm nachdenklich an. „Was ich ver - lan - ge, möch - test du wis - sen?“ Er zerdehnte die Worte wie Kaugummi. Aber dann überstürzten sich die Worte so, daß man sie kaum verstehen konnte: „... chvrlangedeinlchendfür! “

Der Fremde merkte wohl, daß er zu schnell und zu unverständlich gesprochen hatte. So wiederholte er den Satz: „Ich verlange dein Lachen dafür! “

„Mehr nicht?“ fragte Timm lachend.

Aber als die braunen Augen ihn merkwürdig, fast traurig ansahen, verstummte das Lachen ohne den gewöhnlichen Schlußschlucker.

„Also?“ fragte der karierte Herr. „Einverstanden?“

Timms Blick fiel zufällig auf den Bienenstich auf seinem Teller. Er mußte an Frau Bebber und an die Schulden und an all die Dinge denken, die er mit dem vielen Geld kaufen konnte. Und er sagte: „Wenn das ein richtiges Geschäft ist, bin ich einverstanden! “

„Schön, Junge, dann wäre noch ein Vertrag zu unterschreiben! “

Der karierte Herr zog ein Papier aus der Brusttasche, faltete es auseinander, legte es vor Timm auf den Tisch und sagte: „Lies ihn genau durch!“

Und Timm las:

1. Dieser Vertrag wird zwischen Herrn L. Lefuet einerseits und Herrn Timm Thaler andererseits am......in......geschlossen und in

zwei gleichlautenden Exemplaren von beiden Parteien unterschrieben.

„Was heißt Parteien?“ fragte Timm.

„So werden die beiden Partner in Verträgen genannt!“

„Aha!“

Timm las weiter:

2. Herr Timm Thaler vermacht hiermit Herrn L. Lefuet sein Lachen zu beliebigem Gebrauche.

Als Timm zum zweiten Male die Worte „Herr Timm Thaler“ gelesen hatte, kam er sich beinahe erwachsen vor. Schon dieser drei Worte wegen war er bereit, den Vertrag zu unterschreiben. Er ahnte nicht, wie dieser kleine Punkt zwei sein ganzes Leben verändern sollte.

Er las weiter.

3. Als Entgelt für das Lachen verpflichtet sich Herr L. Lefuet dafür zu sorgen, daß Herr Timm Thaler jede Wette gewinnt Dies gilt ohne Einschränkung.

Timms Herz schlug höher. Weiter:

4. Beide Parteien sind verpflichtet über diese Abmachung vollstes Stillschweigen zu bewahren.

Timm nickte vor sich hin.

5. Für den Fall, daß eine der beiden Parteien Dritten gegenüber diese Abmachung erwähnt und die im Punkt 4 festgelegte Verpflichtung zum Stillschweigen bricht, bleibt die andere Partei im Genüsse der Fähigkeit a) zu lachen oder b) Wetten zu gewinnen, während die schuldige Partei die Fähigkeit a) zu lachen oder b) Wetten zu gewinnen, in vollem Umfange verliert.

„Das habe ich nicht verstanden“, sagte Timm stimrunzelnd.

Herr L. Lefuet - jetzt wissen wir endlich seinen Namen - erklärte es ihm: „Schau, Timm, wenn du die Schweigepflicht brichst und irgend jemandem von dieser Abmachung erzählst, verlierst du die Fähigkeit, Wetten zu gewinnen, aber dein Lachen bekommst du auch nicht zurück. Wenn es umgekehrt ist und ich rede darüber, dann bekommst du dein Lachen zurück und behältst trotzdem die Fähigkeit, Wetten zu gewinnen.“

„Ich verstehe“, sagte Timm. „Schweigen heißt: Reich sein ohne

Lachen. Reden heißt: Arm sein, aber auch ohne Lachen!“

„Genau das, Timm! Aber lies weiter!“

Und Timm las:

6. Sollte der Fall eintreten, daß Herr Timm Thaler eine Wette verliert, so verpflichtet sich Herr L. Lefuet, Herrn Timm Thaler sein Lachen zurückzugeben. Allerdings verliert Herr Timm Thaler damit auch die Fähigkeit, weiterhin Wetten zu gewinnen.

„Das ist so...“ wollte Herr Lefuet erklären. Aber Timm hatte es schon begriffen und fiel ihm ins Wort: „Ich weiß: Wenn ich später eine Wette verliere, dann bekomme ich mein Lachen zurück, gewinne aber keine Wette mehr.“ Er las flüchtig den letzten Punkt durch:

7. Diese Vereinbarung gilt von dem Augenblick an, in dem beide

Parteien unter die zwei Exemplare ihre Unterschrift gesetzt haben. Ort......Datum......

Links hatte Herr Lefuet bereits unterschrieben. Timm fand, daß dies ein ordentlicher Vertrag sei. Er nahm einen Bleistiftstummel aus der Tasche und wollte unterschreiben. Aber Herr Lefuet hinderte ihn daran. „Wir müssen mit Tinte unterschreiben“, sagte er und reichte Timm einen Füllfederhalter, der aus purem Gold zu sein schien und sich merkwürdig warm anfühlte, so, als sei er mit lauwarmem Wasser gefüllt. Aber der Junge bemerkte weder das Gold, noch die Wärme des Füllfederhalters. Er dachte nur an seinen künftigen Reichtum und setzte unter die beiden Dokumente kühn seinen Namen. Er unterschrieb mit roter Tinte.

Kaum war dies geschehen, als Herr Lefuet auf die allerhübscheste Weise zu lachen anfing und danke schön sagte. Timm sagte bitte sehr und versuchte ebenfalls zu lachen, aber er brachte nicht einmal ein Lächeln zustande. Seine Lippen preßten sich gegen seinen Willen aufeinander, und sein Mund wurde ein schmaler Strich.