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Als sie sich ihr näherten, zuckten sowohl Rhapsody als auch Achmed zurück. Ein Brummen von gewaltiger Lautstärke drang daraus hervor und schlug ihnen gegen Haut und Ohren. Es war nicht das tiefe, langsame Lied, das Rhapsody beschrieben hatte, sondern eher ein misstönendes Summen.

Rhapsodys Augen funkelten nervös im kalten Licht. »Ich bin mir nicht sicher, ob das eine gute Idee ist, Achmed«, flüsterte sie. »Stört dich dieses andauernde Brummen denn nicht?«

»Dein andauerndes Brummen stört mich schon seit vierzehnhundert Jahren«, gab er zurück. »Ich werd’s überleben. Es ist besser, wenn wir wissen, was es ist, als wenn wir davon überrascht würden. Bleib hier. Grunthor, gib mir das Licht. Vorsicht, von hier ab sind ölige Pfützen auf dem Boden.«

Der blau-weiße Ball wurde weitergereicht. Der Bolg-König trat an die Öffnung, wobei er den Lachen auf dem Boden auswich, und hielt das Licht über sich. Er beugte sich vor und schaute sich um.

»Nun, das erklärt die Bienen«, sagte er schließlich.

Rhapsody und Grunthor tauschten einen raschen Blick aus und gesellten sich dann zu ihm.

Hinter dem Loch befand sich eine gewaltige Höhle. Es handelte sich um die Überreste dessen, was einmal ein riesiges öffentliches Bad gewesen sein mochte. Gigantische, mit glitzerndem Perlmutt belegte Steinsäulen trugen die Überreste der Decke, die früher einmal mit außergewöhnlichen Fresken bemalt gewesen war. Verschlungene Mosaiken aus gebranntem Glas bedeckten die Wände; ihre Farben waren noch immer leuchtend, wenn auch teilweise mit Ruß beschmiert. Besonders das Rot strahlte hell, sogar in dem kalten blauen Licht. Es war schwer, viel vom Boden zu erkennen, denn er war in den Schatten hinter der Reichweite des Lichts verborgen. Deutlich waren jedoch die Reste eines Bewässerungssystems zu sehen, die von dem Kanal wegführten. Ausgedehnte, von farbigen Kacheln gesäumte Gräben führten zu schon seit langem trockenen Springbrunnen, in denen sich eine Reihe von Steinsitzen befand. Eine gewaltige, an einem Ende zerschmetterte Kuppeldecke reichte bis in die Finsternis. Das Tröpfeln von Wasser war neben dem Brummen zu hören, das hinter der Öffnung zu einem wahren Brüllen anschwoll.

Auf den Wänden und Säulen wuchsen am Rand des Lichtkegels Ausstülpungen von allen Größen; dicke Schimmelsporen und Pilzkulturen überzogen ganze Fresken. Weiter oben erstreckte sich über die Decke etwas, das wie massive Stalaktiten aussah; es waren lange, herabhängende Gebilde, die an Fangzähne in einem gewaltigen Maul erinnerten. Um diese Stalaktiten schwärmten Bienen – mehr Bienen, als ihr Auge aufnehmen konnte.

Das Brummen des gewaltigen Schwarms war so laut wie Donner, der in den Bergen hallt. Die Stalaktiten waren lediglich der äußerste Rand davon. Der Rest war durch Sand und Bienenspeichel während zweier Jahrtausende zementiert worden und breitete sich bedrohlich über die Decke bis hinter die Reichweite der Lichtkugel aus. In der Nähe des Lochs in der Decke war der Bienenstock zerschmettert. Aus zerbrochenen Waben tropften Wachs und Honig auf den Boden, umkreist von Zehntausenden aufgeregter, wütender Insekten. Ihre Schwingungen fuhren über Achmeds Haut und setzten sie in Brand. Rhapsody barg ihr Kind tiefer in den Falten des Nebelmantels und bemühte sich, mit dem Arm beide Ohren zu bedecken.

»Na gut, Herrin, vielleicht sind wir draußen wirklich sicherer«, flüsterte Grunthor.

»Keinen weiteren Laut!«, warnte Achmed mit leiser Stimme. »Wenn du sie erschreckst, werden sie auf uns zuschwärmen, und wir können ihnen nicht davonlaufen.«

Da kannst auch mir nicht davonlaufen, Ysk.

Die Worte krochen über Achmeds Haut und hallten in seinem Blut wider. Obwohl kein Laut seine Ohren erreichte, hörte er sie so deutlich, als ob sie dicht neben ihm ausgesprochen worden wären. Fast unmerklich drehte er sich ein wenig, weil er hinter sich schauen wollte.

Beweg dich nicht.

Der Befehl kratzte über die Innenseiten seiner Augenlider. Der Bolg-König zuckte vor Schmerzen zusammen. In diesen Worten lag etwas Vertrautes, eine unausgesprochene und tonlose Mitteilung, die durch sein Hautgewebe übertragen wurde und für seine oder andere Ohren unhörbar war. So war er bisher nur zweimal in seinem Leben angesprochen worden, einmal von seinem Lehrer in der alten Welt, Pater Halphaison, und das zweite Mal von der Großmutter, der alten Frau, die das Schlafende Kind bewachte, doch sie beide hatten ihm nicht solch rohe Gewalt und solche Schmerzen aufgezwungen. Die Worte wurden in keiner Sprache, sondern nur sinnenhaft mitgeteilt.

Sag ihnen, sie sollen hineingehen.

Achmed schluckte. Es war, als würde mit jedem Befehl ein weiterer unsichtbarer Faden um ihn herum gesponnen, der ihm seine Bewegungsfreiheit nahm. Er sog die Luft ein und versuchte seinen Kirai zu entfesseln, da er sich von seinen Suchschwingungen Aufschluss über den Sprecher erhoffte, doch der Atem blieb ihm in der Kehle stecken.

»Rhapsody«, sagte er auf Alt-Cymrisch, »tritt zur Seite und geh aus dem Kanal heraus. Du auch, Grunthor.«

Die cymrische Herrscherin, die zu seiner Rechten stand und gerade versuchte, die Schwingungen des Bienenschwarms aufzunehmen und einen Komplementärton dazu zu finden, sah ihn von der Seite an und gehorchte, als sie seine ernste Miene bemerkte. Sie trat rechts neben die Öffnung.

Grunthor zu seiner Linken tat ebenfalls, was Achmed gesagt hatte, doch als er vor dem Bolg-König herging, schaute er den Kanal hinter ihm entlang und verlangsamte seine Schritte. Der Schatten eines Mannes stand unmittelbar hinter Achmed, kaum einen Atemhauch entfernt. Er war in Dunkelheit gehüllt. Grunthor ging weiter, doch verstohlen griff er nach seinem Wurfmesser im Gürtel.

Plötzlich erstarb die Brise, die den Kanal entlanggeweht und von Millionen kleiner Flügel verursacht worden war. Die Luft im Tunnel entwich. Die beiden Bolg rangen nach Atem, als ihnen sogar die Luft aus den Lungen gepresst wurde. Grunthors Hand wanderte zu seiner Kehle, doch Achmed rührte sich nicht. Seine Adern an Hals und Stirn dehnten sich.

Rhapsody wandte sich um, sah ihre beiden Freunde in Not und eilte entsetzt zurück zur Öffnung. Eine Stimme, die diesmal deutlich hörbar war, sprach in leisem Tonfall, der durch das Brummen des Schwarms drang.

»Bleibt stehen, Herrin, es sei denn, Ihr wollt, dass Eurem Kind dasselbe zustößt.«

Die Kugel aus kaltem Licht fiel aus den Händen des Bolg-Königs und prallte dumpf auf den Boden. Rhapsody erstarrte und zog den Mantel sowie ihr Kind enger an sich, während die beiden Bolg auf die Knie sanken und gegen die Bewusstlosigkeit ankämpften.

»Aufhören, bitte«, flüsterte sie in demselben Tonfall, dessen sich auch die Stimme bedient hatte.

Schweigt. Der Befehl stach ihr in die Ohren. Rhapsody presste die Zähne zusammen und lehnte sich gegen die Wand. In tiefstem Grauen sah sie zu, wie ihre beiden Freunde nach vorn fielen, Achmed zuerst, dann der riesige Sergeant-Major. Die Augen quollen ihnen aus den Höhlen, und ihre Gesichter leuchteten purpurfarben im schwindenden kalten Licht.

Sie kämpfte gegen die Tränen an und spürte, wie Hass gleich einem Feuerstrom durch ihre Adern rann, als Grunthors Körper schließlich erschlaffte. Achmed war mit dem Gesicht in ihre Richtung gefallen und sah sie an. Er versuchte, sie ermunternd anzulächeln, aber es gelang ihm kaum. Rhapsody glaubte jedoch, ihn blinzeln gesehen zu haben.

Dann wurde auch sein Gesicht schlaff.

Ein Schatten kam heran und fiel im blauen Licht über die Körper. Rhapsody rührte sich nicht, als eine langknochige und dünne Hand aus einem Gewand hervorgestreckt wurde, Achmed packte und ihn auf die Beine und außer Sichtweite zog. plötzlich frischte die Brise wieder auf. Sie hatte Rhapsody die ganze Zeit umweht, doch nun fuhr sie auch durch Grunthors ölige Haare und seinen Umhang, der sich über dem Rücken des Riesen aufbauschte. Nach einem Augenblick regte sich der Bolg leicht, dann hustete er.