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Sie reckte sich langsam; es war nicht die träge Bewegung von Muskeln und Knochen, die sie zuvor in ihrer Apathie so angenehm und geschmeidig gefunden hatte, sondern die vorsichtig abgemessene Wiederbelebung eines schlafenden Körpers. Gleichzeitig lauschte sie angestrengt und hoffte den Namen wieder zu hören oder ein Anzeichen für den Aufenthaltsort dieser Frau herauszufinden. Dieser Ort alter Magie mit seinem leisen, fortdauernden Gesang des Heilens und das dämonische Summen des Schwarms verwirrten sie; es gab keine Möglichkeit für ihre inneren Sinne, die Ruinen abzusuchen.

Sie würde es mit ihren eigenen Augen tun müssen.

Als sie schließlich der Ansicht war, dass ihr Körper wieder so gut wie möglich funktionierte, glitt sie zurück in das Flussbett und begab sich zu dem Loch, das sie in der Höhle hinterlassen hatte. Ihre gespaltene Zunge schmeckte die Luft; sie versuchte, die letzten Reste des süßen Honigs loszuwerden und durch eine viel verlockendere Geschmackserfahrung zu ersetzen.

Durch Blut und Knochen, gewürzt mit Hass.

Die drei Männer erstarrten nur ganz kurz.

Eine Sekunde später befanden sie sich bereits wieder in Bewegung. Der Dhrakier, der sich anscheinend in den Ruinen gut auskannte, übernahm die Führung, lief an zerbrochenen Vasen und Urnen vorbei, die früher einmal Heilwasser und lindernde Öle enthalten hatten, und bahnte den anderen einen Pfad, so gut es ihm eben möglich war. Achmed nahm Rhapsody die Lichtkugel aus der Hand und folgte ihm. Er erhellte den Pfad, während Grunthor Rhapsody und ihr Kind packte und die beiden trug, denn seine Schritte waren mehr als doppelt so lang wie ihre.

Vorsichtig hasteten sie über den Boden des uralten Bades, sprangen den verstreuten Ruinen aus dem Weg oder duckten sich unter ihnen hindurch, kamen an gewaltigen Statuen lächelnder, gewandeter Damen vorbei, welche ihre Hände in segnender Geste ausgestreckt hatten, umrundeten die Bruchstücke von Liegen für Sonnenbäder unter dem Wüstenhimmel und gelangten schließlich zu dem Kanal, durch den sie hergefunden hatten. Sofort stiegen sie den Tunnel hoch.

Als sie ihn zur Hälfte durchschritten hatten, brach die Bestie durch das Loch im zerstörten Gewölbe und stieß ein Brüllen voll beißenden Hasses aus, der sogar Glas zum Schmelzen hätte bringen können.

Die Kuppel des Gewölbes erbebte, und Sand und Kies regneten herab, gefolgt von Teilen des Bienenstocks, die an der Decke geklebt hatten.

Rhapsody drückte den Kopf gegen Grunthors Brust und zog Meridion so eng wie möglich unter ihr Kinn. Sie hoffte, seinen Kopf auf diese Weise vor den fallenden Trümmern zu schützen. Das gewaltige Herz des Riesen schlug wie Donnerhall, als er den Kanal hinauflief. Sie schloss die Augen und bemühte sich, das Kind mit ihrem eigenen Körper abzuschirmen.

In diesem Augenblick brach der gesamte Stock auseinander und sandte einen schwarzen Schauer von Bienen aus, der so dicht wie die Staubmauer eines nahenden Sandsturms war. Die Tiere wirbelten aufgestachelt in alle Richtungen; das tiefe Brummen wurde zu einem wütenden Schrei, der rasch an Lautstärke, Tonhöhe und Wut zunahm.

In diesem Moment blieb der Dhrakier plötzlich stehen. Er beugte sich über den Kanalrand und bedeutete Achmed, dieser solle sich näher an die Wand begeben. Der Bolg-König gehorchte. Er hielt das Licht hoch, damit Grunthor etwas sehen konnte, und suchte Schutz in dem Schleusenkanal, als eine Welle wütender Insekten auf sie zuschoss.

Rhapsody hörte das stärker werdende Summen, ergriff den Saum des Nebelmantels, bedeckte damit die Seite von Grunthors Gesicht, das dem Kanal zugewandt war, und hielt das Gewebe wie ein Zelt über sie. Der Riese brachte den letzten Teil des Kanals hinter sich, huschte in die Schleuse und setzte Rhapsody sanft ab.

»Schützte dich«, sagte er drängend. »Wirf das Ding über dich selbst.«

Achmed beobachtete den Aufruhr des Schwarms. Schwarze Trauben von Insekten wirbelten wütend umher, ihre Verärgerung gipfelte in einem anschwellenden Schrei. Er drehte sich um und sah, dass der Dhrakier noch am Eingang des Kanals stand. Er hatte die Augen geschlossen, seine lange, knochige Hand gehoben und die Innenfläche der Höhle zugedreht. Er sang etwas und wiederholte immer wieder ein bestimmtes Lied. Die Worte ergaben keinen Sinn für Achmed; in seinen Ohren klangen sie wie eine andauernd gleiche Abfolge von Summen und Zischen. Doch in seinem tiefsten Inneren wusste er, was der Mann sang.

Feind. Feind. Feind.

Er wusste auch, dass der Dhrakier auf diese Weise die Bienen auf die Drachin lenkte. Er kannte die Art und Weise, wie ein Ameisenhaufen oder ein Bienenschwarm untereinander in Verbindung trat.

Einen Augenblick später erwies sich seine Vermutung als richtig. Der Insektenzyklon legte seine ziellose Wut ab und flog wie mit einem gemeinsamen Vorsatz auf die Bestie zu, bedeckte sie vom Maul bis zum Stachel an ihrem Schwanz und überzog auch ihre Flügel, bis diese ganz schwarz waren.

Die entsetzte Drachin geriet ins Taumeln und wand sich, als die Stacheln wieder ihre Augen trafen. Geblendet stieß sie ein Röhren der Wut aus, dann bahnte sie sich einen Weg zu dem tröpfelnden Rinnsal, wobei sie heftig gegen den Schwarm ankämpfte.

Der Dhrakier öffnete die Augen und wandte sich an Achmed.

»Lauft«, sagte er mit seiner tiefen, sandigen Stimme. »Sie wird nur einen Moment lang abgelenkt sein.«

Der Bolg-König drehte sich um und floh durch die Öffnung und die Schleuse hinauf, wo Grunthor mit heftigen Bewegungen dort einen Tunnel grub, wo der Sandsturm die Spalte zugeweht hatte. Einen Augenblick später befand sich der Dhrakier hinter ihm. Seine Schritte waren im widerhallenden Kreischen der Drachin unhörbar gewesen, das nun noch lauter wurde und näher kam.

»Bedeck dich und das Kind, Rhapsody. Ich werd dich gleich durchschieben«, sagte Grunthor und schnappte vor Erschöpfung nach Luft. Rhapsody betrachtete ihr Kind, das seit dem Schrei wieder ruhig war, zog sich das Ende des Nebelmantels, das noch auf Grunthor lag, über den Kopf und nickte. Sie war bereit. Der riesige Bolg packte sie und drückte sie durch die letzte Sandschicht. Sie taumelte hinaus in die Dämmerung und den Wüstenwind; ein dünner zunehmender Mond hing drohend am Himmel über ihnen.

»Zu den Pferden!«, rief der Sergeant und tauchte einen Augenblick später hinter ihr auf. Rhapsody gehorchte. Sie schob den Mantel zurück, hielt den Kopf gesenkt und rannte so schnell wie möglich auf die Ruinen zu. Das Herz hämmerte ihr in der Brust, während sie versuchte, unter allen Umständen ihr Kind festzuhalten.

Der Bolg-König und der Dhrakier kamen gerade aus der Spalte hervor, als der Kanal explodierte.

Eine Woge aus wütenden, wie wahnsinnig herumwirbelnden Bienen umkreiste den Kopf der Drachin, während sie in den Tunnel sprang und dabei dessen Wände zerstörte. Die Drachin spie immer wieder Feuer, das jedoch meist kaum mehr als Rauch war, denn die Feuersteine in ihrem Magen waren durch den Honig und das süße Wasser eingelullt. Mit ausgestreckten Krallen hastete sie auf den Dhrakier zu, während dieser aus der Schleuse stieg, und heulte ihm Drohungen in der Drachensprache hinterher, die nicht einmal sie selbst verstand.

Grunthor hatte Rhapsody beinahe eingeholt, als Achmed und der Dhrakier aus der Spalte hervorkamen und ihnen über die rissigen Lehmdünen in das verdämmernde Tageslicht folgten. Der Wüstenwind erschuf kleine Sandwirbel überall um sie herum, die den Horizont verdeckten.

»Ihr werdet niemals auf den Pferden fliehen können, selbst wenn ihr sie erreicht«, meinte der Dhrakier, während sie liefen. »Sie wird uns alle versengen, vor allem da sie fliegen kann. Wir können ihr nicht entkommen.«

Achmed blieb schwer atmend stehen und nickte. Er holte die Cwellan hervor und lud sie mit drei hauchdünnen Stahlscheiben.