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Die anderen zwei lachten, und Meggie konnte nichts dagegen tun, dass ihr das Blut ins Gesicht schoss.

»Na endlich!«, rief Capricorn, als Basta mit ihr vor den Treppenstufen Halt machte. »Warum hat das so lange gedauert?« Über das Gesicht der Elster huschte fast so etwas wie ein Lächeln. Sie hatte die Unterlippe etwas vorgeschoben, was ihrem hageren Gesicht einen Ausdruck großer Zufriedenheit gab. Diese Zufriedenheit beunruhigte Meggie sehr viel mehr als die finstere Miene, die Capricorns Mutter gewöhnlich zur Schau trug.

»Der Posten hat den Schlüssel nicht gefunden!«, erwiderte Basta ärgerlich. »Und dann musste ich auch noch das hier einfangen.« Die Fee begann sich erneut zu regen, als er die Jacke hochhielt. Der Stoff beulte sich unter ihren verzweifelten Versuchen, sich zu befreien.

»Was soll das sein?« Capricorns Stimme klang ungeduldig. »Fängst du neuerdings Fledermäuse?«

Bastas Lippen wurden schmal vor Ärger, doch er verkniff sich eine Antwort und schob wortlos die Hand unter den schwarzen Stoff. Mit einem unterdrückten Fluch zog er die Fee darunter hervor. »Zum Teufel mit den Flimmerdingern!«, schimpfte er. »Ich hatte ganz vergessen, wie fest sie zubeißen können!«

Tinker Bell flatterte verzweifelt mit einem Flügel, der andere klemmte zwischen Bastas Fingern. Meggie konnte nicht hinsehen. Sie schämte sich, das kleine, zerbrechliche Ding aus seinem Buch gelockt zu haben. Sie schämte sich so sehr.

Capricorn musterte die Fee mit angeekeltem Gesicht. »Wo kommt denn die her? Und was für eine Sorte ist das? Ich habe noch nie eine mit solchen Flügeln gesehen.«

Basta zog Peter Pan aus dem Gürtel und legte das Buch auf die Stufen. »Ich glaube, sie stammt aus dem da«, sagte er. »Sieh dir das Bild auf dem Umschlag an, innendrin sind auch Bilder von ihr. Und nun rate, wer sie herausgelesen hat.« Er drückte Tinker Bell so fest, dass sie lautlos nach Luft schnappte, und legte die andere Hand auf Meggies Schulter. Sie versuchte seine Finger abzuschütteln, aber Basta griff nur noch fester zu.

»Die Kleine?« Capricorns Stimme klang ungläubig.

»Ja, und sie scheint es genauso gut zu können wie ihr Vater. Sieh dir die Fee an!« Basta packte Tinker Bell an den dünnen Beinen und hob sie hoch. »Sie sieht ganz in Ordnung aus, findest du nicht? Sie kann fliegen und schimpfen und klingeln, alles, was die dummen Dinger eben so können.«

»Interessant. Wirklich, das ist sehr interessant.« Capricorn erhob sich aus seinem Sessel, zog den Gürtel seines Morgenmantels etwas fester und kam die Treppe herunter. Neben dem Buch, das Basta auf die Stufen gelegt hatte, blieb er stehen. »Es liegt also in der Familie!«, murmelte er, während er sich bückte und das Buch aufhob. Mit gerunzelter Stirn betrachtete er den Einband. »Peter Pan«, las er. »Das ist doch eins der Bücher, die mein alter Vorleser ganz besonders schätzte. Ja, ich erinnere mich, er hat mir mal daraus vorgelesen. Sollte mir einen dieser Piraten herauslocken, aber es ist ihm kläglich misslungen. Stinkende Fische hat er mir ins Schlafzimmer geholt und einen rostigen Enterhaken. Haben wir ihn die Fische nicht zur Strafe essen lassen?«

Basta lachte auf. »Ja, aber er hat mehr darüber gejammert, dass du ihm seine Bücher hast abnehmen lassen. Das hier muss er versteckt haben.«

»Ja, das muss er wohl.« Capricorn trat mit nachdenklicher Miene auf Meggie zu. Sie hätte ihn am liebsten in die Finger gebissen, als er ihr die Hand unters Kinn legte und ihr Gesicht so drehte, dass sie ihm direkt in die blassen Augen sehen musste. »Siehst du, wie sie mich ansieht, Basta?«, stellte er spöttisch fest. »Genauso starrsinnig, wie ihr Vater es immer getan hat. Den Blick solltest du dir lieber für ihn aufsparen, Kleine. Du bist bestimmt sehr wütend auf deinen Vater, nicht wahr? Nun, von jetzt an kann es mir gleich sein, wo er steckt. Von heute an habe ich dich als meine neue, wunderbar begabte Vorleserin, aber du ... du musst ihn doch dafür hassen, dass er dich im Stich gelassen hat, oder? Schäm dich nicht dafür. Hass kann sehr beflügelnd sein. Ich mochte meinen Vater auch nie.«

Meggie drehte den Kopf zur Seite, als Capricorn endlich ihr Kinn losließ. Das Gesicht brannte ihr vor Scham und Wut, und sie spürte seine Finger immer noch auf der Haut, als hätten sie Flecken hinterlassen.

»Hat Basta dir verraten, warum er dich zu so später Stunde noch hierher bringen sollte?«

»Ich soll hier jemanden treffen.« Meggie versuchte ihre Stimme fest und unerschrocken klingen zu lassen, doch es gelang ihr nicht. Das Schluchzen, das ihr in der Kehle steckte, ließ nur ein Flüstern vorbei.

»Richtig!« Capricorn gab der Elster ein Zeichen. Mit einem Nicken stieg sie die Treppe hinunter und verschwand im Dunkel hinter den Säulen. Wenig später knarrte es über Meggies Kopf, und als sie erschrocken hinauf zur Decke blickte, sah sie, wie sich aus der Dunkelheit etwas herabsenkte: Ein Netz, nein, es waren zwei Netze, wie sie sie schon auf Fischerbooten gesehen hatte. Vielleicht fünf Meter über dem Boden blieben sie hängen, genau über Meggies Kopf, und erst da erkannte sie, dass Menschen zwischen den groben Maschen steckten - wie Vögel, die sich in einem Obstbaumnetz verfangen haben. Meggie wurde schon schwindelig vom Hinaufschauen, wie musste es sich erst anfühlen, dort oben zu baumeln, nur von ein paar Stricken gehalten?

»Nun, erkennst du deinen alten Freund?« Capricorn schob die Hände in die Taschen seines Morgenmantels. Tinker Bell klemmte immer noch in Bastas Fingern wie ein zerbrochenes Püppchen. Ihr zaghaftes Klingeln war das einzige Geräusch, das zu hören war. »Ja!« Die Befriedigung in Capricorns Stimme war nicht zu überhören. »So geht es schmutzigen Verrätern, die Schlüssel stehlen und Gefangene freilassen.«

Meggie würdigte ihn keines Blickes. Sie hatte nur Augen für Staubfinger. Ja, natürlich. Es war Staubfinger.

»Hallo, Meggie«, rief er zu ihr herunter, »du siehst blass aus.« Er gab sich wirklich Mühe, unbeschwert zu klingen, doch Meggie hörte die Angst in seiner Stimme. Auf Stimmen verstand sie sich. »Ich soll dir schöne Grüße von deinem Vater bestellen! Er wird dich bald holen, lässt er dir ausrichten. Und er wird nicht allein kommen.«

»Du wirst noch ein richtiger Märchenerzähler, wenn du so weitermachst, Feuerfresser!«, rief Basta zu ihm hinauf. »Aber die Geschichte glaubt dir nicht mal die Kleine. Da musst du dir schon was Besseres ausdenken!«

Meggie starrte zu Staubfinger hinauf. Sie wollte ihm so gerne glauben.

»He, Basta, lass endlich die arme Fee los!«, rief er seinem alten Feind zu. »Schick sie mir herauf, ich habe schon viel zu lange keine mehr gesehen.«

»Das hättest du wohl gern. Nein, die werde ich selbst behalten!«, antwortete Basta und stupste Tinker Bell den Finger gegen die winzige Nase. »Ich hab gehört, Feen halten Unglück fern, wenn man sie sich ins Zimmer stellt. Vielleicht stecke ich sie in eine von diesen großen Weinflaschen. Du warst doch immer so ein großer Feenfreund. Was essen sie? Soll ich sie mit Fliegen füttern?«

Tinker Bell stemmte die Arme gegen seine Finger und versuchte verzweifelt, ihren zweiten Flügel zu befreien. Es gelang ihr sogar, aber Basta hielt weiter ihre Beine fest, und so heftig sie auch flatterte, sie kam nicht frei, bis sie es schließlich mit einem leisen Klingeln aufgab. Sie leuchtete kaum noch heller als eine verlöschende Kerze.

»Weißt du, warum ich das Mädchen habe herbringen lassen, Staubfinger?«, rief Capricorn zu seinem Gefangenen hinauf. »Sie sollte dich dazu überreden, uns etwas über ihren Vater und seinen Aufenthaltsort zu erzählen - falls du überhaupt etwas darüber weißt, was ich langsam bezweifle. Aber nun brauche ich diese

Information nicht mehr. Die Tochter wird den Platz des Vaters einnehmen, und das genau zur richtigen Zeit! Denn ich habe beschlossen, dass wir uns für deine Bestrafung etwas ganz Besonderes einfallen lassen werden. Etwas Eindrucksvolles, Unvergessliches! Schließlich steht das einem Verräter zu, nicht wahr? Ahnst du bereits, worauf ich hinaus will? Nein? Dann lass mich dir helfen. Meine neue Vorleserin wird uns zu deinen Ehren aus Tintenherz vorlesen. Schließlich ist das dein Lieblingsbuch, auch wenn man von dem Wesen, das sie herlocken soll, sicherlich nicht behaupten kann, dass du es liebst. Ihr Vater hätte mir diesen alten Freund längst hergeholt, wenn du ihm nicht zur Flucht verholfen hättest, aber nun wird das eben seine Tochter erledigen. Kannst du dir denken, von welchem Freund ich spreche?«