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Die dunkle Schönheit des heranrückenden Sturmes lag über dem architektonischen Wunder und machte den Dämon stumm, der vor Freude über die Zerstörung, die sie überall hinterlassen hatten, in ein andauerndes Keckem und Kichern verfallen war.

Der Tempel stach aus Wind und Gischt hervor; sein seltsamer Turm wies fort von der aufgewühlten See. Das Fundament des gewaltigen Bauwerkes bestand aus großen Steinblöcken, die im Licht der sinkenden Sonne grau und schwarz schimmerten. Sie waren unregelmäßig, wiesen genau festgelegte Umrisse auf und wurden durch große Balken alten Holzes zusammengehalten. Sorgfältig gepflegte Wege aus großen, polierten, in den Sand eingelassenen Steinplatten führten zum Vordertor, das aus Planken von unterschiedlicher Länge bestand.

Die gesamte Kathedrale ähnelte einem Schiffswrack, das in merkwürdigem Winkel aus den zerklüfteten Felsen und dem Sand des Strandes hervorragte. Das gewaltige Vordertor mit dem eingekerbten Muster am oberen Ende war wie ein riesiges, in den Kiel gebrochenes Loch. Der verrückt gekrümmte Turm stellte den Mast dar.

Das gewaltige Schiff war bis zum kleinsten nautischen Gerät exakt nachgebildet. Die aus Marmor gemeißelte Vertäuung und das Takelwerk waren sechs Mal so groß wie gewöhnlich. Der Seneschall pfiff bewundernd und fragte sich, wodurch eine solch gewaltige Leistung inspiriert worden sein mochte.

Weiter vom Strand entfernt lag hinter dem Hauptteil der Basilika ein weiterer Teil der Kathedrale, ein Anbau, der durch einen aus Planken gebildeten Weg mit dem Hauptgebäude verbunden war. Der Anbau sowie der Weg dorthin waren nur bei Ebbe sichtbar und wurden bei Flut vom Meer überspült. Dieser zusätzliche Teil des Tempels wirkte wie ein zerschmettertes Heck. Ein ungeheurer Anker, der auf der Sandbank zwischen den beiden Bauwerken lag, diente als Schwelle.

Unwillkürlich erschauerte der Seneschall. Solange Faron dort draußen auf dem Schiff war, konnte er die Darstellung eines schrecklichen Schiffbruchs nicht genießen, falls es das war, was das Gebäude bedeuten sollte.

Trotz der Sorgfalt, die der unbekannte Architekt angewandt hatte, um den Eindruck eines aus dem Gleichgewicht geratenen Wracks zu erzeugen, das schräg auf dem Sand lag, war das riesige Gebäude offensichtlich sehr stabil und fest. Unerschütterlich stand es zwischen den brausenden Wellen der tobenden See und gab keine Hand breit dem Sand nach.

Der Seneschall richtete sich an die vier berittenen Soldaten hinter ihm, die seine Anordnungen erwarteten.

»Durchsucht das Rektorat und die anderen Gebäude«, sagte er und schaute hinüber zu den Lichtern, die sich in den rollenden Wellen brachen. »Vielleicht gewährt man ihr hier Unterschlupf. Falls ihr sie nicht findet, verbrennt die Priester bei lebendigem Leib. Sie werden in der Überzahl sein; also sagt mir Bescheid, wenn ihr hineingeht. Ich werde euch helfen.«

Die Soldaten nickten und bereiteten sich auf ihr Manöver vor.

Der Seneschall öffnete das große Tor der Basilika und schaute ins Innere.

Er saugte mit seinen Blicken die höhlenartige Basilika in sich auf und bestaunte die hohe Decke sowie die gewölbten Wände, die sie trugen. Balken von ungeheuerlicher Länge und Breite waren in den dunklen Stein eingelassen. Es sah ein wenig aus wie das zerbrochene Skelett eines gigantischen, auf dem Rücken liegenden Tieres. Sein Rückgrat war der lange Mittelgang, und gebrochene Rippen ragten hilflos in die Dunkelheit darüber.

Runde Fenster in der Form von Bullaugen saßen hoch oben in den Wänden und erhellten den Tempel bei Tag. Eine einzelne Reihe von großen, durchscheinenden Glasblöcken war in geringer Entfernung vom Boden in die Wände eingesetzt. Durch sie war die tobende See undeutlich erkennbar; sie badete das Innere der Basilika in einem grünlichen Glimmern.

Der Seneschall erschauerte erneut. Er war nun getrennt von einem seiner Elemente, dem Wind, und stand an einem heiligen Ort, der einem Entgegengesetzten und stärkeren Element geweiht war: dem Wasser.

Der Boden stach durch seine Stiefel; er rauchte und zischte.

Gesegneter Grund.

Der Dämon in ihm schrie vor Wut und Schmerz.

Die F’dor konnten keinen heiligen Boden betreten.

»Rhapsody?«, rief er. Seine Stimme hallte in der höhlenartigen Kathedrale wider. In seinen Ohren klang es rau, wie die Stimme des Dämons in ihm. Er zuckte zusammen. In dem nie endenden Kampf um seinen Körper schien es augenblicklich, als habe der Dämon die Oberhand gewonnen. Er schluckte schwer.

Mit großer Wut schlug er das Tor der Kathedrale wieder zu.

Er ging über den Steg zum Rand des Meeres und watete in die Ebbe hinein. Dann bahnte er sich einen Weg zu der Sandbank, auf dem der Anbau mit dem großen, rostenden Anker als Schwelle stand, und setzte einen Fuß darauf.

Kein Rauch stieg von seinem Stiefel auf.

Dieser Anbau war im Gegensatz zur Basilika kein geheiligter Boden.

Vorsichtig ging er die Sandbank hoch und trat in den offenen Durchgang. Er drehte sich um und schaute auf die Hintertür der Kathedrale.

Zwei kupferne Türflügel, blau-grün vor Salzgischt und mit Runen beschrieben, trugen Reliefs mit Schwertern, die in das Erz eingelassen waren. Eines deutete nach oben, das andere nach unten. Rollende Muster gleich Meereswellen liefen an den Klingen herunter, und die Spitzen trugen ähnliche Zeichnungen.

Im Hintergrund des Reliefs befand sich ein Wappen mit einem geflügelten Löwen. Der Seneschall hielt zuerst den Atem an, dann aber lachte er harsch.

Es war das Familienwappen seines schlimmsten Feindes im alten Land: MacQuieth Monodiere Nagall. Hinter dem Durchgang befand sich ein einfaches, höhlenähnliches Zimmer, das den Verwüstungen durch Luft und Meer offen stand. Wenn die Flut zurückkehrte, würde der größte Teil des Anbaus wieder unter Wasser stehen.

Im Gegensatz zu dem Tempel, der ein Gebäude in Schiffsform war, handelte es sich bei dem Anbau um den Teil eines echten Schiffes. Es lag mit dem Vorderteil nach oben halb auf der Seite im Sand. Was auch immer das für ein Schiff gewesen sein mochte, das hier auseinander gebrochen war und nun einen Anhang zum Tempel bildete, es war gemessen an der Größe des Wracks ein gewaltiges Gefährt gewesen, von dem nur noch ein beträchtlicher Teil des Hecks und Mittschiffs vorhanden war. Anscheinend war das Schiff nicht aus dem üblichen Holz gezimmert, sondern aus etwas, das während all der Jahre weder verrottet noch verrostet war.

Im Mittelpunkt dieses Gebildes steckte im Sand ein Block aus massivem Obsidian, der unter dem Wasser glänzte, das mit jedem Windstoß darüber Hinweggetrieben wurde. Zwei Klammern aus Metall waren in den Stein eingelassen. Sie standen offen und waren leer. Auf beiden zeigte sich keine Spur von Rost.

Die Oberfläche des Steins war einmal mit tief eingemeißelten Zeichen bedeckt gewesen, die mit der Zeit von dem beharrlichen Ozean fortgewischt worden waren. Nun war sie glatt, und nur ein Ausgebleichter Schatten überzog den Obsidian dort, wo die Inschrift gewesen war. An der Vorderseite des Steins war eine Plakette angebracht, deren Runen wie die auf der Kupfertür aussahen. Wie die Klammern, so war auch die Plakette von den Wogen nicht beeinträchtigt worden. Der Seneschall bückte sich und untersuchte die Plakette. Die Inschrift war in einer alten Sprache verfasst, an die er sich kaum mehr erinnern konnte, und enthielt viele Zeichen, die er nicht kannte. Doch das größte der Worte erregte sofort seine Aufmerksamkeit. Ein Lächeln bildete sich in seinen Mundwinkeln, als er das Wort zuerst einmal, dann ein zweites Mal und schließlich ein drittes Mal las. Er warf den Kopf zurück und lachte unbeherrscht.

MacQuieth, stand da.

Das schreckliche Geräusch des Gelächters verschmolz mit dem Kreischen des Seewindes und dem heiseren Rufen der Möwen. Der Seneschall konnte seine Freude kaum zügeln und weniger noch ein anderes Gefühl.