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Auch Elinor starrte ihn unentwegt an, ohne sich dafür zu schämen, auf ebenso feindselige Weise, wie sie Staubfinger gemustert hatte, als er an ihrem Küchentisch gesessen und seinen Marder mit Brot und Schinken gefüttert hatte. Farid hatte sie gar nicht erst erlaubt, den Marder mit ins Haus zu bringen. »Wehe, er frisst auch nur einen Singvogel in meinem Garten!«, hatte sie gesagt, als der Marder über den hellen Kies davonhuschte, und die Tür hinter ihm verriegelt, als könnte Gwin verschlossene Türen ebenso leicht öffnen, wie sein Herr es getan hatte.

Farid spielte mit einem Päckchen Streichhölzer, während er erzählte.

»Sieh dir das an!«, raunte Elinor Meggie zu. »Genau wie der Streichholzfresser. Kommt es dir nicht auch so vor, als sähe er ihm schon ähnlich?«

Aber Meggie antwortete nicht. Sie wollte nicht ein Wort von dem verpassen, was Farid zu berichten hatte. Sie wollte alles hören über Staubfingers Heimkehr, über den anderen Vorleser und seinen Höllenhund, das fauchende Etwas, das vielleicht eine der großen Katzen aus dem Weglosen Wald gewesen war - und das, was Basta Farid nachgeschrien hatte: Lauf nur, ich krieg dich doch, hörst du? Dich, den Feuerfresser, Zauberzunge und seine feine Tochter und den alten Mann, der die verfluchten Worte geschrieben hat! Ich werd euch alle töten. Einen nach dem anderen!

Während Farid erzählte, wanderte Resas Blick immer wieder zu dem schmutzigen Blatt Papier, das er auf den Küchentisch gelegt hatte. Sie sah es an, als hätte sie Angst davor; als könnten die Worte darauf auch sie wieder hinüberziehen. Hinüber in die Tintenwelt. Als Farid Bastas geschriene Drohung wiederholte, schlang sie ihre Arme um Meggie und drückte sie an sich. Darius aber, der die ganze Zeit über schweigend neben Elinor gesessen hatte, verbarg sein Gesicht in den Händen.

Farid verlor nicht viele Worte darüber, wie er bis zu Eli-nors Haus gekommen war auf seinen bloßen, blutigen Füßen. Auf Meggies Fragen murmelte er nur etwas von einem Lastwagen, der ihn mitgenommen habe. Er beendete seinen Bericht sehr abrupt, als wären ihm plötzlich die Wörter ausgegangen, und als er schwieg, wurde es sehr still in der großen Küche.

Farid hatte einen unsichtbaren Gast mitgebracht. Die Angst.

»Darius, setz mal neuen Kaffee auf!«, befahl Elinor, wäh-rend sie mit finsterer Miene den gedeckten Abendbrottisch musterte, den keiner beachtete. »Der hier ist kalt wie Eis.«

Darius machte sich auf der Stelle an die Arbeit, eilfertig wie ein bebrilltes Eichhörnchen, während Elinor Farid mit so eisigem Blick betrachtete, als wäre er höchstpersönlich schuld an den schlechten Nachrichten, die er überbracht hatte. Meggie konnte sich noch gut daran erinnern, wie einschüchternd dieser Blick früher auf sie gewirkt hatte. »Die Frau mit den Kieselaugen«, so hatte sie Elinor damals heimlich getauft. Manchmal passte der Name immer noch.

»Was für eine feine Geschichte!«, stieß Elinor hervor, während Resa Darius zu Hilfe kam. Farids Bericht hatte ihn ganz offenbar so nervös gemacht, dass er es nicht fertig brachte, die richtige Menge Kaffeepulver abzumessen. Als Resa ihm sanft den Messlöffel aus der Hand nahm, hatte er gerade zum dritten Mal damit begonnen, die gefüllten Löffel zu zählen, die er in die Filtertüte schaufelte.

»Basta ist also zurück, mit einem nagelneuen Messer und dem Mund voller Pfefferminzblätter, vermute ich mal. Verflucht noch eins!« Elinor fluchte sehr gern, wenn sie besorgt oder verärgert war. »Als ob es nicht reicht, dass ich jede dritte Nacht schweißgebadet wach werde, weil ich sein hässliches Gesicht im Traum gesehen habe, von seinem Messer ganz zu schweigen. Aber versuchen wir, ruhig zu bleiben! Es ist doch so: Basta weiß zwar, wo ich wohne, aber offenbar sucht er nur nach euch und nicht nach mir. Also müsstet ihr hier eigentlich sicher wie in Abrahams Schoß sein. Schließlich wird er kaum wissen, dass ihr bei mir eingezogen seid, oder?« Triumphierend, als sei ihr mit dieser Feststellung der alles rettende Gedanke gekommen, sah sie Resa und Meggie an.

Doch Meggie sorgte dafür, dass sich Elinors Gesicht auf der Stelle wieder verfinsterte. »Farid wusste es doch auch«, stellte sie fest.

»Stimmt!«, knurrte Elinor, während ihr Blick sich erneut auf Farid richtete. »Du wusstest es auch. Woher?«

Ihre Stimme klang so scharf, dass Farid unwillkürlich den Kopf einzog. »Eine alte Frau hat es uns erzählt«, antwortete er mit unsicherer Stimme. »Wir waren noch mal in Capricorns Dorf. Nachdem die Feen, die Staubfinger mitgenommen hatte, einfach zu Asche geworden waren. Er wollte sehen, ob es den anderen ähnlich ergangen ist. Das ganze Dorf war leer, keine Menschenseele, nicht mal ein streunender Hund. Nur Asche, überall Asche. Also haben wir versucht, im Nachbardorf zu erfahren, was genau passiert war, und. na ja, da haben wir es gehört, dass eine dicke Frau dort etwas von toten Feen gestammelt hat und dass ihr zum Glück wenigstens nicht die Menschen weggestorben seien, die jetzt bei ihr wohnten.«

Elinor senkte zerknirscht den Blick und sammelte mit dem Finger ein paar Krümel von ihrem Teller. »Verdammt«, murmelte sie. »Ja. Vielleicht hab ich etwas zu viel erzählt, in dem Laden, von dem aus ich euch angerufen habe. Ich war so durcheinander, nachdem ich aus dem leeren Dorf kam! Kann ich ahnen, dass diese Klatschweiber ausgerechnet dem Streichholzfresser von mir erzählen? Seit wann reden alte Frauen überhaupt mit so einem?«

Oder mit einem wie Basta, setzte Meggie in Gedanken hinzu.

Farid aber zuckte nur die Schultern und begann, mit seinen verpflasterten Füßen in Elinors Küche auf und ab zu humpeln. »Staubfinger hat sich sowieso gedacht, dass ihr alle hier seid«, sagte er. »Einmal waren wir sogar hier, weil er nachsehen wollte, ob es ihr gut geht.« Er wies mit dem Kopf in Resas Richtung.

Elinor schnaubte verächtlich. »Ach, wollte er das? Wie nett von ihm.« Sie hatte Staubfinger noch nie gemocht, und die Tatsache, dass er Mo das Buch gestohlen hatte, bevor er verschwunden war, hatte ihre Abneigung nicht gerade vermindert. Resa jedoch lächelte bei Farids Worten, auch wenn sie versuchte, es vor Elinor zu verbergen. Meggie erinnerte sich noch genau an den Morgen, an dem Darius ihrer Mutter das seltsame kleine Bündel gebracht hatte, das er vor der Haustür gefunden hatte - eine Kerze, ein paar Bleistifte und ein Päckchen

Streichhölzer, verschnürt mit blau blühendem Ehrenpreis. Meggie hatte sofort gewusst, von wem das stammte. Und Resa auch.

»Nun!«, sagte Elinor, während sie mit dem Griff ihres Messers auf dem Teller herumtrommelte. »Ich bin wirklich froh, dass der Streichholzfresser wieder dort ist, wo er hingehört. Wenn ich mir vorstelle, dass er nachts um mein Haus herumgeschlichen ist! Nur schade, dass er Basta nicht gleich mitgenommen hat.«

Basta - als Elinor den Namen aussprach, erhob Resa sich abrupt von ihrem Stuhl, lief hinaus auf den Flur und kam mit dem Telefon zurück. Auffordernd hielt sie es Meggie hin und begann mit der anderen Hand so aufgeregt zu gestikulieren, dass selbst Meggie Mühe hatte, die Zeichen, die sie in die Luft malte, zu lesen. Doch schließlich verstand sie.

Sie sollte Mo anrufen. Natürlich.

Es dauerte endlos lange, bis er ans Telefon ging. Vermutlich war er bei der Arbeit gewesen. Wenn Mo unterwegs war, arbeitete er immer bis spät in die Nacht, um schnell wieder nach Hause zu kommen.

»Meggie?« Seine Stimme klang verwundert. Vielleicht dachte er, sie riefe wegen ihres Streits an, aber wen interessierte jetzt noch ihr dummer Streit?

Es dauerte eine ganze Weile, bis er aus ihren hastig hervorgestammelten Worten schlau wurde. »Langsam, Meggie!«, sagte er immer wieder. »Langsam.« Aber das war leichter gesagt als getan, wenn das Herz einem bis zum Hals schlug und Basta vielleicht schon vorn an Elinors Gartentor wartete. Meggie wagte nicht einmal, den Gedanken zu Ende zu denken.