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Die Türen schlossen sich hinter dem Gefangenen. Vor die Außentür wurde zur Sicherheit noch der Querbalken vorgelegt und, nachdem der Riegel vorgeschoben war, festgenagelt.

Dann nahm Timur ein am Boden liegendes Stück Packpapier und schrieb in ungelenker Schrift mit Blaustift darauf:

„Kwakin! Den Wachposten haben wir hinter Schloß und Riegel gesetzt. Wir erwarten dich und deine Spießgesellen. Auf Wiedersehen heute abend.“

Nachdem dies alles zur Zufriedenheit erledigt war, verschwanden die Jungen ebenso lautlos, wie sie gekommen waren. Es vergingen keine fünf Minuten, da tauchte Kwakin an einer Mauerecke auf.

Er schlich zur Kapelle, fand Timurs Zettel, las ihn, prüfte Schloß und Riegel, hielt das Ganze für einen schlechten Scherz und ging gemächlich bis zur Pforte, während die Latte drinnen verzweifelt mit den Fäusten gegen die eiserne Tür hämmerte.

An der Pforte angelangt, drehte Kwakin sich um.

„Streng dich nicht an, Geika“, rief er höhnisch zurück, „du wirst heute abend noch genauso lärmen.“

Offenbar hatte Kwakin Timurs Botschaft für eine Finte gehalten. Darüber, daß die Latte nirgends zu sehen war, machte sich der wackere Bandenführer weiter keine Gedanken. Pjotr war unzuverlässig, das wußte er.

Die Ereignisse nahmen also ihren Lauf.

Kurz vor Sonnenuntergang liefen Timur und Simakow zum Marktplatz.

Am Rande des Platzes, an dem zur Marktzeit die Stände aufgebaut wurden, in denen es Gemüse, Lebensmittel, Getränke, Eis und Tabak zu kaufen gab, stand eine rohgezimmerte Holzbude. Sie war leer. An den Markttagen betrieb hier ein Schuster sein Handwerk.

Timur und Simakow betraten die Bude, hielten sich aber nicht lange darin auf.

In der Dämmerung wurde das Rad auf dem Dachboden in Bewegung gesetzt. Die Schnüre strafften sich, und die Signale gingen nach allen Richtungen.

Sehr bald schlichen von den verschiedensten Seiten die Mitglieder des Trupps heran. Bald waren es zwanzig oder dreißig Jungen, und es wurden immer mehr. Lautlos glitten sie durch die Gärten, überkletterten Hecken und Zäune und krochen durch die Büsche. Auch Tanja und Njurka stellten sich ein, wurden aber zurückgeschickt. Shenja war zu Hause geblieben.

Auf dem Dachboden stand Timur und gab Signale. Simakow stand neben ihm. Er blickte etwas besorgt durch das Dachfenster. „Das Signal auf Leitung sechs wird nicht beantwortet“, flüsterte er, „versuche es doch noch einmal.“ Aber es antwortete niemand.

Zwei Jungen waren damit beschäftigt, auf einem Brett, das ein Plakat abgeben sollte, etwas aufzumalen. Inzwischen war auch Ladygin mit seiner Abteilung angekommen.

Und endlich kamen die ersten Aufklärer zurück. Sie berichteten, Kwakins Bande sammle sich auf dem Bauplatz neben dem Grundstück Nummer vierundzwanzig. „Dann ist es Zeit“, sagte Timur.

„Macht euch fertig und dann los!“

Er trat von dem Rad weg und zog an einer Schnur. Gleich darauf ging über dem Dach des Schuppens im Dämmerlicht die Fahne des Timur-Trupps hoch. Das war das Signal zum Beginn des Kampfes.

Etwa zehn Jungen krochen am Zaun des Grundstücks Nummer vierundzwanzig entlang. Kwakin hielt sich im Hintergrund. Er zählte seine Spießgesellen.

„Alle sind da“, murmelte er, „nur die Latte fehlt.“

„Ach, der ist schlau“, meinte jemand, „der ist sicher schon im Garten. Er drängt sich ja immer vor!“

Kwakin schob zwei Planken, die vorsorglich gelöst worden waren, beiseite und kroch durch den Zaun in den Garten. Die anderen folgten ihm. Zurück blieb nur Aljoschka. Er bewachte das Loch im Zaun.

Gleich darauf tauchten aus dem Graben auf der anderen Straßenseite, zwischen Brennesseln und Steppengras, fünf Köpfe auf. Vier verschwanden im Nu wieder. Koljas Kopf blieb sichtbar, bis er von einer plötzlich hochschießenden Hand einen derben Schlag auf den Schädel bekam und sich duckte.

Aljoschka, der etwas gehört haben mußte, blickte sich um. Alles blieb still. Nun steckte er den Kopf zwischen die Zaunlatten, um zu erspähen, was die Seinen trieben.

Das wurde sein Verhängnis. Er spürte, wie er bei den Beinen und den Armen gepackt wurde, und ehe er einen Laut von sich geben konnte, war er bereits von dem Zaun weg und rückwärts in den Graben gezerrt worden.

Zu seiner großen Verwunderung erblickte er als ersten Geika, der doch, wie er genau wußte, in der Kapelle gefangen saß. „Woher kommst du?“ keuchte er, denn immer noch wurden seine Gliedmaßen wie zwischen Schraubstöcken gepreßt.

„Sei bloß still“, zischte Geika. „Wenn du einen Laut von dir gibst, mache ich kurzen Prozeß mit dir, wenn du auch heute morgen meine Partei ergriffen hast.“

„Ich bin ja schon still“, versprach Aljoschka heuchlerisch, stieß aber im nächsten Augenblick einen grellen Pfiff aus.

Doch schon drückte sich Geikas breite Handfläche auf seinen Mund. Er fühlte sich von kräftigen Armen unsanft hochgehoben und davongetragen.

Aber Aljoschkas Pfiff war drüben im Garten bereits gehört worden. Merkwürdig nur, daß er sich nicht wiederholte. Kwakin spähte vorsichtig nach allen Seiten. Bewegten sich die Sträucher da drüben in der Gartenecke nicht? Kwakin kroch näher heran.

„Bist du das, Latte? Was versteckst du dich denn, du Dummkopf!“

Plötzlich schrie jemand: „Mischka, gib acht, die Hausleute!“

Doch es waren nicht die Hausleute. Drüben im Gebüsch flammten gleichzeitig zehn Taschenlampen auf. Geblendet und von dem plötzlichen Auftauchen des Gegners verwirrt, stürmte die Kwakin-Bande den Angreifern entgegen.

„Keiner darf zurückweichen“, schrie Kwakin.

„Schlagt zu!“ Er holte einen Apfel aus der Tasche und schleuderte ihn gegen eines der blendenden Lichter. Dann brüllte er: „Entreißt ihnen zuerst die Taschenlampen… los… vorwärts… da ist er ja… Timka!“ Von drüben wurde geantwortet: „Hier ist Timka, hier ist Simka“, und Simakow sprang hoch und auf die vorwärtsstürmenden Kwakin-Anhänger los. Etwa ein Dutzend Jungen folgten seinem Beispiel.

„Gebt acht“, schrie Kwakin, „sie sind in der Überzahl. Hinter den Zaun, Jungens!“

Doch dafür war es bereits zu spät. Bei dem vergeblichen Versuch, in den Schutz des Zaunes zurückzugelangen, liefen die Kwakinjungen Ladygin und Geika direkt in die Arme. Ein heftiges Handgemenge folgte. Der Mond hatte sich hinter den Wolken versteckt. Es war kaum etwas zu sehen. Nur das keuchende Atmen war zu hören, dazwischen Rufe wie: „Laß mich los!“ – „Hör doch auf!“ – „Du trittst ja.“ – „Das ist gemein.“ – „Ergib dich.“

Da ertönte in der Dunkelheit Timurs helle Stimme.

„Mäßigt euch, Freunde. Die Gefangenen werden nicht geschlagen. Wo ist Geika?“

„Geika ist hier!“

„Bringe du die Gefangenen her.“

„Und wenn einer nicht mitkommen will?“

„Den packt ihr bei den Armen und den Beinen und schleppt ihn her. Aber behutsam – wie einen Heiligenschrein!“ Und Timur lachte.

„Laß mich los, du Teufel“, schrie eine weinerliche Stimme.

„Wer jammert denn da?“ wollte Timur wissen. „Im Streichemachen seid ihr Meister. Aber wenn es euch an den Kragen geht, dann habt ihr Schiß!“

Die Gefangenen wurden einer nach dem anderen in die leere Schusterbude am Rande des Marktplatzes gebracht. Einzeln wurden sie nicht allzu sanft durch die schmale Tür ins Innere gestoßen.

Als alle drin waren, befahl Timur: „Michael Kwakin soll vortreten.“ Es geschah.

„Sind alle da?“

„Jawohl, alle.“

Die Tür wurde geschlossen und ein schwerer Riegel vorgeschoben. Nur Kwakin war draußen geblieben. Verstört stand er vor Timur, der seinen Gegner verächtlich mit den Blicken maß. Nach einer längeren Pause fuhr er ihn an: „Du machst dich ja lächerlich, Kwakin. Keiner fürchtet dich. Du bist aber auch keinem nützlich. Hast du je etwas Gutes getan? Niemand will etwas von dir wissen… Geh!“