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Capricorn betrachtete sie nachdenklich.

»Na bitte!«, rief Cockerell ihm zu. »Ich wusste doch, dass wir ihn getroffen haben!«

Elinor blickte Capricorn immer noch an, er verschwamm hinter dem Schleier ihrer falschen Tränen.

»Nun, wir werden sehen«, sagte er langsam. »Meine Männer suchen eh die Hügel nach einem entflohenen Gefangenen ab. Ich nehme nicht an, dass du mir verrätst, wo sie nach den beiden Toten suchen sollen?«

»Ich habe sie begraben und ich werde bestimmt nicht verraten wo.« Elinor spürte, wie ihr eine Träne die Nase herunterrann. Bei allen Buchstaben der Welt, Elinor!, dachte sie. An dir ist eine Schauspielerin verloren gegangen.

»Begraben, so, so.« Capricorn spielte mit den Ringen an seiner linken Hand. Gleich drei trug er, er rückte sie mit gerunzelter Stirn zurecht, als hätten sie ohne seine Erlaubnis ihren Platz verlassen.

»Deshalb bin ich zur Polizei gegangen!«, sagte Elinor. »Um sie zu rächen, sie und meine Bücher.«

Cockerell lachte. »Deine Bücher musstest du nicht begraben, nicht wahr? Was haben sie gut gebrannt, wie allerbestes Feuerholz, und ihre Seiten - die haben gezittert wie bleiche Finger-chen.« Er hob die Hände und machte es nach. Elinor schlug ihm ins Gesicht, mit aller Kraft, und davon hatte sie nicht wenig. Blut quoll aus Cockerells Nase. Er wischte es mit der Hand ab und betrachtete es, als wäre er überrascht, dass etwas so Rotes aus ihm herausfließen konnte. »Nun sieh dir das an!«, sagte er und zeigte Capricorn die blutverschmierten Finger. »Du wirst sehen, die wird dem Schatten mehr zu schaffen machen als Basta.«

Als er sie mit sich zog, schritt Elinor hoch erhobenen Hauptes neben ihm. Erst als sie die Treppe sah, die schon nach wenigen, steilen Stufen in einem bodenlosen, schwarzen Loch verschwand, verließ sie für einen Moment der Mut. Die Gruft, natürlich, jetzt fiel es ihr ein, der Platz für die Todgeweihten. So riechen tat es auf jeden Fall, modrig und feucht, wie man sich das Parfüm des Todes eben vorstellt.

Elinor traute zuerst ihren Augen nicht, als sie Bastas schmale Gestalt an den Gitterstäben lehnen sah. Sie hatte gedacht, sie hatte sich verhört bei Cockerells letztem Satz, doch da war er, Basta, eingesperrt wie ein Tier im Käfig, dieselbe Angst, dieselbe Hoffnungslosigkeit in den Augen. Nicht mal Elinors Anblick munterte ihn auf. Er sah durch sie hindurch, durch sie und durch Cockerell, als wären sie zwei der Geister, vor denen er sich so fürchtete.

»Was tut er hier?«, fragte Elinor. »Sperrt ihr euch jetzt schon gegenseitig ein?«

Cockerell zuckte die Achseln. »Soll ich es ihr sagen?«, fragte er Basta, doch er erhielt keine Antwort, nur denselben leeren Blick. »Erst hat er Zauberzunge entwischen lassen und jetzt Staubfinger. So verdirbt man es sich mit dem Chef, auch wenn man sich für seinen ganz persönlichen Liebling hält. Na ja, das Feuerlegen kriegst du ja schon seit Jahren nicht mehr hin.« Der Blick, mit dem er Basta musterte, war voll Schadenfreude.

Frau Loredan, es wird Zeit, über Ihr Testament nachzudenken!, dachte Elinor, während Cockerell sie weiterstieß. Wenn Capricorn jetzt schon seinen treuesten Hund umbringen lässt, dann wird er bei Ihnen bestimmt nicht zögern.

»He, du könntest ruhig etwas fröhlicher gucken!«, rief Cockerell Basta zu, während er einen Schlüsselbund aus der Jackentasche fischte. »Schließlich hast du jetzt schon zwei Frauen zur Gesellschaft.«

Basta lehnte die Stirn gegen das Gitter. »Ihr habt den Feuerfresser immer noch nicht?«, fragte er tonlos. Seine Stimme klang, als hätte er sie sich heiser geschrien.

»Nein, aber die Dicke hier sagt, dass wir Zauberzunge erwischt haben. Mausetot soll er sein. Offenbar hat Flachnase doch mal getroffen. Na ja, er hat ja genug an den Katzen geübt.«

Hinter der Gittertür, die Cockerell für sie aufschloss, regte sich etwas. Eine Frau saß in der Dunkelheit, den Rücken gegen etwas gelehnt, das verdächtig nach einem steinernen Sarg aussah. Zuerst konnte Elinor ihr Gesicht nicht sehen. Doch dann richtete sie sich auf.

»Gesellschaft für dich, Resa!«, rief Cockerell, während er Elinor durch die offene Tür stieß. »Ihr könnt ja ein bisschen miteinander plaudern!«

Er lachte laut, während er davonstapfte.

Elinor aber wusste nicht, ob sie lachen oder weinen sollte. Sie hätte ihre Lieblingsnichte gern an einem anderen Ort wiedergesehen.

Mit knapper Not

»Ich weiß nicht, was es ist«, antwortete Fiver unglücklich.

»Im Augenblick gibt es hier keine Gefahr, aber sie kommt - sie kommt.«

Richard Adams, Unten am Fluss

Farid hörte Schritte, als sie gerade dabei waren, die Fackeln zu drehen.

Sie mussten noch fester und größer sein als die, die Staubfinger bei seinen Vorführungen benutzte. Schließlich sollten sie lange brennen. Die Haare hatte er Zauberzunge auch schon gestutzt, mit dem Messer, das Staubfinger ihm geschenkt hatte. Bürstenkurz waren sie nun, das veränderte Zauberzunges Aussehen wenigstens etwas. Farid hatte ihm auch gezeigt, mit welcher Erde er sich das Gesicht einreiben musste, damit seine Haut dunkler aussah. Diesmal durfte niemand sie erkennen, diesmal nicht - doch dann hörte er die Schritte. Und Stimmen: Eine schimpfte, die andere lachte und rief etwas. Sie waren noch zu weit entfernt, um die Worte verstehen zu können.

Zauberzunge raffte die Fackeln zusammen, Gwin schnappte nach Farids Fingern, als er ihn unsanft in den Rucksack stopfte. »Wohin, Farid, wohin?«, flüsterte Zauberzunge.

»Ich weiß!« Farid warf sich den Rucksack über die Schulter und zog ihn mit sich, zu den verkohlten Mauerresten. Er kletterte über die schwarzen Steine, dort, wo mal ein Fenster gewesen war, sprang in das ausgedörrte Gras hinter der Mauer und bückte sich. Die Metallplatte, die er zur Seite zerrte, war verzogen vom Feuer, von Steinkraut überwuchert. Wie Schnee bedeckten die winzigen weißen Blüten das Blech. Farid hatte die Platte entdeckt, als er darauf gesprungen war, in den langen Stunden, die er mit Staubfinger hier verbracht hatte, mit dem schweigsamen, ewig verschlossenen Staubfinger. Von der Mauer ins Gras, vom Gras auf die Mauer war er gehüpft, um die Stille und die Langweile zu vertreiben, und dabei hatte er es entdeckt - das Loch unter der Platte. Ihm war aufgefallen, wie hohl es darunter klang. Vielleicht war der unterirdische Verschlag ursprünglich nichts als ein Platz für leicht verderbliche Vorräte gewesen, doch wenigstens einmal schon hatte er auch als Versteck gedient.

Zauberzunge fuhr zurück, als er das Skelett in der Dunkelheit berührte. Klein sah es aus, kaum groß genug für das eines Erwachsenen, ganz friedlich lag es da, in dem engen, unterirdischen Verschlag, zusammengekauert, als hätte es sich zum Schlafen gelegt. Vielleicht hatte Farid deshalb keine Angst davor, weil es so friedlich aussah. Wenn es hier unten einen Geist gab, da war er sicher, dann war es nur eine traurige, blasse Gestalt, vor der man sich nicht fürchten musste.

Es war eng, als Farid die Platte wieder über das Loch gezogen hatte. Zauberzunge war groß, fast zu groß für den Verschlag, aber seine Nähe war beruhigend, auch wenn sein Herz ebenso schnell schlug wie das von Farid. Der Junge spürte es, als sie so nebeneinander hockten, jeden einzelnen Schlag, während sie beide nach oben lauschten.

Die Stimmen kamen näher, doch sie waren nur undeutlich zu hören, die Erde dämpfte sie wie etwas aus einer anderen Welt. Einmal trat ein Fuß auf das Blech, und Farid krallte die Finger in Zauberzunges Arm. Er ließ ihn nicht wieder los, bis es still wurde über ihren Köpfen. Es dauerte sehr lange, bis sie der Stille trauten, so endlos lange, dass Farid ein paar Mal den Kopf wendete, weil ihm war, als hätte das Skelett sich geregt.

Sie waren wirklich fort, als Zauberzunge die Platte vorsichtig anhob und hinauslugte. Nur die Grillen zirpten unermüdlich, und von der verkohlten Mauer flatterte erschrocken ein Vogel auf.