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Im Feuerschein schimmerten seine Augen saphirblau. »Ich bin froh darüber, dass du dir ein Kind gewünscht hast, denn ich freue mich darauf, dir eines Tages diesen Wunsch zu erfüllen, wenn das Land wieder sicher und der F’dor vernichtet ist. Ich träume davon und habe sogar schon davon geträumt, ehe du mir abermals das Geschenk deiner Liebe gemacht hast. Und du brauchst dir auch keine Gedanken wegen deiner Fruchtbarkeit zu machen; ich bin es, der dir Nachkommen vorenthalten hat, nicht umgekehrt. Um dich und deine Fruchtbarkeit geht es hier nicht. Meine Sinne sagen mir, dass bei dir alles vollkommen in Ordnung ist.«

Erleichterung breitete sich mit einem bezaubernden Lächeln über Rhapsodys Gesicht aus. Einen Augenblick später jedoch wurde sie nachdenklich. »Nun, ich freue mich darüber. Möchtest du den Rest der Geschichte hören?«

»Wenn du ihn mir erzählen magst, gerne.«

»Ab jetzt wird es leichter. Nach ein paar Jahren wurde ein Mann auf mich aufmerksam, ein älterer Mann. Er schien auch an mir als Mensch interessiert zu sein, nicht nur an nun, nicht nur an anderen Dingen; wahrscheinlich ging es ihm sogar mehr um meine Persönlichkeit. Er überließ mir ein eigenes Haus und ermutigte mich in meinem Wunsch zu lernen. Er sorgte dafür, dass ich den besten Unterricht in Musik, Kunst und anderen Wissenschaften bekam.«

»In jener Nacht in Myrfeld hast du mir erzählt, dass du all diese Dinge lernen wolltest.«

»Ja. Er hat mich mit dem größten Benenner von ganz Serendair in Kontakt gebracht, einem Mann namens Heiles, bei dem ich Unterricht in den alten Künsten nahm. Aber nicht lange nachdem ich meine Ausbildung als Sängerin beendet hatte und kurz davor stand, den Status einer Benennerin zu erlangen, verschwand Heiles ganz plötzlich. Meines Wissens ist er nie gefunden worden. Unterdessen hatte ich meine Ausbildung fast abgeschlossen. Als ich gerade das Gefühl hatte, die Wissenschaft des Benennens allmählich in den Griff zu bekommen, verstarb mein Wohltäter.

Kurz darauf schickte ein Kerl, der Gefallen an mir gefunden hatte, seine Handlanger zu mir, weil er mich für irgendein männliches Privatvergnügen haben wollte. Doch ich weigerte mich mitzukommen, und ich nahm kein Blatt vor den Mund. Leider stellte sich das später als großer Fehler heraus. Und dann ... nun, ich will es einmal so sagen: Als ich Achmed und Grunthor begegnete, befand ich mich in einer ziemlich unangenehmen Lage. Sie befreiten mich und halfen mir zu fliehen. Sie waren selbst auf der Flucht, und so gelangten wir zusammen nach Ostend und machten uns von dort auf den Weg zur Sagia. Kennst du sie?«

Ashe dachte einen Moment nach. »Ja, das ist doch die Eiche der tiefen Wurzeln. Sie war ein Wurzelzwilling des Großen Weißen Baumes.«

»Genau. Die Axis Mundi, die Linie, die durchs Zentrum der Erde verläuft, führt ebenfalls an dieser Wurzel entlang. Durch die Sagia gelangten wir ins Erdinnere ich weiß immer noch nicht ganz genau, wie. Danach sind wir an der Wurzel entlanggekrochen, eine halbe Ewigkeit, wie mir schien. Dort haben wir eine mächtige Veränderung durchgemacht und die Kräfte von Erde, Feuer und Zeit in uns aufgenommen. Schließlich durchquerten wir eine große Feuerwand es wird wohl die Mitte der Erde gewesen sein. Ich glaube, eigentlich sind wir verbrannt; aber das Lied unserer Essenz blieb erhalten und formte uns neu, nachdem das Feuer unseren Körper verzehrt hatte. Und alle alten Narben, alle alten Wunden waren mit einem Mal verschwunden.« Sanft fuhr Ashe mit dem Daumen über ihr Handgelenk, die Stelle, an der einst die Narbe gewesen war, an die er sich noch so lebhaft erinnerte. »Wir wurden neu geschaffen; deshalb hast du mich, als du mir zum ersten Mal begegnet bist, mit deinen Drachensinnen für eine Jungfrau gehalten.«

»Nein, nicht deshalb. Ich habe dir schon vor langer Zeit erklärt, warum.«

Sie küsste ihn auf die Wange, wand sich aus seinen Armen und setzte sich wieder neben ihn aufs Sofa. »Die Reise erschien mir endlos. Jahrhunderte verstrichen; als wir endlich an die Oberfläche gelangten, waren wir hier, und alles, was wir gekannt hatten, war vor Urzeiten im Meer untergegangen. Alle Menschen, mit denen ich etwas zu tun gehabt hatte, waren schon lange tot; ich wusste nicht, wie viele Generationen gekommen und gegangen waren, bevor die Cymrer Segel gesetzt und später gelandet waren.

Deshalb vermute ich, dass Anwyn dich nicht wirklich angelogen hat. Wir sind nicht hier gelandet, wir haben nie einen Fuß auf eins der cymrischen Schiffe gesetzt, wir sind nie übers Meer gesegelt. Wir sind geflohen, bevor all diese Generationen geboren wurden, wir sind lange nach dem Krieg hier angekommen. Also war ihre Antwort ehrlich.«

Ashe lachte bitter und starrte ins Feuer. »Theoretisch jedenfalls. Aber Anwyn wusste Bescheid, Emily. Sie wusste, dass du gegangen warst, dass du dich auf dem Weg hierher befandest, an der Wurzel entlang. Sie fasste den Entschluss, mir diese Information vorzuenthalten und mich damit abzuspeisen, dass du nie eins der Schiffe bestiegen hast, die rechtzeitig die alte Welt verließen. Ich glaubte sterben zu müssen, Aria. Sie aber sah schweigend zu, wie ich unter meinem unermesslichen Kummer zusammenbrach. Und sie ist meine Großmutter, Rhapsody, meine eigene Großmutter! Glaubst du, mein Glück, meine geistige Gesundheit bedeuteten ihr etwas?«

Er sah sie an. Das Mitgefühl, das er in ihren Augen las, berührte sein Herz und schenkte ihm Trost und Wärme. »Vermutlich nicht, Sam, und das tut mir sehr Leid«, sagte sie und legte ihre Hand leicht auf seine Wange. »Hast du eine Ahnung, warum? Warum tut sie so etwas?«

»Es geht ihr um Macht. In diesem Fall um Macht über mich. So sind sie alle: Anwyn, mein Vater, die ganze Sippschaft. Jetzt verstehst du vielleicht, warum sie mir so völlig gleichgültig sind, warum ich bereit bin, ihnen den Rücken zu kehren und dir deine Erinnerung zurückzugeben. Du bist die Einzige, die sich je wirklich für mich interessiert hat. Trotz meiner illustren Herkunft bist du die Einzige, die mich jemals wirklich geliebt hat. Ich verdanke dir alles, aber meiner Verwandtschaft bin ich nichts schuldig. Trotzdem scheint es mir so, als solltest du immer nur die Spreu abkriegen, während sie den Weizen beanspruchen.«

Rhapsody lachte und lehnte den Kopf an seine Schulter. Er legte den Arm um sie. »Welch ein treffendes Bild. Wer von uns beiden ist denn eigentlich das Bauernkind? Weizen ist nur gut, wenn man etwas essen will, Sam. Aber aus Spreu kann man sich ein wunderbar weiches Bett machen, und im Allgemeinen verbringen wir dort mehr Zeit als am Tisch.« Ihre Augen funkelten schelmisch, und er lachte mit ihr und drückte sie an sich. »Außerdem kann man mit Spreu auch ein hervorragendes Freudenfeuer veranstalten. Also unterschätze den Wert der Spreu lieber nicht, Sam. Mit dem Brot werden wir bestimmt auch irgendwann an die Reihe kommen.«

Ashe seufzte tief und streichelte ihr Haar.

Lange blickten sie ins Feuer, in angenehmer Vertrautheit aneinander gekuschelt, und sahen zu, wie die Flammen in lautlosem Tanz die Farbe wechselten. Schließlich sagte er: »Ich habe eine Frage.«

»Oh, gut. Ich auch.«

»Du zuerst.«

»Nein, du.«

»Na gut«, meinte er, froh über die Banalität ihres Austauschs. »Warum hast du angefangen, dich Rhapsody zu nennen?«

Sie lachte. »Nana fand meinen richtigen Namen zu gewöhnlich. Außerdem klang er in ihren Ohren viel zu steif für na ja, für meinen neuen Beruf.«

»Aber Emily ist doch ein schöner Name.«

»Emily ist eigentlich nur eine Abkürzung, im Grunde nichts weiter als ein Spitzname.«

»Wirklich?«, fragte Ashe neugierig. »Das wusste ich nicht. Wie lautet denn dein richtiger Name?«

Rhapsody wurde rot und sah weg, aber ihre Augen lächelten noch immer.

»Ach, komm schon«, schmeichelte er, packte sie um die Taille und lachte, als sie sich seinem Griff entwand. »Du willst mich heiraten, da sollte ich doch wenigstens deinen richtigen Namen kennen, oder nicht? Wo du doch schon jede Variation von meinem weißt.«

»Ich weiß aber auch nicht, warum du dich Ashe genannt hast.«

»Weil ›Gwydion‹ mich womöglich das Leben gekostet hätte. Aber lenk nicht ab. Wie lautet dein Name?«