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Sie nahm seine Hand.

»Es war dasselbe, was mich dazu getrieben hat, alles hinter mir zu lassen, was ich kannte und liebte«, sagte sie einfach und ohne Gefühlsduselei. »Es war die Pflicht – und das Verlangen –, unseren Sohn um jeden Preis zu schützen.« Mit ihrer kleinen, schwieligen Fingerspitze fuhr sie ihm liebkosend über den Handrücken. »Llauron hat das verstanden, besser als jeder andere, der mir je begegnet ist. Er ist an sein Ende gekommen und hat dadurch sein Enkelkind geschützt. Nur ein einziges weiteres Mal ist in der Vergangenheit ein solches Opfer gebracht worden. Wenn Meridion älter ist, wird er wissen, wie sehr Llauron ihn geliebt hat, um so etwas für ihn zu tun. Ich bin mir zwar nicht sicher, aber es scheint, als ob Llauron etwas von seinem Wissen auf Meridion übertragen hat. Ich glaube, einen Dunst im Gefängnis von Llaurons Körper gesehen zu haben, den das Kind eingeatmet hat.«

Ashe starrte weiterhin aus dem Fenster der Festung auf die silbernen Bäume, die unter dem Herannahen der Zweiten Tauwetterperiode schwarz erglänzten.

»Es ist jedenfalls ein schöner Gedanke«, sagte er schließlich, stand von der Bank auf und zog Rhapsody mit sich. »Komm, wir gehen zurück und bringen das zu Ende, was wir entschieden haben. Dann können wir Meridions Benennungszeremonie abhalten, bevor du aufbrichst. Wenigstens eine einzige gute Erinnerung an diesen Tag sollte uns verbleiben.«

Er zog den Wandbehang beiseite, führte seine Gemahlin vorsichtig die Treppe hinunter zum geheimen Eingang und öffnete die Tür der verborgenen Kammer, in welcher der Rest der geheimen Versammlung gerade sein Mahl beendete.

Sie kehrten zu ihren Plätzen an der Tafel zurück.

»Vielen Dank für eure Geduld«, sagte Ashe. »Die Entscheidungen, die wir gefällt haben, sind hart und werden für uns alle schwierig umzusetzen sein. Jede erfordert ein Opfer, das in vielen Fällen fast zu groß ist, aber das ist nun einmal das Los der Führerschaft.«

»Leider«, sagte Anborn.

»Zuerst will ich den Firbolg-König offiziell um einen Gefallen bitten.« Ashe sah Achmed an.

»Du bittest mich um einen Gefallen?«, fragte Achmed ungläubig. »Wenn es um die Bereitstellung von Truppen geht, dann lautet meine Antwort: nein. Das Firbolg-Heer ist schon einmal Roland zu Hilfe gekommen – damals, beim großen Gerichtshof. Unter den gegebenen Umständen werde ich jeden Soldaten brauchen, den ich habe.«

»Dem kann ich nur zustimmen«, sagte Ashe schalkhaft. »Meine Bitte ist diese: Nimm meine Frau und meinen Sohn heute Nacht im Schutze der Dunkelheit mit und reise mit ihnen abseits der Straße durch die Wüste von Ylorc. Ich möchte, dass du sie in den Zahnfelsen in Sicherheit bringst. Irgendetwas macht Jagd auf unseren Sohn. Da ich das weiß, kann ich weder ruhen noch diesen Krieg in rechter Weise führen, wenn ich nicht sicher bin, dass ihm sowie seiner Mutter nichts zustoßen kann. Nachdem Rhapsody zugestimmt hat, dir beim Bau und der Entwicklung deines Lichtfängers zu helfen, kann sie dafür den Schutz der Berge für sich und das Kind in Anspruch nehmen. Bist du damit einverstanden?«

Achmed und Grunthor tauschten einen raschen Blick aus. Dann sahen die verschiedenfarbigen Augen des Bolg-Königs wieder Ashe an.

»Ylorc war Rhapsodys erste Heimat auf diesem Kontinent«, sagte er. »Sie besitzt dort ein kleines Herzogtum. Also wird sie in den Zahnfelsen immer willkommen sein.«

»Ja, und die Bolg werden sich freun, das Kind zu sehn«, kicherte Grunthor.

»Sobald ich das erste Rezept mit seinem Namen darin sehe, werde ich einen ganzen Stamm von euch in Flammen setzen«, meinte Rhapsody.

»Nun bitte ich die cymrische Herrscherin, all das, was sie von uns gehört hat, einzuschätzen und uns zu sagen, was sie darüber denkt«, meinte Ashe.

Die Herrin der Cymrer stieß die Luft aus.

»Für mich klingt es so, dass der kommende Krieg eher von menschlicher Habgier herrührt als von einem dämonischen Verlangen nach Vernichtung«, erklärte sie. »Aber das ist kaum von Bedeutung. Chaos und Anarchie sind sehr anziehend für die F’dor. Früher oder später werden wir uns einer Macht aus der alten Zeit gegenübersehen. Aus diesem Grund ist der Lichtfänger ein weises Instrument.

Aus dem, was ich gehört habe, schließe ich ebenfalls, dass es mehr Verbündete auf Talquists Seite gibt, als uns bisher bekannt war. Unter Leitha, der Herrscherwitwe, war Sorbold eine mehr oder weniger isolierte Nation, doch der neue Regent ist ein ehemaliger Kaufmann. Zweifellos hat er Freunde und Geschäftspartner auf der ganzen Welt. Wir müssen rasch herausfinden, wen er jenseits unserer Grenzen zu dem Versuch rekrutiert hat, den Mittleren Kontinent zu erobern.«

»Ich würde auf Hintervold tippen«, meinte Anborn.

»Vielleicht, aber Hintervold hängt von den Nahrungsmittellieferungen aus Roland ab, und Sorbold kann diese nicht leicht ersetzen«, gab Rhapsody zu bedenken. »Wir müssen so viele Steine wie möglich umdrehen und nachschauen, was darunter hervorkriecht.«

Dann wandte sie sich an Rial, ihren treu ergebenen Vizeregenten. »Dies ist mein letzter Befehl an Euch, mein Freund: Geht zurück nach Tyrian und dient wie bisher meinem Reich als Regent und Beschützer. Sichert den Wald. Noch brauchen wir die Lirin nicht in diese Sache hineinzuziehen. Allerdings solltet Ihr den Waldwächtern und den Soldaten an der lirinischen Grenze befehlen, alle Truppen aufzuhalten, die von Sorbold nach Roland ziehen wollen, selbst wenn es deswegen zum Kampf kommen sollte. Rial, Ihr müsst zum Palast von Tomingorllo gehen, wo das Diadem in seiner Schatulle ruht. Versucht es aufzunehmen, wie ich es einst versucht habe. Vielleicht ist es Zeit für die Sternenkrone, die Häupter zu wechseln. Ich werde zu lange zu weit entfernt sein, um dort als Titularkönigin herrschen zu können. Die Lirin haben Besseres verdient.«

»Die Krone und die Lirin haben ihre Wahl bereits getroffen, Herrin«, wandte Rial ein.

»Selbst ein Diadem aus ätherischen Diamanten hat das Recht, hin und wieder eine Entscheidung zu überdenken«, sagte Rhapsody und lächelte dabei ihren Vertrauten an. »Wir müssen uns dem stellen, was kommen wird. Zunächst wird es zwar nur ein oberirdischer Krieg sein, aber ich vermute, dass es nicht so bleiben wird.«

»Rhapsody hat recht«, fuhr Ashe fort. »Während die Spuren jener, die einst in der Tiefen Kammer der Unterwelt weilten, hier bei uns bisher nicht erkennbar sind, werden Gewalt und Blutvergießen ein Köder und eine Versuchung für die Dämonen darstellen, am Krieg teilzunehmen. Also müssen wir darauf vorbereitet sein, nicht nur diejenigen zurückzuschlagen, die von Habgier und Eroberungsgelüsten angetrieben werden, sondern auch gegen die dunkleren Mächte zu kämpfen, gegen das Böse aus dem Ersten Zeitalter, das nur durch Wissen aus derselben Zeit vernichtet werden kann. Aus diesem Grund wünsche ich, dass die Entscheidungen dieses behelfsmäßigen Konzils, bestehend aus den verschiedenen Parteien des Bündnisses und der Kirche, in Gegenwart einer lirinischen Benennerin ausgesprochen werden. Unsere Taten sollen als Akt der Verteidigung in die Geschichte eingehen, ergangen zum Schutz des Mittleren Kontinents und seiner Bewohner gegen die drohende Invasion durch jene, welche die Erde erobern wollen, und jene, die in ihrem Innern wohnen.«

»Tu das, Neffe«, sagte Anborn. »Ich bin froh, dass ich heute nicht an deiner Stelle bin. Erst in vielen Jahren, wenn die Geschichte ihr Urteil gefällt hat, wirst du wissen, wie schmerzhaft dieser Augenblick wirklich ist. Das kannst du mir glauben.«

Die Stimme des cymrischen Herrschers klang fest und königlich. »Sehr gut. Dies ist meine Entscheidung, gefällt in Übereinstimmung mit allen Anwesenden und vorbehaltlich ihrer Zustimmung«, sagte er. »Anborn ist immer schon der fähigste Kommandant gewesen. Wenn du einverstanden bist, Onkel, dir den Mantel, den du vor Jahrhunderten abgestreift hast, wieder umzulegen und erneut als Marschall der vereinigten Streitkräfte zu dienen, dann haben wir den besten Anführer im Feld. Außerdem verbinden dich persönliche Freundschaften mit einigen unserer schwierigeren Verbündeten – den Nain, den Eismännern aus dem Hintervold, dem Segner der Neutralen Zone –, die alle zu der einen oder anderen Zeit deine Waffenbrüder waren. Auch wenn es nicht nötig ist, einen dieser Verbündeten in den Krieg hineinzuziehen, solange sie nicht unbedingt gebraucht werden, wäre es gut zu wissen, dass wir im Notfall auf ihre Loyalität zählen können – entweder zum Bündnis oder zu ihrem militärischen Führer.«