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Zum Glück hatte er in seinen alten Kleidern noch ein paar Münzen gefunden. Für einige Teller Suppe würden sie hoffentlich reichen. Staubfinger hatte nichts mitgebracht aus der anderen Welt. Was hätte er hier anfangen sollen mit dem bedruckten Papier, mit dem man dort bezahlte - hier, wo nur Gold, Silber und klingendes Kupfer zählten, wenn möglich mit dem Kopf des passenden Fürsten darauf? Sobald die Münzen aufgebraucht waren, würde er sich wohl einen Marktplatz suchen müssen, in Ombra oder sonst wo.

Das Gasthaus, das sein Ziel war, hatte sich nicht sonderlich verändert in den letzten Jahren, weder zum Guten noch zum Schlechten. Es war immer noch genauso schäbig mit seinen wenigen Fenstern, die kaum mehr als Löcher in den grauen Steinmauern waren. In der Welt, die ihn bis vor drei Tagen beherbergt hatte, wäre vermutlich kein Gast je über eine so schmutzige Schwelle getreten, aber hier war das Gasthaus der letzte Unterschlupf vor dem Wald, die letzte Chance auf ein warmes Essen und einen Platz zum Schlafen, der nicht feucht war vom Tau oder vom Regen. Und ein paar Läuse und Wanzen bekommt man als neue Weggefährten gratis dazu!, dachte Staubfinger, während er die Tür aufstieß.

In dem Raum dahinter war es so dunkel, dass er seine Augen erst an das Zwielicht gewöhnen musste. Die andere Welt hatte sie ihm verdorben, mit all ihrem Licht und dem Geflimmer, das dort selbst die Nacht zum Tag machte. Sie hatte seine Augen daran gewöhnt, dass alles klar erkennbar, dass Licht etwas Ein- und Ausschaltbares war, beliebig verfügbar. Doch nun mussten sie wieder zurechtkommen in einer Welt des Zwielichts und der Schatten, der langen Nächte, schwarz wie verkohltes Holz, in Häusern, in denen man die Sonne aussperrte, weil sie oft allzu heiß hineinschien.

Das Einzige, was im Inneren des Gasthauses Licht spendete, waren die wenigen Sonnenstrahlen, die durch die Fensterlöcher fielen. Der Staub tanzte darin wie ein Schwarm winziger Feen. Im Kamin brannte ein Feuer unter einem zerbeulten schwarzen Kessel. Der Geruch, der daraus emporstieg, war selbst für Staubfingers leeren Magen nicht sonderlich verlockend, doch das überraschte ihn nicht. In diesem Gasthaus hatte es noch nie einen Wirt gegeben, der sich aufs Kochen verstand. Ein Mädchen, kaum älter als zehn Jahre, stand neben dem Kessel und rührte mit einem Stock um, was immer da kochte. Vielleicht dreißig Gäste hockten auf den grob getischlerten Bänken im Dunkeln, rauchend, murmelnd, trinkend.

Staubfinger schlenderte zu einem leeren Platz und setzte sich. Unauffällig sah er sich um, nach einem Gesicht, das ihm bekannt vorkam, nach einem Paar bunter Hosen, wie sie nur Spielleute trugen. Ein Lautenspieler saß gleich beim Fenster, er verhandelte mit einem Mann, der sehr viel besser gekleidet war als er, vermutlich ein reicher Kaufmann. Natürlich, kein armer Bauer konnte sich leisten, einen Gaukler anzuwerben. Wenn ein Bauer Musik auf seiner Hochzeit wollte, musste er schon selbst zur Fiedel greifen. Selbst die zwei Pfeifer, die am Fenster saßen, hätte er nicht bezahlen können. Am Tisch neben ihnen stritt sich lautstark eine Gruppe Schauspieler, vermutlich um die beste Rolle in einem neuen Stück. Der eine trug noch die Maske, hinter der er sich auf den Marktplätzen verbarg. Fremd wie ein Kobold saß er zwischen den anderen, aber ob mit oder ohne Maske - sie waren alle Fremde, ob sie sangen oder tanzten, derbe Geschichten auf einer hölzernen Bühne spielten oder Feuer spuckten. Dasselbe galt für die, die mit ihnen zogen - reisende Bader, Knochenflicker, Steinschneider, Wunderheiler, denen die Gaukler die Kundschaft herbeilockten.

Alte Gesichter, junge Gesichter, glückliche und unglückliche, es fand sich von allem etwas in dem rauchverhangenen Raum, aber keines kam Staubfinger bekannt vor. Auch er wurde gemustert, er spürte es, aber das war er gewohnt. Sein narbiges Gesicht zog überall Blicke auf sich, und die Kleider, die er trug, taten ein Übriges - die Tracht der Feuerspucker, schwarz wie Ruß, rot wie die Flammen, die andere fürchteten und mit denen er spielte. Für einen Moment fühlte er sich seltsam fremd in all dem einst vertrauten Treiben, als klebte die andere Welt noch deutlich sichtbar an ihm, all die Jahre, die endlos langen Jahre, die vergangen waren, seit Zauberzunge ihn aus seiner Geschichte gepflückt und ihm sein Leben gestohlen hatte, unabsichtlich, so wie man einer Schnecke im Vorübergehen das Haus zertrat.

»Sieh mich mal an!«

Eine Hand legte sich ihm schwer auf die Schulter, und ein Mann beugte sich über ihn und starrte ihm ins Gesicht. Sein Haar war grau, das Gesicht rund und bartlos, und er stand so unsicher auf den Beinen, dass Staubfinger für einen Augenblick dachte, der andere sei betrunken. »Na, wenn ich das Gesicht nicht kenne!«, stieß er nun ungläubig hervor, während er ihn so fest an der Schulter packte, als wollte er prüfen, ob Staubfinger auch wirklich aus Fleisch und Blut war. »Wo kommst du denn her, alter Feuerfresser, geradewegs aus dem Reich der Toten? Was ist passiert, haben die Feen dich wieder zum Leben erweckt? Sie waren ja schon immer ganz vernarrt in dich, die kleinen blauen Teufel.«

Ein paar Männer drehten sich zu ihnen um, aber der Lärm in dem stickigen dunklen Raum war so groß, dass nicht viele beachteten, was um sie her vorging.

»Wolkentänzer!« Staubfinger richtete sich auf und umarmte den anderen. »Wie geht es dir?«

»Ah! Dachte schon, du hast mich vergessen!« Wolkentänzer grinste breit und entblößte große gelbe Zähne.

O nein, Staubfinger hatte ihn nicht vergessen - auch wenn er es versucht hatte, wie mit den anderen, die er vermisst hatte. Wolkentänzer - der beste Seiltänzer, der je zwischen den Dächern herumspaziert war. Staubfinger hatte ihn sofort erkannt, trotz des grau gewordenen Haars und des linken Beins, das er so seltsam steif zur Seite spreizte.

»Komm mit. Das müssen wir feiern. Man trifft nicht jeden Tag einen toten Freund wieder.« Ungeduldig zog er Staubfinger mit sich, zu einer Bank unter einem der Fenster, auf die von draußen etwas Sonnenlicht fiel. Dann winkte er dem Mädchen, das immer noch in dem Kessel rührte, und bestellte zwei Becher Wein bei ihr. Das kleine Ding starrte einen Moment lang fasziniert auf Staubfingers Narben, dann huschte es davon, zum Tresen, hinter dem ein fetter Mann stand und mit trübem Blick seine Gäste beobachtete.

»Du siehst gut aus!«, stellte Wolkentänzer fest. »Gut genährt, kein graues Haar, kaum ein Loch in den Kleidern. Selbst deine Zähne scheinst du alle noch zu haben. Wo bist du gewesen? Vielleicht sollte ich mich auch auf den Weg dorthin machen, es scheint sich dort gut leben zu lassen.«

»Vergiss es. Hier ist es besser.« Staubfinger strich sich das Haar aus der Stirn und sah sich um. »Genug von mir. Wie ist es dir ergangen? Du kannst dir Wein leisten, aber dein Haar ist grau, und dein linkes Bein.«

»Ja, das Bein.«

Das Mädchen brachte den Wein. Während Wolkentänzer in seinem Beutel nach der passenden Münze suchte, starrte es Staubfinger erneut so neugierig an, dass er die Fingerspitzen aneinander rieb und ein paar Feuerworte wisperte. Er streckte den Zeigefinger, lächelte ihr zu und blies sacht über die Fingerkuppe. Eine winzige Flamme, zu schwach, um damit ein Feuer zu zünden, doch gerade leuchtend genug, um sich in den Augen des Mädchens zu spiegeln, züngelte auf seinem Nagel und spuckte Goldfunken auf den schmutzigen Tisch. Das Kind stand da wie verzaubert, bis Staubfinger die Flamme ausblies und seinen Finger in den Becher Wein tunkte, den Wolkentänzer ihm hinschob.

»Aha, du spielst also immer noch gern mit dem Feuer«, sagte Wolkentänzer, während das Mädchen dem fetten Wirt einen besorgten Blick zuwarf und hastig zu dem Kessel zurückkehrte. »Nun, mit meinen Spielen ist es leider schon lange vorbei.«