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Ist das der Tod?, dachte Mo. Dieses Nichts, erfüllt von blassen Schatten? Manchmal glaubte er, die Finger der bleichen Frauen zu spüren, wie sie ihm in die schmerzende Brust griffen, als wollten sie ihm das Herz zerdrücken. Ihr Atem strich ihm über das heiße Gesicht und sie flüsterten ihm einen Namen zu, doch es war nicht der, an den er sich erinnerte. Eichelhäher, flüsterten sie.

Ihre Stimmen schienen aus kalter Sehnsucht gemacht, aus nichts als Sehnsucht. Es ist ganz leicht, flüsterten sie, du musst nicht einmal die Augen öffnen. Kein Schmerz mehr, keine Dunkelheit. Steh auf, flüsterten sie, es wird Zeit, und schoben ihre weißen Finger zwischen die seinen, so wunderbar kühl auf seiner brennenden Haut.

Doch die andere Stimme ließ ihn nicht gehen. Undeutlich, kaum wahrnehmbar, als käme sie aus weiter Ferne, drang sie durch das Flüstern. Fremd klang sie, fast misstönend zwischen den flüsternden Schatten. Sei still!, wollte er zu ihr sagen, mit seiner Zunge aus Stein. Sei still, bitte, lass mich gehen! Denn nur sie hielt ihn fest in dem brennenden Haus, das sein Körper war. Aber die Stimme sprach weiter.

Er kannte die Stimme, aber woher? Er konnte sich nicht erinnern. Es war lange her, dass er sie zuletzt gehört hatte, zu lange.

In Elinors Keller

Die Bücherregale biegen sich, hoch aufragend Unter tausend schlafenden Seelen.

Stille, hoffnungsvoll -Jedes Mal, wenn ich ein Buch öffne, wird eine Seele geweckt.

Xi Chuan, Books

Ich hätte meinen Keller komfortabler einrichten sollen!, dachte Elinor, während sie zusah, wie Darius ihr die Luftmatratze aufpumpte, die er hinter einem der Vorratsregale gefunden hatte. Andererseits - hatte sie ahnen können, dass sie eines scheußlichen Tages in ihrem Keller würde schlafen müssen, während in ihrer wunderbaren Bibliothek ein bebrilltes Mondgesicht mit seinem sabbernden Hund saß und den Hausherrn spielte? Der elende Köter hatte fast die Fee gefressen, die Orpheus’ Worten entschlüpft war. Eine blaue Fee und eine Lerche, panisch gegen die Scheiben flatternd, das war alles gewesen, was herausgekommen war - für vier Menschen! »Na bitte!«, hatte Orpheus triumphierend verkündet. »Zwei für vier! Es kommen immer weniger heraus. Und irgendwann wird es mir bestimmt gelingen, dass keiner mehr herausrutscht.« Aufgeblasener Dreckskerl! Als ob es irgendwen interessiert hätte, wer herausgekommen war. Resa und Mortimer waren fort! Und Mortola und Basta.

Schnell, Elinor, denk an etwas anderes!

Wenn sie wenigstens hätte hoffen können, dass in nächster Zeit irgendjemand halbwegs Nützliches an ihre Haustür klopfen würde! Aber ein solcher Besucher war leider mehr als unwahrscheinlich. Sie war noch nie sehr gesellig gewesen, schon gar nicht, nachdem Darius die Pflege ihrer Bücher übernommen hatte und Mo, Resa und Meggie bei ihr eingezogen waren. Was brauchte sie mehr an Gesellschaft?

Ihre Nase begann verdächtig zu prickeln. Falscher Gedanke, Elinor!, warnte sie sich - als hätte sie in den letzten Stunden an irgendetwas anderes gedacht. Es geht ihnen gut! Immer wieder sagte sie sich das. Du hättest es gespürt, wenn ihnen etwas passiert wäre. Hieß es nicht so in allen Geschichten? Dass man es spürte, wie ein Stechen in der Brust, wenn jemandem, den man liebte, etwas zustieß?

Darius lächelte ihr zaghaft zu, während sein Fuß unermüdlich den Blasebalg trat. Wie eine Raupe sah die Luftmatratze schon aus, eine riesige, platt getretene Raupe. Wie sollte sie auf dem Ding schlafen? Sie würde herunterrollen und auf dem kalten Zementboden landen.

»Darius!«, sagte sie. »Wir müssen etwas tun! Wir können uns doch nicht einfach hier einsperren lassen, während Mortola...«

O Gott, wie die alte Hexe Mortimer angesehen hatte. Nicht dran denken, Elinor! Einfach nicht dran denken! Auch nicht an Basta und seine Flinte. Oder an Meggie, die ganz allein durch den Weglosen Wald irrt. Ja, bestimmt ist sie allein! Den Jungen hat vermutlich längst ein Riese zertreten. Gut, dass Darius nicht wusste, wie albern ihre Gedanken durcheinander stolperten, dass ihr ständig die Tränen in die Nase stiegen.

»Darius!« Elinor flüsterte, denn bestimmt stand der Schrankmann als Wache vor der Tür. »Darius, es liegt alles an dir! Du musst sie zurücklesen!«

Darius schüttelte so energisch den Kopf, dass ihm fast die Brille von der Nase rutschte. »Nein!« Seine Stimme klang zittrig, wie ein Blatt im Wind, und sein Fuß begann wieder zu pumpen, als gäbe es nichts Dringlicheres als diese dumme Matratze. Dann hielt er ganz plötzlich inne und verbarg das Gesicht in den Händen. »Du weißt, was passiert!«, hörte Elinor ihn mit gepresster Stimme sagen. »Du weißt, was mit ihnen passiert, wenn ich Angst habe.«

Elinor seufzte.

Ja. Sie wusste es. Zerdrückte Gesichter, steife Beine, eine verlorene Stimme. und natürlich hatte er Angst. Vermutlich noch mehr als sie, denn Darius kannte Mortola und Basta wesentlich länger.

»Ja. Ja, schon gut. Du hast Recht«, murmelte sie und begann abwesend, ein paar Konservendosen zurechtzurücken -Tomatensoße, Ravioli (keine sonderlich schmackhaften), rote Bohnen - Mortimer liebte rote Bohnen. Da war es schon wieder, das Prickeln in ihrer Nase.

»Gut!«, sagte sie und drehte sich entschlossen um. »Dann muss dieser Orpheus es eben tun.« Wie gefasst und überlegt ihre Stimme klang. Ja, sie war eine begnadete Schauspielerin. Schon einmal hatte Elinor das erkannt, damals in Capricorns Kirche, als auch alles verloren schien. Wenn sie es recht bedachte, hatte es damals sogar noch ein bisschen finsterer ausgesehen.

Darius blickte sie verständnislos an.

»Sieh mich nicht so an, um Gottes willen!«, zischte sie. »Ich weiß auch noch nicht, wie wir ihn dazu bringen können. Noch nicht.«

Auf und ab begann sie zu gehen, auf und ab, zwischen den Regalen, zwischen Dosen und Gläsern.

»Er ist eitel, Darius!«, flüsterte sie. »Sehr eitel. Hast du gesehen, wie er sich verfärbt hat, als er begriff, dass Meggie geschafft hat, was er seit Jahren vergeblich versucht? Bestimmt würde er sie gern fragen - «, abrupt blieb sie stehen und sah Darius an, »- wie sie das fertig gebracht hat.«

Darius hörte auf zu pumpen. »Ja! Aber dafür müsste Meggie hier sein.«

Sie sahen sich an.

»So machen wir es, Darius!«, flüsterte Elinor. »Wir bringen Orpheus dazu, Meggie zurückzuholen, und dann liest sie Mortimer und Resa wieder her, mit denselben Worten, die er für sie benutzt hat! So müsste es gehen! Ja!« Wieder begann sie auf und ab zu gehen, auf und ab, wie der Panther in dem Gedicht, das sie so liebte. nur dass ihr Blick nicht länger hoffnungslos war. Sie müsste es geschickt anstellen. Dieser Orpheus war klug. Du bist auch klug, Elinor, sagte sie sich. Versuch es einfach!

Sie konnte es nicht ändern, sie müsste erneut daran denken, wie Mortola Mortimer angesehen hatte. Was, wenn es längst zu spät war, was, wenn.? Ach was!

Elinor schob das Kinn vor, nahm die Schultern zurück -und marschierte festen Schrittes auf die Kellertür zu. Mit der flachen Hand schlug sie gegen das weiß lackierte Metall. »He!«, rief sie. »He, Schrankmann! Mach auf! Ich muss diesen Orpheus sprechen! Und zwar sofort.«

Doch hinter der Tür regte sich nichts - und Elinor ließ die Hand wieder sinken. Für einen Moment kam ihr der scheußliche Gedanke, dass die beiden fort waren und sie allein gelassen hatten, eingesperrt. Und hier unten ist nicht mal ein Dosenöffner!, durchfuhr es Elinor. Was für ein lächerlicher Tod. Verhungert zwischen Stapeln von Konservendosen. Sie hob gerade beide Hände, um erneut gegen die Tür zu hämmern, als sie draußen Schritte hörte, Schritte, die sich entfernten, die Treppe hinauf, die vom Keller in ihre Eingangshalle führte.