Mo hielt dem Pfeifer die gefesselten Hände hin. »Darüber lässt sich streiten«, sagte er, während die Silbernase ihm mit mürrischer Miene die Fesseln löste. »Freu dich, dass ich Papier verlange. Das Pergament für dieses Buch würde ein Vermögen kosten. Ganz abgesehen von den Hunderten von Ziegen, die dafür ihr Leben lassen müssten. Und was die Qualität dieser Blätter betrifft, so ist sie keineswegs so gut, wie du behauptest. Es ist recht grob geschöpft, aber wenn es kein besseres gibt, muss es eben damit gehen. Ich hoffe, es ist wenigstens gut geleimt. Was den Rest betrifft«, Mo strich mit fachkundigen Fingern über die Werkzeuge, die bereitlagen, »so sieht alles recht brauchbar aus.«
Messer und Falzbeine, Hanf, Zwirn und Nadeln zum Heften der Blätter, Leim und ein Topf, in dem man ihn erhitzen konnte, Buchenholz für die Buchdeckel, Leder für den Bezug. Mo nahm alles in die Hand, so wie er es auch in seiner Werkstatt tat, bevor er sich an die Arbeit machte. Dann sah er sich suchend um. »Was ist mit der Presse und der Heflade? Und womit soll ich den Leim erhitzen?«
»Du. bekommst alles, was du brauchst, noch vor dem Abend«, antwortete Taddeo verwirrt.
»Die Schließen sind in Ordnung, aber ich brauche noch eine Feile und außerdem Leder und Pergament für die Bänder.«
»Sicher, sicher. Alles, was du sagst.« Der Bibliothekar nickte dienstfertig, während ein ungläubiges Lächeln auf seinem blassen Gesicht erschien.
»Gut.« Mo stützte sich mit beiden Händen auf den Tisch. »Entschuldige, aber ich bin noch etwas schwach auf den Beinen. Das Leder ist hoffentlich geschmeidiger als das Papier, und was den Leim betrifft«, er griff nach dem Tiegel und schnupperte daran, »nun ja, es wird sich zeigen, ob er gut genug ist. Bring mir auch Kleister. Den Leim werde ich nur für den Einband benutzen. Er schmeckt den Bücherwürmern allzu gut.«
Meggie weidete sich an den überraschten Gesichtern. Selbst der Pfeifer starrte Mo ungläubig an. Nur Bastas Miene blieb ungerührt. Er wusste, dass er dem Bibliothekar einen Buchbinder und keinen Räuber gebracht hatte.
»Mein Vater braucht einen Stuhl«, sagte Meggie mit einem auffordernden Blick zu dem Bibliothekar. »Seht Ihr nicht, dass er verwundet ist? Soll er etwa im Stehen arbeiten?«
»Im Stehen? Nein. nein, natürlich nicht! Keineswegs. Ich werde sofort einen Lehnstuhl bringen lassen«, antwortete der Bibliothekar mit abwesender Stimme, während er Mo immer noch musterte. »Ihr. ähm. wisst erstaunlich viel über die Kunst des Bücherbindens für einen Wegelagerer.«
Mo schenkte ihm ein Lächeln. »Ja, nicht wahr?«, sagte er. »Vielleicht war der Wegelagerer irgendwann mal ein Buchbinder? Sagt man nicht, dass sich unter den Gesetzlosen die verschiedensten Berufe finden? Bauern, Schuster, Bader, Spielmänner.«
»Egal, was er mal war«, fuhr der Pfeifer dazwischen, »ein Mörder ist er allemal, also fall nicht auf seine sanfte Stimme herein, Bücherwurm. Er tötet, ohne mit der Wimper zu zucken. Frag Basta, wenn du mir nicht glaubst.«
»Ja, allerdings!« Basta rieb sich die verbrannte Haut. »Er ist gefährlicher als ein Nest von Vipern. Und seine Tochter ist keinen Deut besser. Ich hoffe, die Messer da bringen dich nicht auf dumme Ideen«, sagte er zu Mo. »Die Wachen werden sie regelmäßig zählen, und für jedes, das verschwindet, werden sie deiner Tochter einen Finger abschneiden. Für jede Dummheit, die du versuchst, werden sie das Gleiche tun. Hast du verstanden?«
Mo antwortete ihm nicht, aber er blickte zu den Messern, als wollte er sie vorsichtshalber zählen. »Schafft jetzt endlich einen Stuhl her!«, sagte Meggie ungeduldig zu dem Bibliothekar, als er sich erneut auf den Tisch stützte.
»Ja, natürlich! Sofort!« Taddeo schoss eilfertig davon. Der Pfeifer aber stieß ein hässliches Lachen aus.
»Hört euch die kleine Hexe an! Kommandiert hier herum wie ein Fürstenbalg! Nun ja, wen wundert’s, schließlich behauptet sie, die Tochter eines Mannes zu sein, der den Tod zwischen zwei Holzdeckel sperren kann! Was ist mit dir, Basta? Glaubst du ihr die Geschichte?«
Basta griff nach dem Amulett, das ihm um den Hals hing. Es war keine Kaninchenpfote, wie er sie in Capricorns Diensten getragen hatte, sondern ein Knochen, der verdächtig einem menschlichen Finger glich. »Wer weiß!«, murmelte er.
»Ja, wer weiß?«, wiederholte Mo, ohne sich zu den beiden umzudrehen. »Auf jeden Fall kann ich den Tod rufen, nicht wahr, Basta? Und Meggie kann es auch.«
Der Pfeifer warf Basta einen schnellen Blick zu.
Dessen verbrannte Haut hatte blasse Flecken bekommen. »Ich weiß nur eins«, knurrte er, die Hand immer noch an seinem Amulett. »Dass du längst tot und begraben sein solltest, Zauberzunge. Und dass der Natternkopf besser daran täte, auf Mortola statt auf deine Hexentochter zu hören. Aus der Hand gefressen hat er ihr, der Silberfürst. Ist hereingefallen auf ihre Lügen.«
Der Pfeifer richtete sich auf, angriffslustig wie die Viper auf dem Wappen seines Herrn. »Hereingefallen?«, fragte er mit seiner seltsam gepressten Stimme. Er war einen ganzen Kopf größer als Basta. »Der Natternkopf fällt auf niemanden herein. Er ist ein großer Fürst, größer als alle anderen. Der Brandfuchs vergisst das bisweilen, ebenso wie Mortola. Mach du nicht denselben Fehler. Und jetzt verschwinde. Der Natternkopf hat angeordnet, dass niemand, der früher für Capri-corn gearbeitet hat, diesen Raum bewacht. Kann das vielleicht bedeuten, dass er euch nicht traut?«
Bastas Stimme gerann zu einem Zischen. »Du selbst hast einmal für Capricorn gearbeitet, Pfeifer!«, stieß er zwischen den Lippen hervor. »Du wärst nichts ohne ihn.«
»Ach ja? Siehst du diese Nase?« Der Pfeifer strich über seine Silbernase. »Einst hatte ich eine wie du, ein plumpes, gewöhnliches Ding. Es tat weh, sie zu verlieren, aber der Natternkopf hat mir eine bessere machen lassen, und seither singe ich nicht mehr für betrunkene Brandstifter, sondern nur noch für ihn - einen echten Fürsten, dessen Familie älter ist als die Türme dieser Burg. Wenn du ihm nicht dienen willst, dann geh zurück zu Capricorns Festung. Vielleicht streicht sein Geist noch zwischen den verbrannten Mauern herum, aber du fürchtest dich ja vor Geistern, nicht wahr, Basta?«
Die beiden Männer standen sich so nah gegenüber, dass Bastas Messerklinge kaum Platz zwischen ihnen gehabt hätte.
»Ja, ich fürchte mich vor ihnen«, zischte er. »Aber ich liege wenigstens nicht jede Nacht auf den Knien und winsele, weil ich Angst habe, die Weißen Frauen könnten mich holen, so wie dein feiner neuer Herr es tut.«
Der Pfeifer schlug ihm so heftig ins Gesicht, dass Bastas Kopf gegen den Türrahmen stieß. Blut lief ihm rot die verbrannte Wange hinunter. Er wischte es mit dem Handrücken ab. »Hüte dich vor dunklen Korridoren, Pfeifer!«, flüsterte er. »Deine Nase hast du nicht mehr, aber irgendwas zum Abschneiden findet sich immer.«
Als der Bibliothekar mit dem Lehnstuhl zurückkam, war Basta fort, und auch der Pfeifer verschwand, nachdem er zwei Wachen vor der Tür postiert hatte. »Keiner kommt herein und keiner heraus, bis auf den Bibliothekar!«, hörte Meggie ihn barsch befehlen, bevor er ging. »Und kontrolliert regelmäßig, ob der Eichelhäher arbeitet.«
Taddeo lächelte Mo verlegen zu, während die Schritte des Pfeifers draußen verklangen, als müsste er sich für die Soldaten vor der Tür entschuldigen. »Verzeiht!«, sagte er leise und schob ihm den Stuhl an den Tisch. »Aber ich habe da ein paar Bücher, die seltsame Schäden aufweisen. Könntet Ihr Euch die vielleicht einmal ansehen?«