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Mo hatte ihr ein Versöhnungsgeschenk mitgebracht, wie immer, wenn sie sich gestritten hatten: ein kleines Notizbuch, von ihm selbst gebunden, gerade groß genug für die Jackentasche, mit einem Einband aus marmoriertem Papier. Mo wusste, wie sehr Meggie solche Papiere liebte, sie war neun Jahre alt gewesen, als er ihr beigebracht hatte, sie selbst einzufärben. Das schlechte Gewissen biss ihr ins Herz, als er ihr das Buch auf den Teller legte, und für einen Moment wollte sie ihm alles erzählen, so wie sie es immer getan hatte. Doch ein Blick von Farid hielt sie zurück. Nicht, Meggie!, sagte sein Blick, er wird dich nicht gehen lassen, niemals. Und so schwieg sie, gab Mo einen Kuss, flüsterte »Danke« und schwieg, mit hastig gesenktem Kopf, die Zunge schwer von den Wörtern, die sie nicht gesagt hatte.

Zum Glück fiel ihr bedrücktes Gesicht niemandem auf. Auch die anderen waren immer noch besorgt wegen der Neuigkeiten über Basta. Elinor war zur Polizei gegangen, wie Mo es ihr geraten hatte, aber der Besuch hatte ihre Stimmung alles andere als verbessert.

»Genau wie ich es vorhergesagt habe«, schimpfte sie, während sie den Käse mit ihrem Messer bearbeitete, als wäre er schuld an all dem Ärger. »Kein Wort haben sie mir geglaubt, diese Hohlköpfe. Ein paar Schafe in Uniform hätten mir besser zugehört. Ihr wisst, ich mag keine Hunde, aber vielleicht sollte ich mir doch welche anschaffen. ein paar riesige schwarze Bestien, die Basta zerreißen, sobald er sich über mein Gartentor schwingt. Dobstermänner, ja. Dobstermänner! Sind das nicht diese Hunde, die Menschen fressen?«

»Du meinst Dobermänner.« Mo zwinkerte Meggie über den Tisch hinweg zu.

Es brach ihr das Herz. Er zwinkerte ihr zu, seiner hinterhältigen Tochter, die plante fortzugehen, an einen Ort, an den er ihr vermutlich nicht würde folgen können. Vielleicht würde ihre Mutter sie verstehen, aber Mo? Nein. Mo nicht. Niemals.

Meggie biss sich so fest auf die Lippen, dass es schmerzte, während Elinor aufgeregt weitersprach: »Ich könnte auch einen Wächter anheuern. So etwas gibt es doch, oder? Einen mit einer Pistole, ach was, bis an die Zähne bewaffnet soll er sein, Messer, Gewehre, was immer, und so groß, dass Basta schon bei seinem Anblick das schwarze Herz stehen bleibt! Wie hört sich das an?«

Meggie sah, wie mühsam Mo sich das Lachen verkniff. »Wie sich das anhört? Als hättest du zu viele Krimis gelesen, Elinor.«

»Nun, ich habe viele Krimis gelesen«, erwiderte sie gekränkt. »Sie sind sehr lehrreich, wenn man gewöhnlich nicht allzu oft mit Verbrechern zu tun hat. Außerdem kann ich Bastas Messer an deiner Kehle nicht vergessen.«

»Das habe ich auch nicht, glaub mir.« Meggie sah, wie seine Hand zu seinem Hals wanderte, als fühlte er die scharfe Schneide für einen Moment erneut auf der Haut. »Trotzdem, ich denke, ihr macht euch umsonst Sorgen. Ich hatte auf der Fahrt reichlich Zeit nachzudenken, und ich kann nicht glauben, dass Basta sich auf den weiten Weg hierher macht, nur um sich zu rächen. Rächen wofür? Dafür, dass wir ihn vor Capricorns Schatten gerettet haben? Nein. Er hat sich längst zurücklesen lassen. Zurück in das Buch. Basta war von unserer Welt nicht halb so begeistert wie Capricorn. Einiges an ihr hat ihn sehr nervös gemacht.«

Und damit strich er sich Marmelade auf sein Käsebrot. Eli-nor beobachtete es, wie immer, mit Abscheu, und Mo ignorierte ihren missbilligenden Blick. Wie immer.

»Und was ist mit den Drohungen, die er dem Jungen nachgeschrien hat?«

»Na, er war wütend, dass er ihm entwischt ist, was sonst? Ich muss dir doch nicht erklären, was Basta so alles von sich gibt, wenn er wütend ist. Ich bin nur erstaunt, dass er tatsächlich klug genug war herauszufinden, dass Staubfinger das Buch hat. Und wo er diesen Orpheus gefunden hat, wüsste ich auch gern. Er scheint auf jeden Fall vom Lesen wesentlich mehr zu verstehen als ich.«

»Unsinn!« Elinors Stimme klang ärgerlich, aber auch erleichtert. »Die Einzige, die davon ebenso viel versteht, ist deine Tochter.«

Mo lächelte Meggie zu und drückte noch eine Scheibe Käse auf die Marmelade. »Sehr schmeichelhaft, danke. Aber wie auch immer - unser messerverliebter Freund Basta ist fort! Und er hat das verdammte Buch hoffentlich mitgenommen, damit die Geschichte für alle Zeiten ein Ende hat. Elinor braucht nicht mehr zusammenzuzucken, wenn es nachts im Garten raschelt, und Darius muss nicht mehr von Bastas Messer träumen - was bedeutet, dass Farid uns eigentlich eine sehr gute Nachricht gebracht hat! Ich hoffe, ihr habt euch schon ausreichend bei ihm bedankt!«

Farid lächelte verlegen, als Mo ihm mit der Kaffeetasse zuprostete, aber Meggie sah die Sorge in seinen schwarzen Augen. Wenn Mo Recht hatte, dann war Basta jetzt dort, wo Staubfinger war. Und sie alle glaubten nur zu gerne, dass Mo Recht hatte. Darius und Elinor war die Erleichterung von den Gesichtern abzulesen, und Resa schlang Mo die Arme um den Hals und lächelte, als sei alles wieder gut.

Elinor begann Mo über die Bücher auszufragen, die er Meggies Anrufs wegen so schmählich im Stich gelassen hatte. Und Darius versuchte Resa das System zu erläutern, nach dem er Elinors Bibliothek neu zu sortieren gedachte. Farid aber blickte auf seinen leeren Teller. Und sah auf dem weißen Porzellan vermutlich Bastas Messer schon an Staubfingers Kehle.

Basta. Der Name steckte Meggie wie ein Kiesel im Hals. Und sie konnte immer nur eines denken: Wenn Mo Recht hatte, war Basta jetzt dort, wo auch sie bald sein wollte. In der Tintenwelt.

In dieser Nacht schon wollte sie es versuchen, wollte sich mit ihrer eigenen Stimme und Orpheus’ Worten einen Weg bahnen durch das Buchstabendickicht, hinein in den Weglosen Wald. Farid hatte sie gedrängt, nicht länger zu warten. Er war ganz verrückt vor Sorge um Staubfinger. Und Mos Worte hatten daran sicher nichts geändert. »Bitte, Meggie!« Immer wieder hatte er sie angefleht. »Bitte, lies!«

Meggie blickte zu Mo hinüber. Er flüsterte Resa etwas zu, und sie lachte. Nur wenn sie lachte, hörte man ihre Stimme. Mo schlang den Arm um sie und suchte Meggie mit seinem Blick. Wenn ihr Bett morgen früh leer war, würde er nicht mehr so sorglos aussehen, wie er es jetzt gerade tat. Würde er wütend sein oder einfach nur traurig? Resa lachte, als er ihr und Elinor das Entsetzen des Sammlers vorspielte, dessen Bücher er nach Meggies Anruf so schmählich im Stich gelassen hatte, und auch Meggie musste lachen, als er die Stimme des Ärmsten nachahmte. Offenbar war sein Auftraggeber sehr dick und kurzatmig gewesen.

Nur Elinor lachte nicht. »Ich denke nicht, dass das lustig ist, Mortimer«, bemerkte sie spitz. »Ich hätte dich vermutlich erschossen, wenn du dich einfach davongemacht und meine armen Bücher krank und fleckig zurückgelassen hättest.«

»Ja, vermutlich.« Mo warf Meggie einen verschwörerischen Blick zu, so wie er es jedes Mal tat, wenn Elinor ihm oder Meggie Vorträge über die richtige Behandlung von Büchern oder die Regeln in ihrer Bibliothek hielt.

Ach, Mo, wenn du wüsstest, dachte Meggie, wenn du wüsstest, und hatte das Gefühl, dass er ihr im nächsten Augenblick ihr Geheimnis von der Stirn ablesen würde. Abrupt schob sie ihren Stuhl zurück, murmelte etwas wie »Hab keinen Hunger« und lief in Elinors Bibliothek. Wohin sonst? Immer, wenn sie ihren eigenen Gedanken entkommen wollte, suchte sie Hilfe bei den Büchern. Irgendeines würde sich schon finden, das sie ablenkte, bis es endlich Abend war und alle schlafen gingen, ahnungslos.