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»Alles wieder dicht.«

»Bis hinauf nach Navarne?«, fragte Achmed ungläubig.

»Jawohl.«

»Wie hast du das angestellt?«

Der Bolg Sergeant blickte auf das Kind in seinen Armen. »Hatte hier ein bisschen Hilfe, Herr.«

Nun, da die Höhle wieder sicher verschlossen war, kehrten sie ins Loritorium zurück. Rhapsody lächelte Grunthor zu und strich mit den Fingern zart über die Stirn des Mädchens. Das Erdenkind seufzte leise im Schlaf.

»Was wirst du jetzt mit ihr machen, Achmed?«

»Sie bewachen«, antwortete er.

»Natürlich. Ich hab mich nur gefragt, wo.«

Achmed blickte sich in den Ruinen des Loritoriums um, dessen kunstvolle Schnitzereien rissig und versengt waren, die schönen Fresken und Mosaiken rußgeschwärzt, die Pfützen mit den silbern schimmernden Erinnerungen ein für allemal verschwunden. »Hier«, antwortete er schließlich. »Zuerst habe ich gedacht, ich nehme sie mit in den Kessel, damit ich sie leichter im Auge behalten kann, aber das wäre wohl zu weit für sie. Das hier ist ein idealer Platz. Tief genug unter der Erde, dass die Bolg sie nicht stören. Sie kann auf dem Altar aus Lebendigem Gestein schlafen, dort schien sie ganz friedlich zu sein.«

Rhapsody nickte. »Vielleicht tröstet sie das.«

»Vielleicht. Allerdings müssen wir auch den Tunnel, den wir auf dem Weg hierher gegraben haben, wieder verschließen, und hier neue Sicherheitsvorkehrungen treffen. Im Brunnen gibt es noch genug Lampenöl, um einen Vulkan zu bauen, wenn wir wollen. Wenn Grunthor sich erholt hat, kann er einen Gang vom Loritorium zu meinen Gemächern graben. Sollte der F’dor jemals noch einen Versuch unternehmen, an sie heranzukommen, dann muss er sich mit mir persönlich anlegen. Zwar wird das Ganze ein technischer Albtraum, aber ich denke, dem sind wir gewachsen.«

Rhapsody nickte, als Grunthor das Kind behutsam auf den Altar legte. »Er wird es garantiert noch mal versuchen, wisst ihr.«

»Natürlich. Aber ich denke, nicht noch einmal auf die gleiche Weise. Er sammelt ein Heer, um das Bolg-Land anzugreifen; mir ist zwar noch nicht ganz klar, was er im Einzelnen plant, aber ich bin sicher, dass er es tun wird. Deshalb war Ashe ja auch seine Zielperson in ihm fließen die cymrischen Linien zusammen, und er ist außerdem auch noch der Sohn des Fürbitters. Er hätte ohne weiteres den Thron von Roland für sich beanspruchen können. Wahrscheinlich hätte er Manosse und die neutralen Cymrer der frühen Generationen ebenfalls für sich gewinnen können, denn sie sind grundsätzlich loyal gegenüber den Vertretern der Seite, die sich gehalten hat wie beispielsweise Anborn.«

»Und vermutlich auch Tyrian«, fügte Rhapsody hinzu. »Seine Mutter war eine Lirin.« Auf einmal dachte sie an das, was Oelendra gesagt hatte, als sie zusammen am Feuer gesessen hatten. Wenn der F’dor in der Lage gewesen wäre, ihn an sich zu binden, den Drachen zu beherrschen ich schaudere bei dem Gedanken, wie er die Macht missbraucht hätte, um die Elemente selbst zu kontrollieren. »Die ganze Welt kann von Glück sagen, dass er stark genug war, um zu entkommen.«

Achmed starrte auf die Ruinen ringsum. »Das Heer, das Ashe um sich hätte scharen können, wäre vielleicht tatsächlich in der Lage gewesen, das zu tun, was Anwyn nicht zu tun vermochte den Berg einzunehmen. Er wäre ein idealer Wirt für den F’dor gewesen, aber er hat es geschafft zu entkommen und sich die letzten zwei Jahrzehnte im Verborgenen zu halten. Jetzt, da der F’dor weiß, dass Ashe am Leben ist, wird er zweifellos wieder nach ihm suchen.«

»Mit diesem Problem muss er jetzt aber selbst fertig werden«, meinte Rhapsody energisch.

»Wir haben ihm das Werkzeug geliefert, das er zum Überleben braucht. Seine Seele gehört ihm wieder, er ist ganz und leidet keine Schmerzen mehr. Wenn er muss, kann er sich noch eine Weile verstecken. Das hat er zwanzig Jahre lang getan. Er wird es schon schaffen.«

Ein spöttisches Lächeln spielte um Achmeds Mundwinkel. »Ich kann nicht sagen, wie gut es mir tut, dich so über ihn sprechen zu hören«, sagte er. »Bedeutet das, dein Techtelmechtel mit ihm ist überstanden?«

Rhapsody wandte den Blick ab. »Ja.«

»Was hast du jetzt vor?«

Sie stellte sich ein wenig aufrechter hin, und Achmed staunte, wie kampflustig ihr Gesicht und ihre Haltung auf einmal wirkten. »Zuerst einmal möchte ich mich um Ylorc kümmern. Ich werde dir und Grunthor helfen, das Loritorium auszuräumen, und dafür sorgen, dass das Erdenkind eine gemütliche Ruhestatt bekommt. Danach brauche ich einen Tag zum Trauern, ich will Klagelieder singen für alle, die wir verloren haben.« Achmed nickte und bemerkte, dass der feste Blick in ihren Augen nicht flackerte, als sie ihre Schwester und die Großmutter erwähnte. »Vorausgesetzt, ihr seid im Bolg-Land für eine Weile entbehrlich, könnte ich dann eure Hilfe brauchen, um die Kinder des F’dor aufzuspüren.«

»Nur wenn du planst, sie auszurotten«, erwiderte Achmed, und ein warnender Unterton schlich sich in seine Stimme. »Bei deiner Vorliebe für Kinder kann ich mir kaum vorstellen, dass du bei so einer Unternehmung Erfolg haben wirst, Rhapsody.«

»Ich habe nicht die Absicht, sie auszurotten, solange es nicht unbedingt notwendig ist. Aber dann würde ich es ohne Skrupel tun«, entgegnete sie. »Die Sache ist genauso wie bei Ashe. Es sind Leute mit menschlichen Seelen, Achmed, mit Dämonenblut in den Adern. Man kann ihnen helfen. Sie brauchen unsere Hilfe.«

»Woher willst du wissen, dass es nicht kleine dämonische Ungeheuer sind wie der Rakshas?«, fragte er leicht irritiert. Ihm gefiel die neue Wendung des Gesprächs nicht.

»Sie wurden von Menschenmüttern geboren, und Ashes Seele war im Rakshas gegenwärtig. Wenn ein Elternteil eine Seele hat, bekommt das Kind ebenfalls eine. Das sind keine Ungeheuer, Achmed, nicht mehr als die Bolg. Es sind Kinder, Kinder mit vergiftetem Blut. Wenn wir dieses Blut irgendwie isolieren können, dann können sie wenigstens hoffen, der ewigen Verdammnis zu entgehen.«

»Nein«, widersprach der König ärgerlich. »Das Risiko lohnt sich nicht. Jedes dieser Kinder könnte bereits an den F’dor gebunden sein. Wir wollen uns vom F’dor nicht die Bedingungen für unsere Auseinandersetzung diktieren lassen.«

Rhapsody lächelte kühl. »Genau. Deine Fähigkeit, Blut aus der alten Welt aufzuspüren, wird uns helfen, die Kinder zu finden, Achmed. Wenn dieser dämonische Teil ihres Blutes irgendwie entfernt werden kann, gebe ich ihn dir. Dann hast du das Blut des F’dor, eine Geruchsspur für die Jagd.« Sie blickte zu Grunthor hinüber, der das Gespräch aufmerksam verfolgte. »Vielleicht werden wir ihn endlich finden können. Er hat uns die Möglichkeit dazu verschafft.«

Blut wird das Mittel sein.

Der König und der Sergeant tauschten einen raschen Blick, dann sah Achmed wieder zu Rhapsody.

»In Ordnung«, meinte er. »Aber mach keinen Fehler, Rhapsody. Wenn ein Dämonenspross auch nur den Bruchteil einer Sekunde für irgendeinen von uns eine Gefahr darstellt, werde ich ihm die Kehle durchschneiden und ihn im Handumdrehen ins Reich seines Vaters in der Unterwelt zurückschicken. Darüber gibt es keine Diskussion. Bist du damit einverstanden?«

Rhapsody nickte. »Gut«, sagte sie.

57

Acht Tage später kamen die drei endlich aus der Dunkelheit der Felsspalte hervor, in der sich einst der verborgene Eingang zum Loritorium befunden hatte. Grunthor hatte einen Großteil der Zeit dafür benötigt, um sich von der Anstrengung zu erholen, die ganzen Gänge und Tunnel, die er gegraben hatte, wieder zu verschließen. Ohne die Nähe, die er zum Erdenkind gehabt hatte, wäre die Aufgabe noch wesentlich schwieriger gewesen und hätte von dem Riesen einen noch höheren Tribut gefordert. Aber das Schlimmste für ihn war, dass er das Mädchen in der Dunkelheit der verrußten Gruft zurücklassen musste, verborgen vor allem außer vor der Zeit.

Ebenso schmerzlich war der Abschied selbst. Rhapsody küsste die steingraue Stirn des Kindes, während Grunthor das Mädchen behutsam mit seinem Mantel zudeckte anstelle der weichen Decke aus Spinnenseide, in welche die Großmutter sie stets eingehüllt hatte. Achmed löschte die Straßenlaternen, sodass nur der flackernde Flammenschein des Feuerbrunnens ein mattes Licht über das Loritorium breitete, einst ein hochfliegendes, der Gelehrsamkeit gewidmetes Projekt und nun nichts weiter als eine dunkle Höhle, die als Kammer für das Schlafende Kind diente.