Выбрать главу

Rhapsody erkannte seinen Tonfall. »Was ist es, das du mir nicht sagen willst, Achmed?«, fragte sie scharf, drehte sich wieder um und versuchte, ihre Umgebung deutlicher zu erkennen.

»Wie immer hörst du auf das, was ich dir nicht sage, anstatt auf das, was ich sage.«

»Das liegt daran, dass das, was du nicht sagst, immer das Wichtigere ist. Berichte mir, was ist hier passiert?«

Der Bolg-König seufzte. »Bevor Anwyn uns im Wald beim Nest ihrer Mutter gefunden hat, hat sie offensichtlich hier nach dir gesucht«, sagte er. »Grunthor und ich haben keine Ahnung, ob sie sich an diesen Ort aus der Schlacht am Gerichtshof erinnert oder ob etwas aus der Vergangenheit sie hierher gerufen hat. Ich wusste erst, dass sie in die Bolglande gekommen war, nachdem wir unsere Reise wieder aufgenommen hatten. Anscheinend hat es ihr nicht gefallen, dass dein Duft nun an ihrer Hütte klebte, oder vielleicht hat ihr die Art und Weise nicht gefallen, wie du sie umdekoriert hast. Wie dem auch sei, ich nehme an, dass sie die Grotte oder zumindest das Haus auf der Insel inmitten des Sees zerstört hat. Es hat keinen Sinn, jetzt dorthin zu gehen, Rhapsody. Die Höhlendecke ist möglicherweise instabil geworden. Es ist nicht sicher da unten, und ich habe deinem höllischen Gemahl versprochen, dass ich alles in meiner Macht Stehende tun werde, um dich zu beschützen. Dieser Ort war wegen des starken Windes ein gutes Ziel, aber wir haben keinen Grund, hier zu bleiben.«

Die Männer sahen zu, wie sich die cymrische Herrscherin umdrehte und noch immer darum kämpfte, ein klares Bild von dem Ort zu bekommen, den sie als ersten betreten hatten, als sie damals in die Bolglande gekommen waren. Sie streckte die Arme vor und ging dorthin, wo der Zugang gewesen war, dann tastete sie auf den Felsen herum. Schließlich drehte sie sich wieder um; ihr Gesicht war schmerzverzerrt.

»Die Öffnung ist noch da, Achmed«, sagte sie. »Bitte, ich will die Grotte sehen. Ich muss wissen, was mit meinem Haus passiert ist.«

»Ich glaube nicht, dass das ’ne gute Idee ist, Rhapsody«, sagte Grunthor sanft.

»Bist du auch der Meinung, dass die Höhle einsturzgefährdet ist?«

»Nein«, sagte der Sergeant-Major, der sie nicht anlügen wollte. »Nichts außer einem Erdbeben kann sie zerstören. Die Höhle ist ziemlich solide, und der See ist noch da. Aber von deinem Haus ist nichts übrig, zumindest nichts, was der Erwähnung wert wäre.«

»Bist du sicher?«, bedrängte Rhapsody ihn und betastete wieder die Felsen. »Meine Instrumente, meine Kleider? Hat nichts überlebt?«

»Nichts, was ich gesehen hätte«, sagte der riesige Bolg. »Ich bin natürlich nicht zur Insel rausgerudert weil ich Teile vom Haus überall im See hab rumschwimmen sehen. Wenn du irgendwann mal zurückkommen und sehen willst, was man vielleicht noch retten könnte, dann geh ich gern mit dir. Aber jetzt sollten wir dich sicher in den Bergen abliefern. Es ist schön, dich wieder bei uns zu haben, Rhapsody.«

»Willst du da unten nach etwas Besonderem suchen?«, fragte Achmed ungeduldig. »Was immer du haben willst, kannst du auch innerhalb der Mauern von Canrif bekommen.«

Rhapsody seufzte und ging zurück zu ihnen, wobei sie ihre Hand gegen den geschwollenen Bauch drückte.

»Das bezweifle ich«, sagte sie. »Aber wir können gehen, wenn du willst. Es gab da ein Benenner-Kleid, das von den drei Brüdern, von Meridions Großvater und seinem Großonkel getragen wurde. Es war ein Familienerbstück, und ich dachte, es wäre vielleicht schön für ihn, es zu tragen, wenn wir die Zeit für eine richtige Benennungsfeier finden.«

Achmed schnaubte und schritt zum Rand der Wiese.

»Vielleicht solltest du erst einmal abwarten, ob er überhaupt noch einmal geboren werden will«, sagte er und folgte dem Pfad von Kraldurge fort. »Wenn ich die Prophezeiung richtig verstanden habe, unterliegt er nicht den Launen der Zeit. Du könntest ihn also in dir herumtragen, bis er seinen achtzehnten Geburtstag erreicht hat oder sogar noch älter ist.«

»In Ordnung«, meinte Rhapsody brüsk und beachtete ihn nicht weiter. »Wir gehen nach Canrif. Nun, da ich wieder schwanger bin, brauche ich unbedingt eine Privatsphäre.«

Rath war von Canrif höchst überrascht.

Seit Jahrhunderten hatte er nicht mehr die Gelegenheit gehabt, in den Bergen umherzugehen. Das war selbst für jemanden von seinem hohen Alter eine lange Zeitspanne. Damals war er einem Dämon namens Vrrinax auf der Spur gewesen, einem F’dor mit übermäßiger Geduld, der Zuflucht in dem letzten der Schiffe aus der Dritten Cymrischen Flotte gesucht hatte und so schwach gewesen war, dass er keinen anderen Wirt als einen kränklichen Kabinenjungen hatte finden können. Der Dämon hatte abgewartet, war allmählich stärker geworden und in immer kräftigere Wirte geschlüpft, bis er gelernt hatte, sich so gut zu verbergen, dass Rath gebeten worden war, auf die Jagd nach ihm zu gehen.

Rath war bescheiden und hatte Achmed nicht mitgeteilt, dass er der beste Jäger unter den Brüdern war.

Kurz: er war selbst ein Mörderkönig.

Er konnte noch immer das Wesen des Dämons riechen, als er durch die Hallen der unterirdischen Stadt schritt, welche die Cymrer Canrif genannt hatten, was in ihrer inzwischen ausgestorbenen Sprache »Jahrhundert« bedeutete. Es war schon sehr lange her, doch ein paar Spuren des Bösen verblieben immer in den Steinen, dem Wasser und dem Holz, wenn großes Unrecht oder schreckliche Untaten begangen worden waren.

So etwas war hier geschehen. Selbst der Firbolg-König bemerkte es nicht, als er durch die Flure des Palasts ging, doch Rath machte es beinahe krank vor Ekel. Nur die cymrische Herrin vermied den Ort, an dem das Böse seinen Ausgang genommen hatte, als ob sie dort eine Vision gehabt oder von den Spuren der Erinnerung heimgesucht worden wäre.

Was Rath die größten Sorgen bereitete, war der Mangel an Achmeds artgebundener Erinnerung. Während die cymrische Herrscherin und der Sergeant eine solche kaum haben konnten, trugen diejenigen von dhrakischem Geblüt den Geruch des Blutes von jeder Bestie in sich, die sie getötet hatten.

Und Achmed hatte zwei in relativ kurzer Zeit abgeschlachtet.

Es verhieß nichts Gutes, dass der Mörderkönig innerhalb der Mauern eines solchen Ortes ruhig schlafen konnte – eines Ortes, an dem das Blut eines F’dor, der unter seinen Händen gestorben war, noch in den Wänden und dem Boden vibrierte.

Er folgte seinen Gastgebern still, während diese ihren Tätigkeiten nachgingen, von dem Korridor, an dem seine Gemächer lagen, zur Halle außerhalb des Gipfels des Gurgus, wo der Lichtfänger neu erbaut wurde, und sogar bis zu dem Aussichtspunkt, von dem aus man einen Überblick über die unterirdische Stadt hatte, die noch immer im Wiederaufbau begriffen war. Überall sah er Handwerker und Soldaten, Archonten, Lehrer und Steinmetzen, die allesamt daran arbeiteten, das wiederzuerrichten, was einmal die Vision eines Königs gewesen war. Es war für Rath deutlich zu sehen, dass die Bolg die Vision eines anderen Königs waren, eines Königs, der sich als Baumeister eines Volkes ansah und nicht als der einer Bergfestung. Das war ein edles Ziel in den Augen eines Menschen, aber nichts als eine Ablenkung für jemanden, der ein noch größerer Jäger als Rath sein könnte.

Er würde ihn aufmerksam beobachten.

Als die beiden Bolg zusammen mit Rhapsody und Rath den Raum am Fuß des Gurgus betraten, kam sofort ein großer junger Mann mit einem Vollbart und dunklem Haupthaar auf die cymrische Herrscherin zu und grinste sie breit an.

»Hallo, Rhapsody«, sagte er. »Willkommen; es ist sehr schön, dich zu sehen.«

Rhapsody sah ihn verwirrt an. »Entschuldigung«, sagte sie, »aber kenne ich dich?«

Die beiden Bolg und der bärtige junge Mann lachten.