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Und so hockte er dann da, auf den Schindeln eines löchrigen Daches, den Rücken gegen den kalten Schornstein gelehnt, mit rußgeschwärztem Gesicht (denn das Gesicht ist ein verräterisch helles Ding in der Nacht), und beobachtete, wie dort, wo Capricorns Haus stand, Rauch in den Himmel stieg. Er sah, wie Flachnase mit einigen Männern davonzog, um es zu löschen. Er sah, wie der Schatten aus dem Boden wuchs, wie der alte Mann verschwand, das Gesicht voll grenzenlosem Erstaunen, und wie Capricorn den Tod starb, den er selbst herbeigerufen hatte. Basta starb leider nicht, was wirklich ärgerlich war. Staubfinger sah ihn davonrennen. Die Elster folgte ihm, das sah er auch.

Er sah alles: Staubfinger, der Zuschauer.

Er war schon oft nur der Zuschauer gewesen, und dies war nicht seine Geschichte. Was gingen sie ihn an, Zauberzunge und seine Tochter, der Junge, die Büchernärrin und die Frau, die nun wieder einem anderen gehörte! Sie hätte mit ihm fliehen können, aber sie war in der Gruft geblieben, bei ihrer Tochter, also hatte er sie aus seinem Herzen gestoßen, wie er es immer tat, wenn sich dort jemand zu dauerhaft einnisten wollte. Er war froh, dass der Schatten sie nicht geholt hatte, aber sie ging ihn nichts mehr an. Von nun an würde Resa eben Zauberzunge wieder all die wunderbaren Geschichten erzählen, die die Einsamkeit verscheuchten und das Heimweh und die Angst. Was kümmerte es ihn.

Und die Feen und die Kobolde, die da plötzlich auf Capricorns Platz herumstolperten? Sie hatten in dieser Welt ebenso wenig zu suchen wie er und auch sie würden ihn nicht vergessen lassen, dass er nur aus einem Grund noch hier war. Nur das Buch interessierte ihn noch, nur das Buch, und als er gesehen hatte, wie Zauberzunge es sich unter die Jacke schob, hatte er beschlossen, es sich zurückzuholen. Wenigstens das Buch würde ihm gehören, es musste ihm gehören. Er würde über die Seiten streichen, und wenn er dabei die Augen schloss, würde er wieder zu Hause sein.

Der Alte war nun dort, der Alte mit dem faltigen Gesicht. Verrückt. Ja, deine Angst, Staubfinger!, dachte er bitter. Du bist und bleibst ein Feigling. Warum hast du nicht neben Capricorn gestanden? Warum hast du dich nicht hinuntergetraut, vielleicht wärst du dann verschwunden, so wie der Alte verschwunden ist.

Die Fee mit den Schmetterlingsflügeln und dem milchweißen Gesicht war ihm nachgeschwirrt. Sie war ein eitles kleines Ding. Jedes Mal, wenn sie ihr Spiegelbild in irgendeinem Fenster sah, verweilte sie mit einem selbstvergessenen Lächeln davor, drehte und wendete sich in der Luft, fuhr sich mit den Fingern durchs Haar und betrachtete sich, als wäre sie jedes Mal aufs Neue entzückt von der eigenen Schönheit. Die Feen, die er gekannt hatte, waren nicht besonders eitel gewesen, im Gegenteil, manchmal hatten sie ein ausgesprochenes Vergnügen daran gehabt, sich die winzigen Gesichter mit Schlamm oder Blütenstaub zu beschmieren und ihn dann kichernd zu fragen, welche von ihnen sich hinter all dem Schmutz verbarg.

Vielleicht sollte ich mir doch eine fangen!, dachte Staubfinger. Sie könnte mich unsichtbar machen. Es wäre wunderbar, mal wieder unsichtbar zu sein. Und so einen Kobold - ich könnte mit ihm auftreten. Alle würden glauben, er wäre nichts als ein klein gebliebener Mensch in einem pelzigen Anzug. Niemand kann so lange auf dem Kopf stehen wie ein Kobold, niemand kann so gut Grimassen schneiden, und dann ihre komischen ausgelassenen Tänzchen ... ja, warum nicht?

Als der Mond schon über den halben Himmel gewandert war und Staubfinger immer noch auf dem Dach hockte, wurde die Fee mit den Schmetterlingsflügeln ungeduldig. Ihr Klingeln klang schrill und zornig, als sie um ihn herumschwirrte. Was wollte sie? Dass er sie dorthin zurückbrachte, wo sie hergekommen war, dorthin, wo alle Feen Schmetterlingsflügel hatten und man ihre Sprache verstand?

»Da redest du mit dem Falschen«, sagte er leise zu ihr. »Siehst du das Mädchen dort unten und den Mann, der neben der Frau mit dem aschblonden Haar sitzt? Das sind die Richtigen, aber ich sage dir gleich: Sie sind zwar groß darin, dich in ihre Welt hineinzulocken, doch vom Zurückbringen verstehen sie nicht viel. Trotzdem, versuch es! Vielleicht hast du ja mehr Glück als ich!«

Die Fee drehte sich um, blickte hinunter, warf ihm einen letzten, gekränkten Blick zu und schwirrte davon. Staubfinger sah, wie ihr Leuchten sich mit dem Leuchten der anderen Feen mischte, wie sie sich umschwirrten und durch die Zweige der Bäume jagten. Sie waren so vergesslich. Kein Kummer lebte länger als einen Tag in ihren kleinen Köpfen - und wer weiß, vielleicht hatte die milde Nachtluft sie längst vergessen lassen, dass dies nicht ihre Geschichte war.

Es dämmerte schon, als unten endlich alle schliefen. Nur der Junge hielt Wache. Er war ein misstrauischer Junge, immer auf der Hut, immer wachsam, außer wenn er mit dem Feuer spielte. Staubfinger musste lächeln, als er an sein eifriges Gesicht dachte und daran, wie er sich die Lippen versengt hatte, als er sich aus seinem Rucksack heimlich die Fackeln geholt hatte. Der Junge würde kein Problem sein. Nein. Ganz gewiss nicht.

Zauberzunge und Resa schliefen unter einem Baum, Meggie lag zwischen den beiden, behütet wie ein junger Vogel im warmen Nest. Nur einen Schritt weiter schlief Elinor. Sie lächelte im Schlaf. Staubfinger hatte sie noch nie so glücklich gesehen. Auf ihrer Brust lag eine der Feen, zusammengerollt wie ein Engerling, Elinor hatte die Hand um sie gelegt. Das Gesicht der Fee war kaum größer als ihre Daumenkuppe, und das Feenlicht sickerte durch Elinors kräftige Finger wie ein eingefangener Stern.

Farid richtete sich auf, sobald er Staubfinger näher kommen sah. Er hatte eine Flinte in der Hand, bestimmt hatte sie mal einem von Capricorns Männern gehört. »Du ... du bist gar nicht tot?«, hauchte er ungläubig. Er trug immer noch keine Schuhe. Kein Wunder, er war ständig über die Schuhbänder gestolpert, und das Schleifenbinden hatte ihm große Probleme bereitet.

»Nein, ich bin nicht tot.« Staubfinger blieb neben Zauberzunge stehen und blickte auf ihn hinunter, auf ihn und Resa. »Wo ist Gwin?«, fragte er den Jungen. »Ich hoffe, du hast gut auf ihn aufgepasst!«

»Er war weggelaufen, nachdem sie auf uns geschossen hatten, aber er ist zurückgekommen!« Aus der Stimme des Jungen klang Stolz.

»So.« Staubfinger ging neben Zauberzunge in die Hocke. »Tja, er wusste schon immer, wann es Zeit wird, davonzurennen, genau wie sein Herr.«

»Letzte Nacht haben wir ihn im Lager gelassen, oben bei dem verbrannten Haus, weil wir wussten, dass es ziemlich gefährlich wird«, fuhr der Junge fort. »Aber ich wollte ihn holen gehen, sobald meine Wache vorbei ist.«

»Nun, das kann ich ja nun erledigen. Mach dir keine Sorgen, es geht ihm bestimmt gut. So ein Marder weiß sich durchzuschlagen.« Staubfinger streckte die Hand aus und schob sie unter Zauberzunges Jacke.

»Was tust du?« Die Stimme des Jungen klang beunruhigt.

»Ich nehme mir nur, was mir gehört«, antwortete Staubfinger.

Zauberzunge regte sich nicht, als er ihm das Buch aus der Jacke zog. Er schlief tief und fest. Was sollte seinen Schlaf auch jetzt noch stören? Er hatte alles, was er begehrte.

»Es ist nicht deins!«

»Ist es doch.« Staubfinger richtete sich auf. Er sah hinauf in die Zweige. Gleich drei Feen schliefen da oben, er hatte sich immer schon gefragt, wie sie in den Bäumen schlafen konnten, ohne herunterzufallen. Vorsichtig pflückte er zwei von dem dünnen Zweig, auf dem sie lagen, pustete ihnen sacht ins Gesicht, als sie gähnend die Augen aufschlugen, und schob sie in seine Tasche.

»Das Pusten macht sie schläfrig«, erklärte er dem Jungen. »Nur ein kleiner Tipp - falls du mal mit ihnen zu tun hast. Aber ich glaube, es funktioniert nur bei den blauen.«

Einen Kobold weckte er nicht auf. Sie waren ein starrköpfiges Volk, es würde lange dauern, einen von ihnen davon zu überzeugen, mit ihm zu gehen, und womöglich würde Zauberzunge vorher aufwachen.