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Aber es lag etwas im Wind.

Sie konnte nicht genau sagen, was es war; es war flüchtig und vergänglich wie die wandernde Brise selbst. Aber Veränderung lag in der Luft; sie spürte es. Trotz der stärker werdenden Hitze der Sommersonne prickelte es kalt auf ihrer Haut.

Der Lärm, der von den Vorbereitungen herrührte, wurde schwächer. Sie schaute kurz fort von den Soldaten, die sich um die Pferde, die Wagen und Vorräte kümmerten, die sie auf den Weg nach Yarim mitnehmen würden, und wandte sich von dem Meer aus wogendem Gras nach Westen zur wirklichen See, die hundert Meilen entfernt war.

Kommt es daher?, fragte sie sich und versuchte vergeblich den Faden im Wind zu erhaschen, die Veränderung in der Luft auszumachen. Sie wusste nicht, ob es die Düfte, die Hitze oder die Luft selbst waren, die ihre Schwermut ausgelöst hatten. Sie war eingestimmt auf die Schwingungen der Welt, die Töne der Musik, die das Leben erzeugte, und als lirinische Sängerin und Benennerin konnte sie Veränderungen darin erspüren.

Aber sie fand nichts.

Keine Träume, keine Nachtmahre hatten ihr von Bedrohungen berichtet; es hatte keine Warnungen gegeben wie damals, als jede Nacht ihr Schlaf heimgesucht worden war. Wenn sie in Ashes Armen lag, blieb sie von schlechten Träumen verschont. Ein Drache, der die Träume beschützte, war das beste Mittel für eine ruhige und friedliche Nacht. Doch auch als sie von ihm getrennt gewesen war, in Tyria oder auf der Rückreise, hatte sie keine Visionen, Vorahnungen oder anderen Vorgefühle gehabt, die auf diese plötzliche Veränderung im Wind hingedeutet hätten. Vielleicht bildete sie es sich nur ein.

Doch als sie dastand und ergebnislos in die Ferne schaute, spürte sie einen weiteren Kälteschauer. Er war anders als der erste und legte sich ihr über den Rücken. Die winzigen Härchen im Genick stellten sich auf, und Schweiß trat aus ihren Poren, der sogleich in der Brise trocknete. Rhapsody drehte sich rasch um und blickte über die Zinnen Hagueforts nach Osten zur unendlichen Weite der Krevensfelder, doch nun war das Gefühl verschwunden. Sie sah nichts als endlos wogende Wiesen aus hohem Gras.

Sie legte die Handfläche auf die Stirn und versuchte das Pochen zu vertreiben, das dort aus den Tiefen ihres Hirns aufgestiegen war. Dabei verspürte sie aus Süden einen neuen Schauer wie ein Zittern in der Erde herannahen. Sie beugte sich rasch vor und berührte die Erde unter ihren Füßen, doch sie konnte nichts Außergewöhnliches fühlen.

So rasch, wie der Schauer gekommen war, verschwand er auch wieder.

»Aria?«

Rhapsody schaute hoch und bemerkte, wie Ashe sie von der Straße aus zusammen mit den Wachen, den Soldaten und Gerald Owen ansah. Sie brachte ein Lächeln zustande und schüttelte den Kopf. Diese Geste bewirkte, dass alle außer Ashe wieder an ihre Arbeit gingen. Ihr Gemahl hingegen übergab die Truhe, die er getragen hatte, einem Mann aus der Eskorte und stellte sich dann neben sie.

»Stimmt etwas nicht?«, fragte er, während sie aufstand und sich den Staub von den Händen wischte.

»Ich bin mir nicht sicher«, entgegnete sie, beschirmte wieder die Augen und sah sich um. Was immer ihre Gedanken unterbrochen hatte, war nun fort, falls es überhaupt je da gewesen war.

»Ich glaube nicht«, sagte sie schließlich.

»Wir können noch immer eine Flugbotschaft zu Achmed schicken, wenn du lieber zu Hause bleiben möchtest«, schlug Ashe vor und fuhr mit dem Finger über eine lose Strähne ihres Haars. »Er verlässt Ylorc erst in einem oder zwei Tagen. Für ihn ist der Weg nach Yarim viel kürzer.«

Rhapsody ergriff seine Hand und zog ihn zurück zu den Wagen. »Keineswegs. Ich freue mich sehr auf die Reise«, sagte sie, während sie auf die Karawane zugingen. Sie blieb stehen, als ein Wagen mit der königlichen Standarte mühsam in die Reihe fuhr. Er wurde von einigen Braunen gezogen. »Was ist das?«

Ashe verneigte sich tief vor ihr. »Der Wagen der Herrin.«

»Du beliebst zu scherzen.«

Der Herr der Cymrer zwinkerte ihr zu. »Nein. Warum?«

»Du willst, dass ich in einem Wagen fahre?«

»Warum nicht?«

»Wagen sind für ... für ... na ja...«

Ein belustigter Blick stahl sich in Ashes blaue Augen. »Für wen, meine Liebe?«

»Für ... nun ja, für die Adligen und so weiter.«

»Du bist eine Adlige, Rhapsody. Du bist die Königin, wie viel Bauchschmerzen dir das auch bereiten mag.«

Sie knuffte ihn neckisch. »Du hast Recht, es bereitet mir Bauchschmerzen, aber das ist nicht das Problem. Kutschen sind für die Verhätschelten oder die Alten oder Kranken. Ich will niemand davon sein, zumindest jetzt noch nicht.«

»Wirst du deine Abneigung gegen königliche Annehmlichkeiten denn nie überwinden? Es könnte für uns ein verschwiegener Schlafplatz sein.«

»Ich bin sicher, das Regiment wird das zu schätzen wissen. Nein.«

Ashe stieß einen gespielten Stoßseufzer aus. »Also gut«, sagte er und winkte dem Quartiermeister zu.

»Wir brauchen den Wagen nicht, Phillip. Vielen Dank.«

»Er würde uns außerdem zu langsam machen«, meinte Rhapsody, ging zu ihrer Rotschimmelstute und streichelte sie liebevoll. »Und Twilla würde eifersüchtig werden.«

»Ich möchte nur betonen, dass ich als nachsichtiger Ehemann deinem Hintern den Sattel ersparen wollte, aber du hast meine Anstrengungen zurückgewiesen«, sagte Ashe und versuchte beleidigt zu wirken.

»Nun, mein Hintern sagt dir Dank, aber ich bitte dich, kein Wort mehr darüber zu verlieren«, entgegnete Rhapsody und tätschelte die Stute erneut. »Sind wir bald abreisebereit?«

»Ja.«

»Dann sollten wir Melisande und Gwydion Navarne suchen. Außerdem will ich noch Anborn Lebewohl sagen.«

Ashe nickte in Richtung eines Hügelkammes. »Er ist da hinten«, sagte er. »Wenn du zu ihm gehen willst, hole ich die Kinder.«

Rhapsody küsste ihn dankbar. »Wie lieb von dir.«

Sie wartete, bis er die Stufen von Haguefort hochgestiegen war, bevor sie sich auf den Weg zum Hügel machte, auf den er gezeigt hatte. Sie hielt auf halber Höhe inne und lauschte wieder dem Jammern des Windes, doch sie bemerkte nichts Außergewöhnliches. Schließlich seufzte sie auf und eilte hinauf zum Hügelkamm.

Dort oben saß Anborn allein in seinem Rollstuhl. Er hatte ihr den Rücken zugewandt, doch als sie näher kam, sagte er: »Ich glaube, es kommt aus Westen.«

Rhapsody blieb sofort stehen. »Was ist es?«, fragte sie besorgt.

Der alte Soldat regte sich nicht. »Ich weiß es nicht«, antwortete er.

Rhapsody ging weiter, bis sie neben ihm stand. Selbst aufrecht war sie nur wenig größer als der sitzende Marschall. Sie wartete, denn sie wollte ihn bei seinem Lauschen nicht stören. Gemeinsam schauten sie über die endlosen Wiesen zum Horizont, der sich nun unter der höher steigenden Sonne erhellte. Schließlich sagte der Generaclass="underline" »Ich habe geglaubt, den Ruf zu hören.«

»Das hattest du schon gesagt. Von der Skelettküste her.«

Anborn richtete seine azurblauen Augen auf sie. »Nein, noch einmal. In der letzten Nacht.«

Die Kälte kehrte zurück und stach ihr in die Haut, aber diesmal wusste Rhapsody, dass sie von den Worten des Generals herrührte. »Von wo?«

Anborn schaute wieder fort. »Wenn ich das wüsste, wäre ich schon da.« Er rollte mit den Schultern. Die mächtigen Muskeln warfen das Hemd in Falten. Dann streckte er seine nutzlosen Beine mit den Armen.