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»Was ist es?« Farid zupfte ihn ungeduldig am Ärmel. »Nun sag schon.«

Staubfinger wandte sich zu ihm um. »Wasser und Feuer«, sagte er, »verstehen sich nicht sonderlich. Man könnte sagen, sie passen nicht zueinander. Aber wenn sie sich lieben, dann mit Leidenschaft.«

Die Worte, die er dann flüstern musste, hatte er lange nicht gebraucht. Aber das Feuer verstand. Eine Flamme leckte zwischen den feuchten Kieseln, die das Meer auf den Sand geschwemmt hatte. Staubfinger bückte sich und lockte sie in seine hohle Hand wie einen jungen Vogel, raunte ihr zu, was er von ihr wollte, versprach ihr ein nächtliches Spiel, wie sie es nie gespielt hatte, und als sie knisternd antwortete, aufloderte, so heiß, dass sie ihm die Haut verbrannte, warf er sie in die schäumende Gischt, die Finger ausgestreckt, als hielte er das Feuer immer noch an unsichtbaren Bändern. Das Wasser schnappte nach der Glut wie ein Fisch nach einer Fliege, aber die Flamme brannte nur noch heller, während Staubfinger am Ufer die Arme ausbreitete.

Zischend und lodernd tat das Feuer es ihm nach, fuhr nach links und rechts die Welle entlang, weiter und weiter, bis die Gischt, gesäumt von Flammen, auf das Ufer zurollte und Staubfinger ein Feuerband vor die Füße schwemmte wie ein Liebespfand. Mit beiden Händen griff er in die glühende Gischt, und als er sich wieder aufrichtete, flatterte zwischen seinen Fingern eine Fee. Sie war blau wie ihre Schwestern aus dem Wald, doch ein feuriger Schimmer umgab sie, und ihre Augen waren rot wie die Flammen, die sie geboren hatten. Staubfinger umschloss sie wie einen seltenen Falter mit seinen Händen, wartete auf das Prickeln der Haut, die Hitze, die an den Armen hinauflief, als flösse einem plötzlich Feuer statt Blut durch die Adern. Erst als es ihn bis unter die Achseln verbrannte, ließ er das winzige Ding wieder fliegen, schimpfend und unflätig fluchend, wie sie es immer taten, wenn man sie herbeilockte, indem man das Meer mit dem Feuer spielen ließ.

»Was ist das?«, fragte Farid erschrocken, als er Staubfin-gers geschwärzte Hände und Arme sah.

Staubfinger zog ein Tuch aus dem Gürtel und verrieb den Ruß sorgfältig auf der Haut. »Das«, sagte er, »ist etwas, das uns in die Burg bringen wird. Aber der Ruß wirkt nur, wenn du ihn dir selbst von den Feen besorgt hast. Also mach dich an die Arbeit.«

Farid blickte ihn ungläubig an. »Ich kann das nicht!«, stammelte er. »Ich weiß nicht, wie du es gemacht hast.«

»Unsinn!« Staubfinger trat vom Wasser zurück und hockte sich in den feuchten Sand. »Natürlich kannst du es! Denk einfach an Meggie!«

Farid blickte unschlüssig hinauf zu der Burg, während die Wellen an seinen nackten Zehen leckten, als wollten sie ihn zum Spielen auffordern.

»Sieht man das Feuer dort oben nicht?«

»Die Burg ist weiter entfernt, als es scheint. Glaub mir, deine Füße werden das bezeugen, wenn wir hinaufsteigen. Und falls die Wachen doch etwas sehen, werden sie denken, es blitzt oder Feuerelfen tanzen über dem Wasser. Aber seit wann denkst du so viel nach, bevor du zu spielen beginnst? Ich weiß nur eins - wenn du noch länger überlegst, fällt mir bestimmt wieder ein, was für ein Wahnsinn es ist, dort hinaufzugehen.«

Das überzeugte Farid.

Dreimal erlosch ihm die Flamme, als er sie in die Gischt warf. Aber beim vierten Mal säumte sie ihm die Wellen, wie er es verlangte - vielleicht nicht ganz so lodernd, wie sie es für Staubfinger getan hatte, aber das Meer brannte auch für Farid. Und das Feuer spielte ein zweites Mal in dieser Nacht mit dem Wasser.

»Gut gemacht«, sagte Staubfinger, als der Junge stolz den Ruß auf seinen Armen betrachtete. »Verteil ihn gut, auf deiner Brust, auf deinen Beinen, im Gesicht.«

»Warum?« Mit großen Augen sah Farid ihn an.

»Weil er uns unsichtbar machen wird«, antwortete Staubfinger, während er selbst sich den Ruß ins Gesicht rieb. »Bis die Sonne aufgeht.«

Unsichtbar wie der Wind

»Verzeihung vielmals, Eure Blutigkeit, Herr Baron, Sir«, sagte er schleimig.

»Meine Schuld, ganz meine Schuld - ich hab Sie nicht gesehen -natürlich nicht, Sie sind unsichtbar -verzeihen Sie dem alten Peeves diesen kleinen Scherz, Sir.«

Joanne K. Rowling, Harry Potter und der Stein der Weisen

Es war ein seltsames Gefühl, unsichtbar zu sein. Farid fühlte sich allmächtig und verloren zugleich. Als gäbe es ihn nirgends und überall. Das Schlimmste war, dass er Staubfinger nicht sehen konnte. Er konnte sich nur auf sein Gehör verlassen. »Staubfinger?«, flüsterte er immer wieder, während er ihm durch die Nacht folgte, und jedes Mal kam es leise zurück: »Ich bin hier, gleich vor dir.«

Die Soldaten, die Meggie und den Schleierkauz mitgenommen hatten, würden einer Straße folgen müssen, einer schlechten, an vielen Stellen fast zugewachsenen Straße, die sich in weiten Windungen die Hügel hinaufwand. Staubfinger dagegen suchte sich seinen Weg querfeldein, Hänge hinauf, die zu steil für ein Pferd waren, vor allem, wenn es einen gepanzerter Reiter tragen musste. Farid versuchte nicht daran zu denken, wie sehr Staubfingers Bein dabei schmerzen musste. Ab und zu hörte er ihn leise fluchen, und immer wieder blieb er stehen, unsichtbar, nichts als ein Atmen in der Nacht.

Die Burg war tatsächlich weiter entfernt, als es vom Strand aus geschienen hatte, aber schließlich ragten ihre Mauern direkt vor ihnen in den Himmel. Gegen diese Festung kam Farid die Burg von Ombra wie ein Spielzeug vor, gebaut von einem Fürsten, der gern aß und trank, aber nicht ans Kriegführen dachte. Bei der Nachtburg schien jeder Stein mit dem Gedanken an Krieg gemeißelt worden zu sein, und während Farid Staubfingers keuchendem Atem folgte, stellte er sich voll Grauen vor, wie es sein müsste, den steilen Hang hinaufzustürmen, während oben von den Zinnen das heiße Pech herunterrann und die Bolzen der Armbrüste einem entgegenflogen.

Der Morgen war noch fern, als sie das Burgtor erreichten. Ihre Unsichtbarkeit würde noch einige kostbare Stunden vorhalten, aber das Tor war verschlossen und Farid spürte, wie ihm Tränen der Enttäuschung in die Augen stiegen. »Es ist zu!«, stammelte er. »Sie haben sie schon reingebracht! Was nun?« Jeder Atemzug schmerzte ihn, so schnell waren sie gelaufen. Aber was half es ihnen nun, dass sie durchsichtig waren wie Glas, unsichtbar wie der Wind?

Er spürte Staubfingers Körper neben sich, so warm in der windigen Nacht. »Ja, sicher ist es zu!«, raunte seine Stimme ihm zu. »Was hast du gedacht? Dass wir zwei sie einholen? Das hätten wir nicht mal geschafft, wenn ich nicht hinken würde wie eine alte Frau! Aber du wirst sehen - für irgendwen werden sie das Tor heute Nacht bestimmt noch mal öffnen. Und wenn es nur für einen ihrer Spitzel ist.«

»Vielleicht können wir auch klettern?« Farid blickte hoffnungsvoll an den fahlgrauen Mauern hinauf. Er sah die Posten zwischen den Zinnen, lanzenbewehrt.

»Klettern? Du scheinst ja wirklich sehr verliebt zu sein. Siehst du, wie glatt und hoch diese Mauern sind? Vergiss es. Wir warten.«

Vor ihnen ragten sechs Galgen auf. An vieren davon hing ein Toter, Farid war sehr dankbar dafür, dass die Nacht sie nur wie Bündel alter Kleider aussehen ließ. »Verdammt!«, hörte er Staubfinger murmeln. »Warum lässt dieses Feengift die Angst nicht ebenso verschwinden wie den Körper?« Ja, das hätte Farid auch gefallen. Aber er hatte keine Angst vor den Wachen, vor Basta oder dem Brandfuchs. Er hatte Angst um Meggie, furchtbare Angst. Dass er unsichtbar war, machte es nur schlimmer. Es schien nichts von ihm übrig zu sein als der Schmerz in seinem Herzen.

Es wehte ein kühler Wind, und Farid wärmte sich gerade die unsichtbaren Finger an seinem eigenen Atem, als Hufschläge durch die Nacht drangen.