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»Halt dein schmutziges Maul, alter Mann!« Bastas Messer kam Fenoglios Gesicht bedrohlich nahe. Für einen Augenblick dachte Meggie, er würde ihm die Nase aufschlitzen. »Du weißt gar nichts von Capricorn. Nur das, was du in dem dummen Buch gelesen hast, und ich glaube, ich sollte dir jetzt den Hals durchschneiden!«

»Warte!«

Basta fuhr zu Meggie herum. »Misch dich nicht ein! Zu dir komm ich später, kleine Kröte«, sagte er.

Fenoglio hatte die Hände gegen seinen Hals gepresst und sah Basta fassungslos an. Offenbar hatte er endlich begriffen, dass er keineswegs sicher vor seinem Messer war.

»Wirklich! Du kannst ihn nicht töten!«, rief Meggie. »Sonst ...«

Basta strich mit dem Daumen über die Klinge seines Messers »Sonst was?«

Meggie suchte verzweifelt nach den richtigen Worten. Was sollte sie antworten? Was? »Weil ... Capricorn auch sterben würde!«, stieß sie hervor. »Ja! Genau! Ihr würdet alle sterben, du und Flachnase und Capricorn ... Wenn du den alten Mann tötest, dann sterbt ihr alle, weil er euch erfunden hat!«

Basta verzog die Lippen zu einem höhnischen Lächeln, aber er ließ das Messer sinken. Und für einen Moment glaubte Meggie in seinen Augen sogar so etwas wie Angst zu entdecken.

Fenoglio warf ihr einen erleichterten Blick zu.

Basta trat einen Schritt zurück, musterte die Klinge seines Messers so angestrengt, als hätte er einen Fleck darauf entdeckt, und rieb sie mit einem Zipfel seiner schwarzen Jacke blank. »Ich glaube euch kein Wort, nur dass das klar ist!«, sagte er. »Aber die Geschichte klingt so verrückt, dass Capricorn sie vielleicht auch gern hören würde. Deshalb« - er warf einen letzten Blick auf das blanke Messer, ließ es zusammenschnappen und steckte es zurück in den Gürtel - »werden wir nicht nur das Buch und das Mädchen mitnehmen, sondern auch dich, alter Mann.«

Meggie hörte, wie Fenoglio scharf den Atem einzog. Sie selbst war nicht sicher, ob ihr Herz vor Angst überhaupt noch schlug. Basta würde sie mitnehmen. Nein!, dachte sie. Nein.

»Mitnehmen? Wohin?«, fragte Fenoglio.

»Frag die Kleine!« Basta wies spöttisch in Meggies Richtung. »Sie und ihr Vater hatten schon mal die Ehre, unsere Gäste zu sein. Übernachtung, Verpflegung, alles inbegriffen.«

»Aber das ist doch Unsinn!«, rief Fenoglio. »Ich dachte, es geht um das Buch!«

»Nun, da hast du falsch gedacht. Wir wussten ja nicht mal, dass es noch eins geben soll. Wir sollten nur Zauberzunge zurückbringen. Capricorn mag es gar nicht, wenn seine Gäste ihn verlassen, ohne sich zu verabschieden, und Zauberzunge ist ein ganz besonderer Gast, nicht wahr, Schätzchen?« Basta zwinkerte Meggie zu. »Aber er ist nicht hier und ich hab Besseres zu tun, als auf ihn zu warten. Deshalb werde ich seine Tochter mitnehmen, auf die Art kommt er ganz von selbst hinterhergestolpert.« Basta trat auf Meggie zu und strich ihr das Haar hinter die Ohren. »Ist sie nicht ein hübscher Köder?«, fragte er. »Glaub mir, alter Mann: Wenn man die Kleine hat, hat man ihren Vater wie einen Tanzbären am Nasenring.«

Meggie schlug seine Hand zur Seite. Sie zitterte vor Wut.

»Mach das nicht noch mal!«, flüsterte Basta ihr ins Ohr.

Meggie war froh, dass Flachnase in dem Moment die Treppe heruntergestampft kam. Atemlos erschien er in der Küchentür, mit einem Stapel Bücher unterm Arm. »Da!«, stieß er hervor, während er sie auf dem Tisch ab lud. »Die fangen alle mit diesem abgebrochenen Kreuz an, und der Strich kommt auch jedes Mal hinterher. Genau, wie du es aufgezeichnet hast.« Er legte einen schmierigen Zettel neben die Bücher. Ein ungelenkes T und ein I waren darauf gekritzelt. Die Buchstaben sahen aus, als hätte die Hand, die sie geschrieben hatte, viel Mühe damit gehabt.

Basta verteilte die Bücher auf dem Tisch und schob sie mit dem Messer auseinander. »Falsch«, sagte er und schubste zwei über die Tischkante, sodass sie mit verknickten Seiten auf dem Fußboden landeten. »Und die da auch.« Noch zwei landeten auf dem Boden, und schließlich stieß Basta auch den Rest vom Tisch. »Du bist ganz sicher, dass da nicht noch eins ist?«, fragte er Flachnase.

»Ja!«

»Wehe, du irrst dich. Glaub mir, dann krieg nicht ich den Ärger sondern du!«

Flachnase warf einen beunruhigten Blick auf die Bücher zu seinen Füßen.

»Ach ja, noch eine kleine Änderung: Den da nehmen wir auch mit!« Basta wies mit dem Messer auf Fenoglio. »Damit er dem Boss seine schönen Geschichten erzählen kann. Glaub mir, sie sind wirklich sehr unterhaltsam. Und für den Fall, dass er doch noch ein Buch versteckt hat: Zu Hause werden wir genug Zeit haben, ihn danach zu fragen. Du behältst den Alten im Auge, ich pass auf die Kleine auf.«

Flachnase nickte und zerrte Fenoglio von seinem Stuhl hoch. Basta aber griff nach Meggies Arm. Zurück zu Capricorn - sie biss sich auf die Lippen, um nicht loszuweinen, während Basta sie auf Fenoglios Küchentür zu zerrte. Nein. Keine Träne würde Basta von ihr zu sehen bekommen, die Freude würde sie ihm nicht machen. Wenigstens haben sie Mo nicht bekommen!, dachte sie. Und plötzlich konnte sie nur noch eins denken: Was, wenn er ihnen über den Weg lief, bevor sie das Dorf verließen? Was, wenn er ihnen mit Elinor entgegenkam?

Mit einem Mal hatte sie es sehr eilig fortzukommen, aber Flachnase war in der offenen Tür stehen geblieben. »Was ist mit der Kleinen und der Heulsuse im Schrank?«, fragte er.

Pippos Weinen verstummte und Fenoglios Gesicht wurde weißer als Bastas Hemd.

»Nun, Alter, was denkst du, was ich mit den beiden mache?«, fragte Basta höhnisch. »Wo du doch alles über mich zu wissen glaubst.«

Fenoglio brachte kein Wort heraus. Wahrscheinlich schoss ihm jede Grausamkeit durch den Kopf, die er Basta je angedichtet hatte.

Basta genoss die Angst auf seinem Gesicht ein paar köstliche Minuten lang, dann drehte er sich zu Flachnase um. »Die Kinder bleiben hier«, sagte er. »Ein Gör reicht.«

Fenoglio fand nur mühsam seine Stimme wieder. »Paula, ihr geht nach Hause!«, rief er, während Flachnase ihn den Flur hinunterschob. »Hört ihr? Ihr geht sofort nach Hause. Sagt eurer Mutter, ich bin ein paar Tage verreist! Verstanden?«

»Wir gehen noch mal an der Wohnung vorbei«, befahl Basta, als sie draußen auf der Gasse standen. »Ich hab ganz vergessen, deinem Vater eine Nachricht zu hinterlassen. Schließlich soll er doch wissen, wo du bist, oder?«

Was für eine Nachricht soll das werden, wo du kaum zwei Buchstaben richtig schreiben kannst?, dachte Meggie, aber das sprach sie natürlich nicht aus. Den ganzen Weg über hatte sie Angst, dass Mo ihnen entgegenkommen würde. Aber als sie vor der Wohnungstür standen, kam nur eine alte Frau die Gasse herunter.

»Ein Wort und ich gehe zurück und drehe den beiden Kindern die Hälse um!«, flüsterte Basta Fenoglio zu, als die Frau ihren Schritt verlangsamte.

»Hallo, Rosalia«, sagte Fenoglio mit belegter Stimme. »Jetzt habe ich schon wieder Mieter für meine Wohnung. Was sagst du dazu?«

Das Misstrauen verschwand von Rosalias Gesicht, und ein paar Atemzüge später war sie am Ende der Gasse verschwunden. Meggie schloss auf und ließ Basta und Flachnase zum zweiten Mal in die Wohnung, in der sie und Mo sich so sicher gefühlt hatten.

Im Flur fiel ihr wieder die Graue ein. Besorgt sah sie sich nach ihr um, aber sie konnte sie nirgendwo entdecken. »Die Katze muss noch raus«, sagte sie, als sie im Schlafzimmer standen. »Sie verhungert doch sonst.«

Basta stieß das Fenster auf. »Nun kann sie raus«, sagte er.