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»Nun, er hatte natürlich nichts als den gehörnten Marder dabei, mit dessen Kunststücken er sich seinen Lebensunterhalt verdiente. Ich glaube nicht, dass einer der drei begriff, was geschehen war. Ich begriff es ja auch erst viel später. Meine Stimme hatte sie aus ihrer Geschichte rutschen lassen wie ein Lesezeichen, das jemand zwischen den Seiten vergessen hat. Wie sollten sie das begreifen?

Basta stieß Staubfinger so grob von sich, dass er hinfiel, und wollte sein Schwert ziehen, doch seine Hände, bleich wie Papier, hatten offenbar noch keine Kraft. Das Schwert rutschte ihm aus den Fingern und fiel auf den Teppich. Die Klinge sah aus, als klebte getrocknetes Blut daran, aber vielleicht war es auch nur das Feuer, das sich darauf spiegelte. Capricorn stand da und sah sich um. Ihm schien schwindelig zu sein, er taumelte wie ein Tanzbär, der sich zu lange gedreht hat. Das hat uns vermutlich gerettet, zumindest hat Staubfinger das immer behauptet. Wären Basta und sein Herr schon ganz bei Kräften gewesen, so hätten sie uns vermutlich getötet. Aber sie waren noch nicht ganz angekommen in dieser Welt, und ich griff mir dieses abscheuliche Schwert, das zwischen meinen Büchern auf dem Teppich lag. Es war schwer, viel schwerer, als ich es mir vorgestellt hatte. Ich muss furchtbar lächerlich ausgesehen haben mit dem Ding. Wahrscheinlich habe ich es wie einen Staubsauger oder einen Stock umklammert, doch als Capricorn taumelnd auf mich zukam und ich ihm die Klinge entgegenhielt, blieb er tatsächlich stehen. Ich stammelte herum, versuchte ihm klar zu machen, was passiert war, obwohl ich es selbst nicht verstand, aber Capricorn starrte mich bloß an mit seinen wasserblassen Augen, während Basta neben ihm stand, die Hand an seinem Messer, und darauf zu warten schien, dass sein Herr ihm befahl, uns allen die Kehle durchzuschneiden.«

»Und der Streichholzfresser?« Auch Elinors Stimme klang heiser.

»Der saß immer noch auf dem Teppich, wie betäubt und ohne einen Laut von sich zu geben. Um ihn machte ich mir keine Gedanken. Wenn du einen Korb öffnest und es kriechen zwei Schlangen und eine Eidechse heraus, dann kümmerst du dich zunächst nur um die Schlangen, oder?«

»Und meine Mutter?« Meggie konnte nur flüstern. Sie war es nicht gewohnt, das Wort auszusprechen.

Mo sah sie an. »Ich konnte sie nirgends entdecken! Du knietest immer noch zwischen deinen Büchern und starrtest mit großen Augen die fremden Männer an, wie sie da standen mit ihren schweren Stiefeln und ihren Waffen. Ich hatte furchtbare Angst um euch, aber zu meiner Erleichterung schenkten weder Basta noch Capricorn dir irgendwelche Beachtung. >Schluss mit dem Gerede !<, sagte Capricorn schließlich, als ich mich immer mehr in meinen eigenen Worten verhaspelte. >Es interessiert mich nicht, wie ich an diesen armseligen Ort gekommen bin, bring uns auf der Stelle zurück, du verfluchter Zauberer, oder Basta schneidet dir deine geschwätzige Zunge aus dem Mund.< Das klang nicht gerade beruhigend und ich hatte in den ersten Kapiteln genug über die zwei gelesen, um zu wissen, dass Capricorn meinte, was er sagte. Mir wurde schwindelig, so verzweifelt überlegte ich, wie ich diesen Alptraum beenden könnte. Ich hob das Buch auf, vielleicht, wenn ich die Stelle noch mal las ... ich versuchte es. Ich stolperte durch die Worte, während Capricorn mich anstarrte und Basta das Messer aus dem Gürtel zog. Nichts passierte. Die beiden standen da, in meinem Haus, und machten keine Anstalten, in ihre Geschichte zurückzuschlüpfen. Und plötzlich war ich ganz sicher, dass sie uns töten würden. Und ich ließ das Buch fallen, dieses unglückselige Buch, und hob das Schwert auf, das ich auf den Teppich geworfen hatte. Basta versuchte mir zuvorzukommen, doch ich war schneller. Ich musste das verdammte Ding mit beiden Händen halten, ich erinnere mich immer noch, wie kalt das Heft sich anfühlte. Frag mich nicht, wie es mir gelang, aber ich schaffte es, Basta und Capricorn auf den Flur hinauszutreiben. Es ging etliches zu Bruch dabei, so heftig habe ich mit dem Schwert herumgefuchtelt, du fingst an zu weinen und ich wollte mich zu dir umdrehen und dir sagen, dass das alles nur ein böser Spuk sei, aber ich hatte alle Hände voll damit zu tun, Bastas Messer und Capricorns Schwert von mir fern zu halten. Jetzt ist es passiert, musste ich immer wieder denken, jetzt steckst du mitten in einer Geschichte, so wie du es dir immer gewünscht hast, und es ist schrecklich. Die Angst schmeckt ganz anders, wenn man nicht nur über sie liest, Meggie, und es machte nicht halb so viel Spaß, den Helden zu spielen, wie ich gedacht hatte. Die beiden hätten mich bestimmt getötet, wenn sie nicht immer noch etwas schwach auf den Beinen gewesen wären. Capricorn brüllte mich an, die Augen quollen ihm fast aus dem Kopf vor Zorn. Basta fluchte und drohte und verpasste mir einen bösen Schnitt am Oberarm, doch dann stand die Haustür plötzlich auf und die beiden verschwanden in der Nacht, taumelnd wie Betrunkene. Ich schaffte es kaum, die Riegel vorzuschieben, so sehr zitterten meine Finger. Ich lehnte mich gegen die Tür, lauschte nach draußen, aber alles, was ich hörte, war mein eigenes rasendes Herz. Und dann hörte ich dich im Wohnzimmer weinen und erinnerte mich daran, dass da ja noch ein Dritter war. Ich stolperte zurück, das Schwert immer noch in der Hand, und da stand Staubfinger, mitten im Raum. Er hatte keine Waffe, nur den Marder auf seinen Schultern, und er wich zurück, das Gesicht bleich wie der Tod, als ich auf ihn zukam. Ich muss furchtbar ausgesehen haben, das Blut lief mir den Arm herunter und ich zitterte am ganzen Leib, ob mehr vor Angst oder Zorn, hätte ich nicht sagen können. >Bitte!<, flüsterte er. >Töte mich nicht! Ich habe nichts mit den beiden zu schaffen. Ich bin nur ein Gaukler, ein harmloser Feuerspucker. Ich kann es dir beweisen.< Und ich antwortete: >Ja, ja, schon gut. Ich weiß, du bist Staubfinger! < Und er duckte sich ehrfurchtsvoll vor mir, dem allwissenden Zauberer, der alles über ihn wusste und ihn aus seiner Welt gepflückt hatte wie einen Apfel aus einem Baum. Der Marder kletterte an seinem Arm hinunter, sprang auf den Teppich und lief auf dich zu. Du hörtest auf zu weinen und strecktest die Hand nach ihm aus. > Vorsicht, er beißt<, sagte Staubfinger und scheuchte ihn von dir weg. Ich achtete nicht auf ihn. Ich spürte plötzlich nur, wie still das Zimmer war. Wie still und leer. Ich sah das Buch auf dem Teppich liegen, aufgeschlagen, so wie ich es hatte fallen lassen, und das Kissen, auf dem deine Mutter gesessen hatte. Sie war nicht da. Wo war sie? Ich rief ihren Namen, ich rief ihn immer wieder. Ich lief in alle Zimmer. Aber sie war fort.«

Elinor saß kerzengerade da und starrte ihn an. »Was redest du denn da, um Gottes willen?«, stieß sie hervor. »Sie ist fortgegangen, hast du mir erzählt, auf irgend so eine dumme Abenteuerreise, und nicht zurückgekommen!«

Mo lehnte den Kopf gegen die Mauer. »Irgendetwas musste ich mir doch ausdenken, Elinor«, sagte er. »Die Wahrheit konnte ich jawohl kaum erzählen, oder?«

Meggie strich mit der Hand über seinen Arm, dort, wo sich die lange, blasse Narbe unter Mos Hemd verbarg. »Du hast mir immer gesagt, du hast dir den Arm aufgeschnitten, als du durch ein zerbrochenes Fenster geklettert bist.«

»Sicher. Die Wahrheit war einfach zu verrückt. Nicht wahr?«

Meggie nickte. Er hatte Recht, sie hätte es nur für eine weitere seiner Geschichten gehalten. »Sie ist nie zurückgekommen?«, flüsterte sie, obwohl sie die Antwort wusste.

»Nein«, antwortete Mo. »Basta, Capricorn und Staubfinger sind aus dem Buch herausgekommen und sie ist hineingegangen, zusammen mit unseren zwei Katzen, die wie immer auf ihrem Schoß saßen, als ich vorlas. Vermutlich ist für Gwin auch irgendjemand verschwunden, eine Spinne vielleicht oder eine Fliege oder irgendein Vogel, der gerade ums Haus flatterte ...« Mo schwieg.