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Ein Spiel, dachte Mo noch einmal, als er vor den Thronstufen stehen blieb, nichts als ein Spiel. Wenn er nur mehr über die Regeln gewusst hätte. Es war noch jemand anwesend, den sie kannten. Taddeo, der Bibliothekar, stand mit demütig gesenktem Kopf gleich hinter dem Vipernthron und schenkte ihm ein besorgtes Lächeln.

Der Natternkopf sah noch übernächtigter aus als bei ihrer letzten Begegnung. Sein Gesicht war fleckig und voller Schatten, seine Lippen farblos, nur der Rubin in seinem Nasenwinkel leuchtete rot. Wer konnte sagen, seit wie vielen Nächten er nicht geschlafen hatte.

»Gut, du bist also tatsächlich fertig«, sagte er. »Natürlich, du hast es eilig, deine Frau wiederzusehen, nicht wahr? Mir wurde berichtet, dass sie jeden Tag nach dir fragt. Das ist vermutlich Liebe, nicht wahr?«

Ein Spiel, nur ein Spiel. Es fühlte sich nicht so an. Nichts hatte sich je wirklicher angefühlt als der Hass, den Mo empfand, als er in das grobe, hochmütige Gesicht blickte. Und wieder spürte er es klopfen in seiner Brust: sein neues Herz, so kalt.

Der Natternkopf gab dem Pfeifer ein Zeichen und der Sil-bernasige trat auffordernd auf ihn zu. Es fiel schwer, das Buch in die behandschuhten Hände zu geben. Schließlich gab es nichts sonst, was sie retten konnte. Der Pfeifer spürte sein Widerstreben, lächelte ihm höhnisch zu - und brachte das Buch seinem Herrn. Dann stellte er sich, mit einem kurzen Blick auf den Brandfuchs, gleich neben den Thronsessel, mit so hochmütiger Miene, als gäbe es keinen wichtigeren Mann im Saal.

»Wunderschön. In der Tat!« Der Natternkopf strich über den ledernen Einband. »Ob er nun ein Räuber ist oder nicht, vom Bücherbinden versteht er etwas. Findest du nicht auch, Brandfuchs?«

»Es gibt viele Berufe unter den Räubern«, antwortete der Brandfuchs nur. »Warum nicht auch einen verfluchten Buchbinder?«

»Wie wahr, wie wahr. Habt ihr gehört?« Der Natternkopf wandte sich auffordernd zu seinem bunt gekleideten Gefolge um.

»Mir scheint, mein Herold glaubt immer noch, ich hätte mich von einem kleinen Mädchen betrügen lassen. Ja, er denkt, ich sei ein leichtgläubiger Dummkopf im Vergleich zu Capricorn, seinem alten Herrn.«

Der Brandfuchs wollte protestieren, aber der Natternkopf gebot ihm mit einer Handbewegung zu schweigen. »Schon gut!«, sagte er, so laut, dass jeder es hören konnte. »Stell dir vor, ich habe trotz meiner ganz offensichtlichen Dummheit einen Weg gefunden, zu beweisen, wer von uns beiden sich irrt.« Mit einem Kopfnicken befahl er Taddeo an seine Seite. Eilfertig trat der Bibliothekar zu ihm und zog Feder und Tinte aus dem weiten Gewand.

»Es ist ganz einfach, Brandfuchs!« Man hörte dem Natternkopf an, dass er gern seiner eigenen Stimme lauschte. »Nicht ich, sondern du wirst deinen Namen zuerst in dieses Buch schreiben! Taddeo hier hat mir versichert, dass man die Buchstaben mit einem Schaber, den Balbulus einst eigens entwickelt hat, so spurlos wieder entfernen kann, dass danach niemand auch nur den Schatten deines Namens auf den Seiten entdecken wird. Also, du schreibst deinen Namen - ich weiß, dass du das kannst - dann geben wir dem Eichelhäher ein Schwert in die Hand, und er darf es dir in in den Leib stoßen! Ist das nicht eine fabelhafte Idee? Wird so nicht eindeutig bewiesen werden, ob dieses Buch tatsächlich den unsterblich macht, dessen Name darin steht?«

Ein Spiel. Mo sah, wie sich auf dem Gesicht des Brandfuchses die Angst ausbreitete wie ein Ausschlag.

»Nun komm schon!«, höhnte der Natternkopf, während er mit dem Zeigefinger gedankenverloren über die Schließen des Buches fuhr. »Was siehst du plötzlich so blass aus? Ist so ein Spiel nicht genau nach deinem Geschmack? Komm und schreib deinen Namen hinein. Aber nicht den, den du dir selbst gegeben hast, sondern den, unter dem du geboren wurdest.«

Der Brandfuchs blickte sich um, als suchte er nach einem Gesicht, das Hilfe verhieß, doch niemand trat vor, nicht einmal Mortola. Die Lippen aufeinander gepresst, so fest, dass sie fast weiß waren, so stand sie da, und hätte ihr Blick ebenso töten können, wie ihr Gift es oft tat, dann hätte dem Natternkopf das Buch wohl nicht mehr geholfen. So aber lächelte er ihr nur zu - und drückte seinem Herold die Feder in die Hand. Der Brandfuchs starrte den gespitzten Kiel an, als wüsste er nicht, was er damit anfangen sollte. Dann tauchte er ihn umständlich in die Tinte - und schrieb.

Was nun, Mortimer?, dachte Mo, während der Soldat neben ihm die Hand ans Schwert legte. Was wirst du tun? Was? Er spürte Meggies entsetzten Blick, spürte ihre Angst wie Kälte neben sich.

»Bestens!« Der Pfeifer zog dem Brandfuchs das Buch aus der Hand, kaum dass er fertig war. Der Natternkopf aber winkte einem der Diener, die mit Schüsseln voller Obst und Kuchen am Fuß der Silbersäulen warteten. Der Honig troff ihm von den Fingern, als er sich einen der Kuchen zwischen die Lippen schob. »Nun, worauf wartest du noch, Brandfuchs?«, sagte er mit vollem Mund. »Versuch dein Glück! Nun mach schon.«

Der Brandfuchs stand da und starrte den Pfeifer an, der das Buch mit seinen langen Armen umschloss, als hielte er ein Kind. Mit bösem Lächeln erwiderte die Silbernase seinen Blick. Der Brandfuchs kehrte ihm abrupt den Rücken zu - und stieg die Treppe hinunter, an deren Fuß Mo wartete.

Rasch löste Mo Meggies Hand von seinem Arm und schob sie zur Seite, obwohl sie sich sträubte. Die Gepanzerten, die sie umstanden, wichen zurück, als räumten sie eine Bühne bis auf einen, der auf einen Wink des Natternkopfes dem Brandfuchs in den Weg trat, ihm das Schwert aus der Scheide zog und den silbernen Knauf Mo hinhielt.

War dies immer noch Fenoglios Spiel?

Es war ihm gleich. Noch als er den Saal betreten hatte, hätte er einen Arm für ein Schwert gegeben, aber dieses wollte er nicht. Ebenso wenig wie die Rolle, die ihm irgendwer zuweisen wollte, sei es Fenoglio, sei es der Natternkopf.

»Nun nimm schon, Eichelhäher.« Der Soldat, der ihm das Schwert hinhielt, wurde ungeduldig, und Mo musste an die Nacht denken, in der er Bastas Schwert aufgehoben und ihn und Capricorn aus seinem Haus gejagt hatte. Er erinnerte sich noch genau daran, wie schwer die Waffe in der Hand gewogen, wie das Licht sich in der blanken Klinge gefangen hatte.

»Nein, danke«, sagte er und machte einen Schritt zurück. »Aber Schwerter gehören nicht zu meinem Handwerkszeug. Das habe ich doch wohl mit dem Buch da bewiesen, oder?«

Der Natternkopf wischte sich den Honig von den Fingern und musterte ihn von Kopf bis Fuß. »Aber Eichelhäher!«, sagte er mit leicht erstaunter Stimme. »Du hast es doch gehört. Wir verlangen keine sonderliche Kunstfertigkeit. Du sollst es ihm nur durch den Leib stoßen. Das ist doch nicht weiter schwer! «

Der Brandfuchs starrte Mo an. Seine Augen blickten trübe vor Hass. Sieh ihn dir an, du Dummkopf!, dachte Mo. Er würde dir das Schwert auf der Stelle durch den Leib stoßen, also warum tust du es nicht? Meggie verstand, warum er es nicht tat. Er sah es in ihren Augen. Vielleicht würde der Eichelhäher nach dem Schwert greifen, aber bestimmt nicht ihr Vater.

»Vergiss es, Natter!«, sagte er laut. »Wenn du eine Rech-nung mit deinem Bluthund offen hast, begleiche sie selbst. Wir haben eine andere Abmachung.«

Der Natternkopf betrachtete ihn so interessiert, als hätte sich ein exotisches Tier in seinen Saal verirrt. Dann lachte er. »Die Antwort gefällt mir!«, rief er. »Ja, wirklich. Und weißt du was? Sie beweist mir endgültig, dass ich doch den Richtigen gefangen habe. Du bist der Eichelhäher, du bist es ohne Zweifel, er soll ein schlauer Fuchs sein. Aber trotzdem werde ich zu meinem Handel stehen.«

Und mit diesen Worten nickte er dem Gepanzerten zu, der Mo immer noch das Schwert hinhielt. Ohne Zögern wandte er sich um und stieß dem Herold seines Herrn die lange Klinge durch den Leib, so schnell, dass der Brandfuchs nicht einmal dazu kam, zurückzuweichen.