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Ashe lächelte wehmütig. »Wirklich?«, fragte er. »Mir scheint, zwischen dir und den beiden Firbolg gibt es keine. Du kennst sie schon viel länger als ich und hast mehr mit ihnen durchgemacht, auch wenn du noch nichts von ihnen wusstest, als wir beide uns zum ersten Mal begegnet sind.«

»Ja, aber nur du weißt das, und nur du kennst meinen wirklichen Namen«, sagte sie. »Ich habe ihn bisher erst einmal in dieser Welt ausgesprochen, und das war bei der Hochzeitszeremonie, die wir im Geheimen abgehalten haben. Nur in der Grotte von Elysian kann man den Widerhall dieses Namens finden, und selbst die größten Benenner würden Schwierigkeiten haben, ihn zu erkennen. Außerdem weiß niemand, dass wir einander schon auf der anderen Seite der Zeit begegnet sind. Nur wir beide teilen miteinander die Erinnerung an jene wundervolle Nacht, die mich und zweifelsohne auch dich in der Zwischenzeit schon so oft getröstet hat. Also bist in Wahrheit du der Wächter meiner verlorenen Kunde und meines Herzens. Du bist meine Vergangenheit und meine Zukunft. Und so wird es immer sein.«

Ashe seufzte. »Wenn ich bloß deine Gegenwart sein könnte«, sagte er.

Das Kind in seinen Armen stieß einen hungrigen Schrei aus, und sie beide lachten.

»Ich glaube, da ist jemand, der vorgeht«, meinte Rhapsody. »Und obwohl du so gut wie die Besten deiner Art brüllen kannst, gewinnt er immer noch, wenn es um reine Lautstärke und Stimmhöhe geht.« Sie legte sich das aufgeregte Kind an die Brust und streichelte sanft seine goldenen Locken.

Ashe stieß feierlich die Luft aus.

»Aria, ich möchte dich um etwas bitten, obwohl ich lieber sterben als zusehen würde, wie du es tust.«

Rhapsody sah ihn überrascht an. »Dann bitte mich nicht darum«, sagte sie nur. »Wenn es bei dir solche Gefühle auslöst …«

»Uns bleibt keine andere Wahl«, unterbrach Ashe sie. »Du musst mit Meridion noch heute Nacht von hier aufbrechen. Es wäre etwas anderes, wenn wir uns nicht den Mantel der Führerschaft umgelegt hätten. Dann könnte ich dich und das Kind übers Meer bringen oder euch im heiligen Gwynwald in der Nähe des Großen Weißen Baumes verstecken, und ihr wäret in Sicherheit. Aber wir haben unsere Treue der Nation und dem Bündnis geschworen, und nun, da Krieg droht, dürfen wir unseren Eid nicht brechen, auch wenn das bedeutet, dass wir nicht zusammenbleiben können. Aber die Welt kann mir gestohlen bleiben, wenn du oder unser Sohn in Gefahr geraten solltet. Diesen Gedanken vermag ich nicht zu ertragen. Ich würde verrückt werden, wenn dir oder ihm etwas zustoßen sollte. Die Raserei des Drachen mag nach Elynsynos’ Meinung ein erfundenes Manuskript sein, aber ich spüre in mir den unleugbaren Glauben, dass genau das geschehen wird, falls ich euch verlieren sollte. Schon mehr als einmal habe ich einen Wald in Brand gesetzt, nur weil ich geglaubt habe, du wärest für mich verloren. Bereits das Wissen darum, dass sich dort draußen Kreaturen befinden, die auf der Jagd nach Meridion sind, weckt den Drachen in meinem Blut, der nach Rache und Vernichtung schreit.

Obwohl ich glaube, dass die Hohe Warte die stärksten Verteidigungsanlagen hat, wäre es närrisch, selbstsüchtig und unklug, dich hier zu lassen, während wachsame Augen nach unserem Sohn Ausschau halten. Es gibt nur einen Ort, an dem ihr beide in Sicherheit seid, wenn die Welt einstürzen wird.«

»Was sagst du da, Sam?«, fragte Rhapsody mit bebender Stimme.

Ashe senkte den Kopf. »Mit deiner Erlaubnis werde ich Achmed darum bitten, euch in seine Obhut zu nehmen. Du und das Kind werdet heute Nacht mit ihm und Grunthor aufbrechen. Ihr werdet abseits der Straßen reisen, vermutlich eher durch Canderre und Yarim als durch Bethania und möglicherweise durch den nordöstlichen Zipfel von Bethe Corbair, wo es nichts als Wüste gibt und keine Landmarken oder Festungen, wo ihr von jemandem entdeckt werden könntet, der die Macht hat, euch aus der Ferne aufzuspüren.« Er atmete tief aus. »Ich kann dir gar nicht sagen, wie übel mir in diesem Augenblick ist. Trotzdem glaube ich, dass wir uns beeilen müssen. Wenn der Bolg einverstanden ist – und ich habe keinen Grund zu der Annahme, dass er es nicht sein wird – und wenn du ebenfalls zustimmst und dich zu dieser Reise in der Lage fühlst, werde ich sofort nach der Beendigung des Konzils dafür sorgen, dass du noch vor der Morgendämmerung aufbrechen kannst.«

Rhapsody lehnte sich gegen die Wand, während sie ihr Kind stillte.

»Welch ein wunderbares Liebeslied«, meinte sie sanft.

»Wie bitte?«

»Was du soeben zu mir gesagt hast, waren vielleicht die schönsten Liebesworte, die ich je gehört habe«, sagte sie und lächelte traurig. »Ich weiß sehr wohl, wie sehr du diese Vorstellung hasst, wie sehr sie dir die Seele vergällt und wie schwer es für dich war, diesen Vorschlag zu machen. Für mich wird es gleichermaßen schwer sein, deiner Bitte zu folgen. Aber da ich keine bessere Idee habe, fürchte ich, dass du recht hast. Alles andere würde unseren größten Schatz nicht angemessen schützen.« Sie sah hinunter auf das Kind, das an ihrer Brust eingeschlummert war.

»Also wirst du es tun?«, fragte Ashe. Seine Miene war eine Mischung aus Erleichterung und Grauen.

Rhapsody knöpfte ihre Bluse zu und wiegte das Kind erneut.

»Ich tue es für ihn«, sagte sie. »Ich werde nach Ylorc gehen und Achmed bei seinem höllischen Lichtfänger helfen in der Hoffnung, dass er sowohl die Berge schützt als auch den Krieg rascher beendet. Aber das sage ich dir, Sam: Sobald Meridion entwöhnt und in Sicherheit ist, werde ich an die Front zurückkehren. Ich bin die Iliachenva’ar; es ist sinnlos, ein Schwert elementaren Feuers zu tragen und sich zu verstecken. Es wäre eine Beleidigung gegenüber Oelendra und der Ausbildung, die sie mir gegeben hat, wenn ich mich nur um meine eigene Sicherheit kümmere, während die anderen sterben.«

»Ich habe nichts anderes erwartet«, sagte Ashe. Rhapsody lächelte ihn an. »Falls du die Nachricht erhalten solltest, dass mir etwas zugestoßen ist, dann soll Anborn den Krieg fortführen, bis du bereit bist, das Oberkommando zu übernehmen.«

Rhapsodys Lächeln verblasste. »Komm, wir sollten zurückgehen«, sagte sie. Sie erhob sich und reichte Ashe wieder die Hand. Gemeinsam begaben sie sich zurück in den kleinen, dunklen Raum hinter der verborgenen Tür.

Kurz vor dem Wandbehang blieb Ashe ein letztes Mal beim Fenster in einem Teich aus Licht stehen und ließ sich dann auf eine Bank unter den Scheiben nieder. Rhapsody nahm langsam neben ihm Platz.

»Du hast mir noch nichts über Llaurons Tod berichtet«, meinte er gelassen. »Hat mein Vater am Ende leiden müssen? Ich weiß, du wirst mir die Wahrheit sagen, da du ihr als Benennerin verschworen bist. Du brauchst mich nicht zu schonen.«

»Nach meiner Einschätzung hat er nicht gelitten«, antwortete Rhapsody sanft. »Er ist zwischen Anwyn und mich getreten, während ich Meridion im Arm hatte, und hat uns mit seiner ätherischen Substanz umgeben. Dann war er plötzlich verschwunden, und zurück blieb nur seine Hülle aus elementarer Erde und Dunst. Es gab keine Schmerzen, und deine Großmutter konnte ihm nichts antun, aber ich vermute, er war traurig darüber, dass sie bereit war, ihm das Leben zu nehmen, nach allem, was er in der Vergangenheit für sie getan und geopfert hatte. Du hast den Ausdruck in seinen Augen gesehen, Sam. Es war Friede – und Resignation. Er wusste, dass er sein Enkelkind vor dem sicheren Tod gerettet hatte. Zumindest das wird ihn an die Schwelle der Rowans und zum ewigen Leben führen.«

Rhapsody hielt nach einer Spur von Feuchtigkeit in seinen himmelblauen Augen Ausschau, die so seltsam und beeindruckend von den senkrechten Drachenpupillen durchschnitten wurden, doch es gab kein solches Anzeichen, und dessen Abwesenheit verriet einen noch tieferen Kummer jenseits aller Tränen.

»Ich weiß nicht, was mich dazu getrieben hat, so grausam zu ihm zu sein, als wir uns das letzte Mal gesehen haben«, sagte Ashe. »Er war so aufgeregt wegen Meridion und wollte unbedingt am Leben seines Enkels teilhaben. Und ich habe ihn verschmäht, ich habe ihn zurückgewiesen und ihm gesagt, er werde niemals das bekommen, was er haben wollte. Ich weiß nicht, warum ich das getan habe.«