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Flachnase schnaubte verächtlich, aber diesmal sagte er nichts über Bastas Aberglauben.

»Kann ich etwas zum Anziehen mitnehmen?«, fragte Meggie.

Flachnase grunzte nur. Und Fenoglio blickte unglücklich an sich herunter. »Ich könnte auch noch was zum Anziehen gebrauchen«, sagte er, aber keiner beachtete ihn. Basta war damit beschäftigt, seine Nachricht zu hinterlassen. Sorgfältig, die Zungenspitze zwischen die Zähne geklemmt, ritzte er mit dem Messer seinen Namen in den Kleiderschrank. BASTA. Die Nachricht würde Mo nur zu gut verstehen.

Meggie stopfte hastig ein paar Sachen in ihren Rucksack. Mos Pullover behielt sie an. Als sie Elinors Bücher zwischen die Kleider stopfen wollte, schlug Basta sie ihr aus der Hand.

»Die bleiben hier!«, sagte er.

Mo kam ihnen nicht entgegen, als sie zu Bastas Wagen gingen.

Den ganzen endlosen Weg lang nicht.

In den pelzigen Hügeln

»Laß ihn in Ruhe«, sagte Merlin. »Vielleicht will er erst Freundschaft mit dir schließen, wenn er dich genauer kennt. Bei Eulen geht das nicht so haste-was-kannste.«

T. H. White, Der König auf Camelot

Staubfinger blickte hinüber zu Capricorns Dorf. Zum Greifen nah schien es. In einigen Fenstern spiegelte sich der Himmel und auf einem der Dächer wechselte einer der Schwarzjacken ein paar zerbrochene Schindeln aus. Staubfinger sah, wie er sich den Schweiß von der Stirn wischte. Nicht mal bei dieser Hitze zogen die Dummköpfe ihre Jacken aus - als hätten sie Angst, auseinander zu fallen ohne ihre schwarze Kluft. Nun ja, auch Krähen legten ihre Federn in der Sonne nicht ab, und nichts als ein Schwarm Krähen waren sie, Räuber, Aasfresser, die ihre scharfen Schnäbel gern in totes Fleisch schlugen.

Den Jungen hatte es zuerst beunruhigt, wie nah beim Dorf das Versteck lag, das Staubfinger ausgewählt hatte, doch er hatte ihm erklärt, warum es nirgendwo auf den umliegenden Hügeln einen sichereren Platz für sie gab. Die verkohlten Mauern waren kaum noch zu entdecken. Wolfsmilch, Ginster und wilder Thymian hatten sich in die rußschwarzen Steine gekrallt, mit grünen Zweigen Schmerz und Unglück zugedeckt. Capricorns Männer hatten das Haus angesteckt, kurz nachdem sie das verlassene Dorf in Besitz genommen hatten. Die alte Frau, die in dem Haus gelebt hatte, hatte sich geweigert fortzugehen, doch Capricorn duldete keine neugierigen Augen so nah an seinem neuen Unterschlupf. Und so hatte er sie losgelassen, seine Krähen, seine schwarzen Männer und sie hatten Feuer gelegt an den selbst gezimmerten Hühnerstall und an das Haus, in dem es nur ein einziges Zimmer gab. Sie hatten die mühsam angelegten Beete zertrampelt und den Esel erschossen, der fast so alt wie seine Besitzerin war. Im Schutz der Dunkelheit waren sie gekommen, wie immer, der Mond hatte besonders hell geleuchtet in dieser Nacht, so hatte eine von Capricorns Mägden es Staubfinger erzählt. Die alte Frau war aus dem Haus gestolpert und hatte geweint und geschrien. Und dann hatte sie sie alle verflucht, aber angesehen hatte sie dabei nur einen, Basta, der etwas abseits gestanden hatte, weil er Angst vor dem Feuer hatte, sein Hemd so weiß im Mondlicht. Vielleicht hatte sie dahinter so etwas wie Unschuld oder ein gutes Herz vermutet. Flachnase hatte ihr auf Bastas Weisung hin den Mund zugehalten, während die anderen lachten - und plötzlich war sie tot gewesen. Leblos hatte sie zwischen ihren zertretenen Beeten gelegen, und seit diesem Tag fürchtete Basta keinen Ort in den Hügeln so sehr wie den Platz, an dem die verkohlten Mauern aus der Wolfsmilch ragten. Ja, es gab keinen besseren Platz, um Capricorns Dorf zu beobachten.

Staubfinger hockte meist in einer der Steineichen, die früher vielleicht der Alten Schatten gespendet hatten, wenn sie vor ihrem Haus saß. Die Zweige verbargen ihn sicher vor jedem neugierigen Blick, der sich den Hang hinauf verirrte. Stunde um Stunde hockte er so da, reglos, mit dem Fernglas den Parkplatz und die Häuser beobachtend. Er hatte Farid angewiesen, weiter hinten zu bleiben, in der Senke hinter dem Haus. Der Junge hatte nur widerwillig gehorcht. Wie eine Klette klebte er an Staubfingers Fersen. Das niedergebrannte Haus war ihm unheimlich. »Ihr Geist ist bestimmt noch hier«, sagte er immer wieder, »der Geist der alten Frau. Was, wenn sie eine Hexe war?«

Aber Staubfinger lachte ihn nur aus. In dieser Welt gab es keine Geister. Zumindest ließen sie sich nicht sehen. Die Senke lag so geschützt, dass er es in der vergangenen Nacht sogar riskiert hatte, Feuer zu machen. Der Junge hatte ein Kaninchen gefangen, er war ein geschickter Schlingenleger und mitleidloser als Staubfinger. Wenn der ein Kaninchen fing, ging er immer erst hin, wenn er sicher sein konnte, dass das arme Ding nicht mehr zappelte. Farid kannte solches Mitgefühl nicht. Vielleicht hatte er zu oft Hunger gehabt.

Mit welcher Bewunderung er jedes Mal zusah, wenn Staubfinger mit ein paar dünnen Zweigen Feuer machte! Sämtliche Finger hatte der Junge sich schon verbrannt mit seinen Flammenspielchen. In die Nase und die Lippen hatte ihn das Feuer gebissen, und trotzdem ertappte Staubfinger ihn immer wieder dabei, wie er sich Fackeln drehte, aus Watte und dünnen Zweigen, oder mit den Streichhölzern herumspielte. Einmal hatte er das trockene Gras dabei angesteckt, und Staubfinger hatte ihn gepackt und geschüttelt wie einen ungehorsamen Hund, bis ihm die Tränen gekommen waren. »Hör zu, ich sag es nicht noch mal! Das Feuer ist ein gefährliches Tier!«, hatte er ihn angefahren. »Es ist nicht dein Freund. Es wird dich töten, wenn du es falsch behandelst, und dich mit seinem Rauch an deine Feinde verraten!«

»Aber dein Freund ist es!«, hatte der Junge gestammelt, Trotz in der Stimme.

»Unsinn! Ich bin nur nicht leichtsinnig. Ich achte auf den Wind! Hundertmal habe ich es dir schon gesagt: Mach kein Feuer, wenn es windig ist. Und jetzt verschwinde und such nach Gwin.«

»Und es ist doch dein Freund!«, hatte der Junge gemurmelt bevor er sich davonmachte. »Auf jeden Fall gehorcht es dir besser als der Marder.«

Damit hatte er Recht. Was nicht viel hieß, denn ein Marder gehorcht nun mal nur sich selbst, und auch das Feuer gehorchte Staubfinger in dieser Welt nicht halb so gut wie in der anderen. Dort hatten sich die Flammen zu Blüten geformt, wenn er es ihnen sagte. Sie hatten sich für ihn wie Bäume in der Nacht verzweigt und Funken auf ihn herabregnen lassen. Sie hatten gebrüllt und geflüstert, mit knisternden Stimmen, und mit ihm getanzt. Hier waren die Flammen zahm und störrisch zugleich, stumme, fremde Tiere, die ab und zu die Hand bissen, die sie fütterte. Nur manchmal, in kalten Nächten, wenn das Feuer das Einzige war, was die Einsamkeit vertrieb, glaubte er es wispern zu hören, doch es waren Worte, die er nicht verstand.

Trotzdem hatte der Junge vermutlich Recht. Das Feuer war sein Freund, doch es war auch schuld daran, dass Capricorn ihn hatte zu sich bringen lassen, damals, in dem anderen Leben. »Zeig mir, wie man mit dem Feuer spielt!«, hatte er gesagt, nachdem seine Männer Staubfinger zu ihm geschleppt hatten, und Staubfinger hatte gehorcht. Noch heute bereute er, wie viel er ihn gelehrt hatte, denn Capricorn liebte es, das Feuer vom Zügel zu lassen und es erst wieder einzufangen, wenn es sich satt gefressen hatte, an Ernten und Ställen, an Häusern und allem, was nicht schnell genug davonlaufen konnte.

»Ist er immer noch fort?« Farid lehnte sich gegen die borkige Rinde des Baumes. Leise wie eine Schlange war der Junge. Staubfinger schrak immer noch jedes Mal zusammen, wenn er so plötzlich auftauchte.

»Ja!«, antwortete er. »Das Glück lächelt uns zu.« Am Tag ihrer Ankunft hatte Capricorns Wagen noch auf dem Parkplatz gestanden doch am Nachmittag hatten zwei seiner Jungen damit begonnen, den silbernen Lack zu polieren, bis sie sich darin spiegeln konnten, und kurz bevor es dunkel wurde, war er dann davongefahren. Capricorn ließ sich oft herumfahren, zu den Orten unten an der Küste oder zu einem seiner Stützpunkte, wie er sie gern nannte, obwohl das oft kaum mehr war als eine Hütte im Wald mit einem oder zwei gelangweilten Männern. Er selbst konnte ebenso wenig ein Auto steuern wie Staubfinger, doch einige seiner Männer beherrschten diese Kunst, auch wenn sie fast alle keinen Führerschein besaßen, denn dafür musste man lesen können.