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Ashe lachte leise. »Wenn ich mich nicht irre, endet ein Katz-und-Maus-Spiel im Allgemeinen damit, dass die Katze die Maus frisst.« Er holte seine Kochutensilien aus dem Tornister. »Ich vermute, ich muss dir nicht erklären, wer von uns beiden bei diesem Vergleich welche Rolle übernimmt.«

Rhapsody sammelte Zweige und Torf für das Lagerfeuer. »Möchtest du das heute Abend gern machen?«

»Ist das ein Angebot?«, fragte er in viel sagendem Ton zurück.

»Nun«, meinte sie, während sie sich bückte und weiter Äste aufsammelte, »ich denke, es ließe sich einrichten. Wenn ich das Feuer in Gang gebracht habe, sehe ich mich ein bisschen um, ob ich ein paar kleine Nagetiere zum Abendessen auftreiben kann.« Während sie sich weiter ums Brennholz kümmerte, begann sie unbewusst zu pfeifen. Schon bald erkannte Ashe die Melodie: Es war eine Hymne an die Erntegöttin, ein Lied aus dem alten Land. Sie musste eine Cymrerin sein, da war Ashe sich praktisch sicher, und er beschloss, eine andere Methode zu versuchen, um eine Antwort von ihr zu bekommen. Er überlegte, welche Sprachen sie in der alten Welt gesprochen hätte, wenn sie tatsächlich cymrisch war, doch seine Kenntnis des Altlirin war begrenzt. Also entschied er sich, erst eine Bemerkung in der archaischen Lirin-Sprache und dann auf Altcymrisch zu versuchen. Er wartete, bis er ihr Gesicht auf der anderen Seite des Feuers gut sehen konnte.

»Weißt du, Rhapsody, ich finde dich äußerst anziehend«, sagte er in der ausgestorbenen Lirin-Sprache und wechselte dann zur Sprache der Cymrer. »Ich sehe es schrecklich gern, wenn du dich bückst.« Sie warf ihm einen seltsamen Blick zu, sagte jedoch nichts, und der Drache in ihm spürte nichts davon, dass ihr das Blut in den Kopf stieg. Bei seiner ersten Bemerkung war die Falte auf ihrer Stirn deutlicher ausgeprägt gewesen als bei der zweiten; vielleicht hatte sie in einem lirinschen Dorf oder in einem Langhaus auf den Marschen gelebt, wo man nur Lirinsch sprach. Er versuchte es noch einmal.

»Und du hast ein unglaubliches Hinterteil«, sagte er und wartete auf eine Reaktion. Sie sammelte Torf ein und warf ihn ins Feuer, aber anscheinend wurde sie allmählich ärgerlich.

»Ich verstehe dich nicht«, meinte sie und warf ihm durch den Qualm hindurch einen zornigen Blick zu. »Bitte hör auf, mich mit diesem Geplapper zu belästigen.« Seufzend machte er sich wieder daran, sein Kochgeschirr auszupacken; Rhapsody wartete, bis er sich umdrehte, dann grinste sie breit. Tahn, Rhapsody, evet marva hidion Hör mir mit Wohlwollen zu, Rhapsody, ich finde, du bist wunderschön, wie ein Magnet. Abria jirist hyst ovetis bec Ich liebe es, dir zuzusehen, wie du dich bückst. Kwelster evet re marya du hast das allerschönste Brötchen. Rhapsody musste sich sehr anstrengen, nicht vor Lachen zu ersticken. Ashes Altcymrisch war nicht so schlecht, aber sein Lirinsch war noch gebrochener, als er wahrscheinlich ahnte.

Und doch sagte sie wie immer die Wahrheit: Sie verstand überhaupt nicht, was er sagen wollte.

Die beiden waren dazu übergegangen, kürzere Wachen abzuhalten, hauptsächlich wegen Rhapsodys Albträumen. Nach ungefähr einer Stunde Schlaf wälzte sie sich meist herum, murmelte leise vor sich hin, weinte manchmal oder erwachte voller Schrecken und nach Atem ringend. Ashe hätte sie gern beruhigt, wenn sie solche Träume litt, und er überlegte oft, ob er sie nicht vorsichtig wecken sollte, um sie vor ihnen zu bewahren, aber er wusste auch, dass sie wahrscheinlich Visionen hatte, Visionen von der Zukunft, die vielleicht notwendig waren, ganz gleich, wie sehr sie ihr zusetzten. So saß er da und beobachtete frustriert und sorgenvoll, wie sie die Nächte durchlitt und immer wieder zitternd aus ihrem leichten Schlaf aufschreckte.

Tagsüber sprachen sie nur wenig miteinander. Erst am Abend wurde die Spannung geringer und das Gespräch leichter. Dunkelheit hüllte den Wald ein, seine Geräusche wurden lauter und mischten sich unter das Knistern des Feuers und das Wispern des Windes in den Bäumen, das im Tageslicht kaum zu hören war. Bei Tag schien es so, als würden die Worte prüfend gegen das Licht gehalten, deshalb gebrauchte man sie nur spärlich. Doch die Nacht verbarg sie, und wenn es dunkel war, konnten Rhapsody und Ashe sich viel eher austauschen. Inzwischen waren sie nur noch wenige Tage von ihrem Ziel entfernt. Ashe hatte gesagt, bis zum Ende der Woche würden sie Elynsynos’ Höhle erreichen. Noch lag ein breiter Fluss vor ihnen, den sie überqueren mussten, noch hatten sie viele Meilen zu bewältigen, aber sie befanden sich in unmittelbarer Nähe.

In dieser Nacht lag Einsamkeit in der Luft. So lange wanderten sie nun schon durch den Wald, dass sie kaum mehr wussten, wie es war, nicht von Bäumen umgeben zu sein. Rhapsodys Abendgebete schienen vom Baumdach verschlungen zu werden, als wären ihre Lieder plötzlich zu schwer, um zu den Sternen aufzusteigen. Nun saß sie auf dem Hang eines kleinen Waldhügels und sah zu, wie die Sterne einer nach dem anderen im Dämmerlicht aufgingen und sich wieder hinter den ziehenden Wolken verbargen, die sie achtlos verschluckten. Rhapsody musste an winzige Elritzen denken, deren Schuppen im Wasser eines dunklen Sees schimmerten, verfolgt von weißen Raubfischen, die sie auffraßen und dann weiterschwammen.

»Rhapsody?« Ashes Stimme drang in ihre Einsamkeit, und sie wandte sich zu ihrem Gefährten um, der schattengleich am Feuer kauerte. An seinem Nebelumhang brach sich das Licht der Flammen und hüllte ihn in dichten Dunst.

»Ja?«

»Fühlst du dich sicher hier mit mir?«

Sie überlegte kurz. »So sicher wie irgendwo, denke ich.«

Die verhüllte Gestalt blickte auf. »Was meinst du damit?« Seine Stimme klang sanft, beinahe zärtlich.

Rhapsody blickte wieder zum Himmel empor. »Vermutlich kann ich mich nicht mehr erinnern, wie es ist, sich sicher zu fühlen.«

Ashe nickte und versank wieder in seine eigenen Gedanken. Einen Augenblick später jedoch begann er wieder zu sprechen.

»Ist es wegen der Träume?«

Rhapsody zog die Knie an die Brust und schlang die Arme darum. »Zum Teil.«

»Hast du Angst, Elynsynos zu begegnen?«

»Ein wenig«, antwortete sie mit einem leichten Lächeln.

Ashe nahm den Kessel und goss sich noch eine Tasse Tee ein. Als wollte er sein unhöfliches Betragen von früher wettmachen, trank er jetzt im Lauf der Nacht das meiste aus dem Kessel, was Rhapsody amüsierte. »Ich könnte mit dir gehen, wenn das eine Hilfe wäre.«

Wieder überlegte Rhapsody, schüttelte dann aber den Kopf»Ich glaube, das wäre nicht klug, aber trotzdem vielen Dank.«

»Hast du dich jemals sicher gefühlt?« Er nahm einen Schluck aus seinem Becher.

»Ja, doch, aber nun schon lange nicht mehr.«

Ashe spielte mit dem Gedanken, sie direkt nach dem zu fragen, was er wissen wollte, entschied sich dann aber dagegen. »Wann?«

Rhapsody rutschte ein wenig näher ans Feuer. Auf einmal war ihr kalt, und sie zog sich den Umhang enger um die Schultern.

»Als ich noch ein kleines Mädchen war, glaube ich, bevor ich von zu Hause weggelaufen bin.«

Ashe nickte. »Warum bist du weggelaufen?«

Sie hob ruckartig den Kopf und sah ihn an. »Warum läuft man schon weg? Ich war dumm, gedankenlos und selbstsüchtig; vor allem selbstsüchtig.«

Ihm wären noch andere Gründe eingefallen. »Und warst du als kleines Mädchen auch schon so schön?«

»Himmel, nein«, lachte Rhapsody. »Und meine Brüder haben es mir ständig unter die Nase gerieben.«

Auch Ashe musste lachen. »Das ist die Hauptaufgabe eines Bruders seine Schwester in ihre Grenzen zu verweisen.«

»Hast du Schwestern?«

Eine lange Pause trat ein. »Nein«, antwortete er endlich. »Also warst du eine Spätzünderin?«

Sie blinzelte. »Wie bitte?«

»Nennt man so nicht die Mädchen, die, na ja, die als Kind nicht so hübsch sind, aber als Frau wunderschön werden?«

Rhapsody warf ihm einen seltsamen Blick zu. »Findest du mich schön?«

»Natürlich«, antwortete Ashe und lächelte unter seiner Kapuze. »Du nicht?«

Sie zuckte die Achseln. »Schönheit ist Ansichtssache. Wahrscheinlich bin ich ganz zufrieden damit, wie ich aussehe, zumindest fühle ich mich wohl. Aber für mich hat es nie eine Rolle gespielt, ob andere Leute das auch finden oder nicht.«