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»Ja, selbstverständlich.«

»Und mein Freund?«

Sie lächelte strahlend. »Und dein Freund.« Er erhob sich, trat auf sie zu und streckte die Hand aus, um ihr beim Aufstehen zu helfen. Dann schaute er ihr in die Augen und durch diese direkt in ihre Seele, in der Hoffnung, dass seine Worte dort einen Widerhall finden würden.

»Ich liebe dich, Aria. Nichts und niemand wird das je für mich ändern. Du hast gesagt, dass auch du mich liebst, und ich weiß, dass du das tust, ich kann es spüren mit jedem Atemzug. Wirst du mich weiter lieben? Auch wenn wir getrennt sind?«

Rhapsody wandte den Blick ab. »Ja«, antwortete sie traurig, als schämte sie sich, es zuzugeben. »Immer. Aber mach dir keine Sorgen, ich werde schon damit fertig. Ich werde dich nicht in Verlegenheit bringen, Ashe. Unter anderem helfe ich dir deshalb, weil du eines Tages mein König sein wirst, und ich schulde es dir, dich in jeder Weise zu unterstützen. Ich könnte dein Glück und deinen Ruf niemals aufs Spiel setzen.«

Ashe lachte. »Rhapsody, wenn die Leute wüssten, dass du meine Geliebte warst, würde das nur dazu dienen, meinen Ruf über alle Maßen zu steigern. Nun, ich habe noch zwei Dinge auf dem Herzen. Erstens möchte ich, dass du mir versprichst, mich das Abendessen für dich zubereiten zu lassen, wenn wir von Manwyn zurückkehren. Wir haben sozusagen eine letzte Verabredung, speisen im Garten und tanzen vielleicht ein bisschen. Eine nette romantische Note für den Abschied, vor allem, wenn wir uns morgen daran machen, die Erinnerungen des Rakshas anzusehen.« Unwillkürlich schauderte er, als ihm das Erlebnis vom Vormittag wieder einfiel. »Es war ein zauberhafter Sommer. Ich möchte, dass er richtig ausklingt.«

Rhapsody lächelte ihn an. »Das ist wundervoll. Können wir uns auch so richtig schön machen?«

»Selbstverständlich, das würde ich nicht anders wollen. Vielleicht kann ich mir in Yarim sogar etwas zum Anziehen kaufen. Ich habe wirklich nicht sehr viel.«

»Und wir können eine Umbenennungszeremonie veranstalten.« Seit sie ihm das Seelenstück zurückgegeben hatte, bestand sie darauf, ihm einen neuen Namen zu geben, einen, den der F’dor nicht kannte und mit dem er ihn nicht finden würde. Ashe hatte zugestimmt.

»Ja, das ist eine gute Idee.«

»Schön, und was ist dein zweites Anliegen?«

Er nahm sie in die Arme. »Sind wir deiner Meinung nach heute Nacht noch ein Liebespaar?«

»Ja. Willst du mich immer noch?«

Sein Kuss war Antwort genug.

50

Aus der Ferne war leicht zu erkennen, wie Yarim zu seinem Namen gekommen war. In der Sprache der Ureinwohner, die schon vor langer Zeit von Gwylliams Heeren gen Norden vertrieben worden waren, bedeutete das Wort ›rotbraun‹, die Farbe von getrocknetem Blut. Die meisten Gebäude bestanden aus Backstein des gleichen Farbtons, der aus der Erde des Landes hergestellt wurde, rotem Ton, im Feuer dunkelrot gebrannt. Die Hauptstadt, offiziell unter dem Namen Yarim Paar bekannt, aber meist nur mit dem Provinznamen bezeichnet, lag am Fuß eines hohen, sanften Hügels; näherte man sich ihr von Süden her, so blieb einem der Blick auf sie bis kurz vor dem Ende der Reise verwehrt. Plötzlich aber lag die Stadt zu Füßen des Reisenden und erstreckte sich in alle Richtungen. Da die Bauwerke dieselbe Farbe wie die Erde hatten, dauerte es eine Weile, bis das Auge sie überhaupt wahrnahm, wenn man im Wind auf dem Hügel stand. Man hatte beinahe das Gefühl, sie wären schlichtweg aus dem Boden gewachsen, das Einzige, was hier gedieh. Die Stadt sah aus, als brauchte sie dringend Wasser.

Von Osten her hatten die Winde eine Hitzewelle herangetragen. Der Frost, der wochenlang den Boden bedeckt hatte, war verschwunden, und an seine Stelle war das Gefühl eines falschen Sommers getreten, heiß und trocken. In den Wäldern weiter im Osten war das Wetter prächtig, aber hier in dieser Gegend wirkte es trostlos.

Einst war Yarim eine blühende Stadt gewesen, aber jetzt entdeckte Rhapsody überall, wo sie hinsah, Zeichen des Verfalls. Die Straßen waren mit Steinen gepflastert, aber in den Ritzen gediehen ungehindert Unkraut und Sonnengebleichtes Gras. Die Rinnsteine waren mit Müll verstopft, und das Wasser, das für den Hausgebrauch in großen Fässern gesammelt wurde, wies die gleiche schlammigbraune Farbe auf wie die Backsteine.

An vielen Ecken standen Gruppen von Bettlern, ein so normaler Anblick, dass die Leute, die an ihnen vorbeikamen, kaum Notiz von ihnen nahmen. Einige von ihnen waren zweifellos zwielichtige Gestalten und Gesindel, aber viele trugen den Ausdruck verzweifelten Hungers im Gesicht, an den Rhapsody sich nur allzu gut erinnerte. Eine junge Mutter mit einem Säugling erschien ihr besonders bedürftig, und sie griff nach ihrer Geldbörse, die sie gut versteckt am Körper trug. Aber zu ihrer Überraschung kam Ashe ihr zuvor, indem er der Frau ein paar Münzen in den Schoß warf. Rasch drückte sie der Frau noch ein Goldstück in die Hand und beeilte sich, Ashe wieder einzuholen.

»Ich wundere mich ein bisschen«, sagte sie.

»Worüber?«

»Ich dachte nicht, dass du zu den Leuten gehörst, die Almosen geben.«

Ashe sah sie an. »Rhapsody, ich habe die letzten zwanzig Jahre unter diesen Menschen gelebt. Gut, ich habe die meiste Zeit im Wald verbracht, aber sogar ich musste von Zeit zu Zeit in die Stadt, und da konnte ich mich wohl kaum unter die feinen Herrschaften mischen, oder? Der größte Teil meiner menschlichen Kontakte fand auf der Straße statt. Nicht nur durch meinen Umhang habe ich gelernt, wie man übersehen werden kann. Das gehört hier und auch auf den Straßen anderer Städte zum Alltag. Das Leben unter diesen Menschen hat mich schließlich davon überzeugt, dass ich als cymrischer Herrscher vielleicht doch etwas Nützliches tun könnte. Wir sind da.«

Sogleich wandte Rhapsody ihre Aufmerksamkeit dem großen Gebäude vor ihnen zu. In mancher Hinsicht erinnerte das tempelähnliche Bauwerk an die Stadt als Ganzes: majestätisch gebaut, aber heruntergekommen. eine Reihe rissiger Marmorstufen führte zu einem weitläufigen, mit Einlegearbeiten verzierten Vorplatz. Auf dem unregelmäßigen Untergrund erhoben sich acht riesige Säulen, alle über und über mit Moos und Flechten bewachsen. Das zentrale Gebäude war eine große Rundhalle, gekrönt von einer Kuppel, durch die sich zwei breite Risse zogen. Zu beiden Seiten befand sich jeweils ein großer Anbau mit kleineren Säulen, die sich in etwas besserem Zustand befanden. Ein hohes, schlankes Minarett, das metallisch blau in der Sonne glänzte, krönte den Mittelbau.

Sie stiegen die breiten Stufen hinauf und durchquerten das offene Portal. Im Innern des Tempels war es dunkel, Fackeln und Kerzen sorgten für trübes Licht. Es dauerte einen Augenblick, bis Rhapsody sich an das Dämmerlicht gewöhnt hatte. Um den Innenraum schien man sich besser zu kümmern. Zwar hatte Ashe unterwegs auf ihrer langen Reise erwähnt, dass die labyrinthartigen Anbauten verstaubt und verwahrlost seien, aber wenn Rhapsody sich jetzt in dem wunderschön gearbeiteten Foyer umschaute, konnte sie das nicht bestätigen.

In der Mitte des weitläufigen Raums befand sich ein großer Brunnen, von dem ein dünner Wasserstrahl zwanzig Fuß hoch in die Luft stieg und dann in ein mit schimmerndem Lapislazuli eingefasstes Becken herabplätscherte. Der Fußboden war aus poliertem Marmor, die Wände mit kunstvoll verzierten Fliesen getäfelt, die Wandleuchter aus glänzendem Messing.

Auf beiden Seiten dieses Raums befand sich ein Vorzimmer; hier standen Wachsoldaten mit langen, dünnen Schwertern. Ihnen gegenüber, hinter dem Brunnen, war eine kunstvoll geschnitzte Tür aus Zedernholz, die ebenfalls bewacht wurde.